Die aktuellen Präsidentschaftswahlen in den USA, noch gar nicht richtig angefangen, entwickeln sich überraschend zu etwas noch nie zuvor Dagewesenem. Turbulenzen, die rund um den Liebling des Präsidenten- Wahlkampfes der republikanischen Partei, Donald Trump ausgebrochen sind, drohen in eine offene Kollision zu eskalieren.
Das Establishment der republikanischen Partei gab unmissverständlich zu verstehen, dass sie Herrn Trump nicht nominieren wird und das auch auf dem bevorstehenden Kongress der Partei, der im Juli in Cleveland stattfinden wird, zu verhindern weiß. Donald Trump sagte wiederum, dass er in einem solchen Fall Millionen seiner Anhänger auf die Straßen bringen wird.
Der Krieg ist erklärt. Die Hetze gegen Trump läuft auf allen Kanälen und Zeitungen, die von der politischen Elite und Oligarchie (d.h. fast alle amerikanischen Medien) kontrolliert sind. Zu jedem öffentlichen Treffen mit Trump-Wählern werden Provokateure hingeschickt. Szenen mit denen und ihrer üblen Anmache werden dann fleißig auf Video aufgenommen, vorteilhaft für sie zusammengeschnitten als wären sie erfolgreich und unter Zustimmung aufgetreten und derart als Trump-Blamagen kommentiert in allen Abendnachrichten gesendet.
Eine solche Strategie trägt Früchte. Der Kandidat Trump verliert dadurch einen Teil der dringend benötigten Stimmen. Trotzdem jedoch wächst seine Popularität weiterhin an.
Wenn die Ergebnissen der laufenden Vorabstimmungen für Herrn Trump nicht absolut erfolgreich werden, d.h es ist erforderlich gegenüber dem nächstplazierten Kandidaten 50% + 1 Stimme der Wähler zu holen, dann haben die republikanischen Funktionäre eine legale Möglichkeit, ihn auf dem Wahl-Kongress der Partei noch zu stoppen. Jedoch bedeutete das nichts weniger als die Spaltung der Großen Alten Partei.
Aber selbst eine solch bedrohliche Perspektive bringt das Partei-Establishment nicht dazu aufzuhören zu hetzen. Dieser ungeliebte Kandidat Trump ist zu stoppen, koste es was es wolle! Womit nur konnte Donald Trump die republikanische Elite erschrecken und was stellt diese Elite eigentlich dar?
Ein böser Traum der Oligarchie
Donald Trump ist ein Selfmade-Milliardär, der seinen Reichtum in der Baubranche aufbaute, der sich also selbst zum Milliardär gemacht hat. Was wiederum bedeutet, dass er unabhängig von der oligarchischen Spitze der Wall Street ist. Er finanziert seinen Wahlkampf selbst. Und schon deshalb ist er ein Ketzer.
Aber noch «schrecklicher» als seine unabhängige Selfmade-Finanzierung ist das Wahlprogramm von Donald Trump, das sich überhaupt nicht an übliche Gepflogenheiten und die gewöhnliche Linie der amerikanischen Politik anlehnt.
Vor allem ist der Kandidat Trump ein erklärter Isolationist.
«Wir werden uns nicht mehr mit nationalen Projekten im Ausland engagieren. Es ist teuer und funktioniert nicht, sagt er. Die NATO kostet uns ein Vermögen… das ist offensichtlich, dass wir das uns mehr nicht leisten können». «Die Ukraine ist ein Land, das uns weit weniger berührt, als die anderen… Warum immer nur wir für alles und für das Risiko eines Dritten Weltkrieg mit Russland verantwortlich sind?»
Er fordert «alle diese Kreuzzüge für die Demokratie» zu stoppen, nennt den Irak-Krieg einen «historischen Fehler» und beschuldigt Bush zusammen mit Richard Bruce «Dick» Cheney für das Aufkommen des ISIS verantwortlich zu sein.
Er weigert sich, Israel blindlings zu unterstützen: Amerika wird seinen Verbündeten natürlich nicht fallen lassen, aber nur, indem es weiterhin als ein «neutraler und ehrlicher Vermittler in Friedensverhandlungen mit den Palästinensern» auftritt. Was Russland betrifft, könne man mit Putin durchaus reden, so wie es Nixon mit Breschnew gemacht haben, meint Kandidat Trump.
