Der Ukraine fehlen niederländische Stimmen: Kiews EU-Integration steht in Frage

Beim Referendum in den Niederlanden über die EU-Assoziierung der Ukraine haben sich mehr als 60 Prozent gegen das Assoziierungsabkommen ausgesprochen, schreibt die Zeitung „Kommersant“ am Freitag.

 

Das Referendum hat zwar nur einen empfehlenden Charakter, Premier Mark Rutte versprach jedoch, dass die Behörden den Willen der Wähler nicht ignorieren werden. Ein mögliches Szenario ist die Annullierung der Vereinbarung mit der Ukraine durch das niederländische Parlament, wonach die Umsetzung des Assoziierungsabkommens durch die EU infrage gestellt wird.

 

Während die EU-Führung nach Auswegen aus der Situation sucht, um die Assoziierung mit der Ukraine zu retten, drohen die Ergebnisse des Referendums Kiew mit neuen Erschütterungen und der Suche nach den Schuldigen bei einem Scheitern der EU-Integration. Dabei wird bereits der ukrainische Präsident Petro Poroschenko genannt.

 

Für die Ratifizierung des Abkommens mit der Ukraine sprachen sich in den Niederlanden nur 38,1 Prozent aus, dagegen sind 61,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 32,2 Prozent.

 

Die Hoffnung, dass die niederländische Regierung die Ergebnisse des Referendums ignorieren wird, das aus rechtlicher Sicht nur empfehlenden Charakter hat, ging nicht in Erfüllung. Dass die Volksabstimmung ernsthafte Folgen nach sich ziehen kann, zeigt die gestrige Mitteilung von Premier Mark Rutte auf seiner Facebook-Seite. Er gab zu, dass die Gegner des Abkommens deutlich gewonnen haben und betonte, dass man das Abkommen deshalb nicht ratifizieren könne. Für einen endgültigen Beschluss bräuchte man mehrere Wochen. Zunächst sollen die Ergebnisse im niederländischen Parlament und anschließend mit den europäischen Partnern besprochen werden.

 

„Der Prozess der Ratifizierung kann nicht fortgesetzt werden, als ob nichts geschehen ist“, heißt es in einer Mitteilung der niederländischen Regierung.

 

Inzwischen sind die Gegner der Ratifizierung voller Entschlossenheit, die Initiative komplett zu übernehmen und die Zahlen in konkrete Beschlüsse der Behörden umzuwandeln. „Bei solch einem bedeutenden Abstand zwischen Befürwortern und Gegnern ist der einzige Ausweg für die Regierung, die Ratifizierung des Assoziierungsabkommens aufzuheben und die Verhandlungen über den Text des Abkommens wiederaufzunehmen“, sagte der Parlamentsabgeordnete von der Sozialistischen Partei, Harry van Bommel.

 

„Die niederländische Regierung hat in der Tat nicht so viele Varianten“, sagte der Analytiker Sijbren de Jong vom The Hague Centre for Strategic Studies. Da es unmöglich sei, Brüssel und die restlichen 27 EU-Mitgliedsstaaten von der Revision des Abkommens zu überzeugen, könnten die Niederlande eine Erklärung über „Besorgnisse“ der Wähler vorlegen und die Revision einzelner Formulierungen in dem Dokument erreichen.

 

Zu behaupten, dass die Ergebnisse des Referendums die Meinung der Europäer über das ukrainische politische System widerspiegeln, sei falsch. Die restlichen 27 der 28 EU-Länder haben das Dokument bereits ratifiziert, so der Experte.

 

Die ukrainischen Behörden versuchen inzwischen die Folgen des Referendums kleinzureden. „Das wahre Ziel der Organisatoren dieses Volksentscheids ist nicht das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU. Das ist ein Angriff auf die Einheit Europas, auf die Verbreitung der europäischen Werte“, sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko. Er äußerte die Hoffnung, dass die Abstimmung für die Ukraine nicht zur Hürde auf ihrem Weg nach Europa wird. Die Ukraine werde weiterhin das Assoziierungsabkommen umsetzen und die Schaffung eines umfassenden Freihandelsraums mit der EU sichern, weil dies der Weg zur Modernisierung des ukrainischen Staates und zur Stärkung seiner Unabhängigkeit sei, so Poroschenko.

 

Laut dem ukrainischen Polittechnologen Viktor Ukolow war das so genannte Referendum in den Niederlanden eine Aktion der EU-Skeptiker. Bei einer niedrigen Wahlbeteiligung kamen vor allem diejenigen, die dagegen waren. Die Ukraine sei in diesem Fall nur der Anlass, so Ukolow.

 

Der Abgeordnete der Volksfront, Anton Geraschtschenko, äußerte die Ansicht, dass das Problem viel ernsthafter sei. „Diese Ergebnisse waren eine kalte Dusche für viele EU-Optimisten in der Ukraine. Es reicht nicht aus, das Mantra zu wiederholen, die Ukraine sei Europa, man muss dies mit Taten untermauern“, so Geraschtschenko.

 

Mustafa Najem vom Poroschenko-Block ist noch kategorischer gestimmt. „Das Ergebnis des Referendums ist ein Urteil für den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko persönlich“, schrieb er auf seiner Facebook-Seite.

 

Quelle: Sputniknews