Bereits dieses oben Ausgeführte reicht aus, um zu erklären warum Herr Trump als Ungeheuer und Monster, schlimmer noch als Hitler (die Partei-Spitze sagt es genau so) dargestellt wird.
Doch Donald Trump hört nicht auf mit solcher Ketzerei, es gibt für ihn nichts Heiliges. Er droht der Federal Reserve eine Rechnungsprüfung an. Und schlussendlich überspannt er den Bogen, überschreitet förmlich die Grenzen zwischen Gut und Böse, indem er fordert, den gesamtenBericht der 9/11-Kommission freizugeben, um die verbleibenden geheimnisvollen Tatsachen der Tragödie zu durchleuchten.
Also, es ist klar, warum die «Elite» eine solche Angst vor dem Enthüller und Aufdecker Trump hat.
Aber womit erobert er die Herzen seiner Wähler?
Ein Amerika, das wir verloren haben
Wie unschwer zu erraten, mit genau Demselben. Mit Enthüllung und Aufdeckung. Milliardär Trump fasziniert Amerika mit seiner abweichenden «Nicht-System Sicht», mit der Freiheit die er sich herausnimmt, das sagen zu können, was er für richtig hält und auch, wie er es für richtig hält. Derart frei zu sein ermöglichen ihm sein Vermögen und seine Erfahrung.
Er nimmt kein Blatt vor dem Mund. Nennt das Kind beim Namen. Und hält nichts von irgendwelchen überlebten Zeremonien. Manchmal ist er einfach unhöflich und grob. Aber es funktioniert.
Amerika ist der endlos feinen Kasuistik müde, es vermisst die einfache und grob ausgesprochene Wahrheit. Die Wähler sind einfach froh, endlich einer freien, ungehemmten Person, die keine Angst hat Dinge beim Namen zu nennen, zuzuhören. Und jetzt verspricht dieser hemmungslose Trump gar, eine Mauer entlang der Grenze zu Mexiko zu bauen, einen zeitweiligen Aufschub für die Einwanderung von Muslimen festzulegen und die Gesellschaft, unendlich müde der politischen Korrektheit, stimmt ihm zu mit ihrem «Wir sind dafür».
Ja, die Wähler des Kandidaten Trump sind, so kann man sagen, die amerikanischen «Watniki» (Anm. Übers.: Steppjacken, wie die ukrainischen Nazis gern den «sowjetischen» und einfachen Russen benennen) und sie haben seine Nicht-Gentleman-Sprüche gerne: «Wenn Hillary noch nicht mal ihren Mann befriedigen kann, wie kann sie dann Amerika befriedigen?», fragt er in seinem Twitter-Account (sagt aber fairerweise gleich dazu, dass dieser Spruch Zitat ist, nicht von ihm erdacht).
Ja, er sagt manchmal skandalöse Dinge, gibt den Massen-Medien damit gesucht und gefunden Möglichkeiten, ihn als Rassist, Faschist, Sexist und Hitler abzustempeln. Aber alles gewohnt Bisherige, was die letzten 50 Jahre, beginnend mit der Hippie-«Kulturrevolution», noch so perfekt funktioniert hatte, scheint momentan fast nicht mehr zu greifen.
Die acht Jahre der Präsidentschaft eines Afroamerikaners heilten offenbar vollkommen die US-amerikanischen WASP (White Anglo-Saxon Protestants – eine Bevölkerungsgruppe der USA) von dem Gefühl der eigenen Minderwertigkeit gegenüber Schwulen, Lesben, Transvestiten, Verstümmelten, schwarzen Frauen, illegalen Migranten und Mexikanern.
Die Wähler von Donald Trump sehen mit freudigem Staunen in ihm die Verkörperung des amerikanischen Traums und mit wehmütiger Nostalgie das Amerika, das sie schon verloren zu haben glaubten. In den Tiefen der amerikanischen Seele begann und setzt sich ein interessanter seelenpsychologischer Prozess fort. Ein Prozess, der zu einer befreienden Explosion führen kann.
Der Ideologe der traditionellen amerikanischen Konservativen, Pat Buchanan definiert die Situation wie folgt: «Die gewöhnlichen Republikaner rebellieren gegen die Spitzen ihrer Partei».
Und, wirklich, am ehesten kann man das was soeben passiert als einen Aufstand Erwachender beschreiben: Die Revolution der Massen gegen das Partei-Establishment. Bisher scheint es, als sei diese Revolution friedlich genug. Aber bis wohin kann es führen falls es doch zum Fall X kommt, der Verhinderung des Kandidaten Trump durch das Establishment?
Die «Konstante in der US-Regierung»
Wenn nun mit dem Phänomen der Popularität des Kandidaten Trump alles so ziemlich klar ist, was kann man aber über Diejenigen sagen, denen er gegenübersteht? Über Parteifunktionäre. Das Establishment. Die Wall Street.
Ja, es ist zweifellos diese Gegnerschaft. Aber vor dem Hintergrund dieser etwas unscharfen Definitionen hebt sich klar die Gruppe derjenigen Personen heraus, die an der Spitze der Anti-Trump-Kampagne stehen und die seine erbittertsten Feinde sind. Das sind Diejenigen, die die letzten 25 Jahre die Ideologie und die Außenpolitik Washingtons bestimmten, Diejenigen, die als neokonservativ, Neocons bezeichnet werden.
Für die breite Öffentlichkeit ist diese kleine, aber zusammengeschlossene Gruppe von Intellektuellen erst nach dem 11. September 2001 bekannt geworden. Das waren jene Leute, die in den Jahren der Präsidentschaft des George W. Bush Amerika in die Abenteuer des zweiten Irak-Krieges stürzten.
Ganz Amerika erinnert sich an den grandiosen Skandal um die sogenannten Massenvernichtungswaffen und ein «Atomprogramm», der unmittelbarer Vorwand für den Krieg war. Wie sich herausstellte, informierten neokonservative Strukturen (wie Z. B. die «Abteilung für spezielle Planung» der Pentagon Divisionen) unter der Obhut des stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz und Vizepräsidenten Dick Cheney wissentlich den Präsidenten und den Kongress falsch.
Während dieser Zeit wurde in der amerikanischen Presse diese ganze Gesellschaft bloss als «Cabal» (die Clique, Bande) bezeichnet. Außenminister Colin Powell (jeder erinnert sich an ihn, der in der UN-Sitzung ein Glas weißen Pulvers schüttelte, als Symbol für irakische Massenvernichtungswaffen und den dieser Skandal später seinen Posten kostete) nannte die «Abteilung für spezielle Planung» zynisch die pentagonische «Gestapo», mit dem Argument, dass sie sich tatsächlich als nicht verfügbar für Staatliche Kontrollorgane etabliert hat.
Jedoch sind diese Neocons trotz einer so offensichtlichen Diskreditierung nicht aus der amerikanischen Politik verschwunden. Im Gegenteil, sie verstrickten die Washingtoner Macht-Maschine in ein dichtes Netz von einflussreichen Komitees, «Think Tanks» und Nichtregierungsorganisationen. Sie verwandelten sich bis heute in eine echte überparteiische Macht, die, wortwörtlich, über der der offiziellen Macht steht.
Als Beispiel einer solchen einflussreichen neokonservativen Struktur kann man das «Nаtional Endowment for Democracy» (NED) nennen, eine private nichtstaatliche Organisation, die aus dem US-Staatshaushalt finanziert wird. Sie war auf dem Höhepunkt des kalten Krieges zur Unterstützung der Dissidenten-Bewegungen entstanden.
Die Führungskräfte der NED haben es nie besonders verborgen, dass die Organisation säkulare Fassade der CIA ist. Während ihres Bestehens wurde die Stiftung zum Paten der Moskauer Helsinki-Gruppe von Ljudmila Alexejewa, finanzierte die «Solidarität» in Polen, die «Charta 77» in der Tschechoslowakei und «Otpor» in Serbien. Und nach dem Zusammenbruch der UdSSR beschäftigte sie sich mit der Organisation der «Farben- Revolutionen» auf der ganzen Welt.
So ist zum Beispiel bekannt, dass zum Zeitpunkt des Kiewer Maidan in der ukrainischen Hauptstadt nicht weniger als 65 (!) Projekte der NED in Arbeit waren, für die Organisation, Ausbildung und Unterstützung von «Aktivisten».
Den ukrainischen Maidan hat sowohl die «Assistant Secretary of State», Victoria Nuland, betreut, Ehefrau von Robert Cohen, einem der Gründer von PNAC, («Project for the New American Century»), der neokonservativen Denkfabrik, die die strategischen Szenarien der US-Kriege der letzten 20 Jahre entwarf, als auch von John McCain (der eine der von NED assoziierten Organisationen führt).
Diese Fallbeispiele geben einen Überblick über die Höhe des Einflusses dieser politischen Gruppe auf die amerikanische Außenpolitik. Man kann die Aussage von Kevin B. Macdonald, Professor für Psychologie an der University of California, Autor des großartigen Buches «die Kultur der Kritik» akzeptieren, der die heutigen Neocons als die «Konstante in der US-Regierung» bezeichnete.
Um das Wesen der Opposition um Donald Trump gegen die «Konstante in der US-Regierung» noch besser zu verstehen, sollte ich noch ein paar Worte über die Geschichte dieser «wunderbaren Entstehung» sagen.
Die Ritter der edlen Lüge
Mehrheitlich stammen die Neokonservativen von Aussiedlerfamilien aus Osteuropa, die sich Anfang des 20. Jh. nach New York absetzten und aus ehemaligen Absolventen der legendären «City College New York» (CCNY), der so genannten «Harvard (Universität) des Proletariats». Im Jahre 1898 (bis 1999) gründete J. H. Gottheil eine jüdische Lehr-Bruderschaft, die für die zionistische Studenten-Community der Universitäten von New York bestimmt war. Aber mit der Zeit wandelte sich diese Bruderschaft um, bis hin zur Mitte des linken Radikalismus und des Trotzkismus gar. Die meisten Absolventen des CCNY von 30-50-er Jahre flossen in eine breite linke Bewegung von Amerika ein. Keine Ausnahme darin waren die zukünftigen Neocons.
Diejenigen, die später als «Gründerväter» des Neokonservatismus genannt werden, waren Mitglieder der trotzkistischen Partei von Max Schachtmann (1904-1972), gebürtiger Warschauer, laut Wikipedia: «Zunächst war er Leninist und Trotzkist. Er formierte 1927, nach seinem Ausschluss aus der Kommunistischen Partei der USA zusammen mit James P. Cannon (mit dem er sich ca. 1939 überwarf) und Martin Abern die «Communist League of America» (Kommunistische Liga von Amerika). Danach gehörte er auch der «Socialist Workers Party» an. Schließlich entwickelte er sich zum antisowjetischen Sozialdemokraten. Er erarbeitete eine oft als «Schachtmanismus» bezeichnete marxistische Theorie. Seine Arbeit, als Teil der «Old Left», beeinflusste die Herausbildung des Neokonservatismus.»
Zu dieser Zeit sehen wir bereits unter den Schachtmann-Kollegen die wichtigsten Figuren in der Welt der Neocons wie Irving Kristol und Jeane Kirkpatrick (später Beraterin in der Außenpolitik im Kabinett Ronald Reagan). Aber auf der Schwelle der 30-40er Jahren traten Schachtmann und Kristol mit einer Gruppe von engsten Verbündeten aus Angst vor der Annäherung zwischen der UdSSR und Deutschland aus der «Vierten Internationale» aus, angetrieben von ihren früheren trotzkistischen Überzeugungen. Dann suchten sie Schutz bei dem «stärksten demokratischen Staaten des Planeten». Solche umerzogenen Trotzkisten wurden liebevoll von einigen einflussreichen Schichten der amerikanischen Elite und Geheimdienste angenommen.
In den 50er Jahren bereiteten sie zusammen mit den sogenannten New Yorker-Intellektuellen, zukünftige Neocons, den Boden und die Jugend für die «Kulturrevolution» der 60er vor. In den 70er Jahren gehörten Neocons im Team des demokratischen Senators Henry Jackson (Mitverfasser der berühmten Änderung von Jackson-Vanik) zur großen amerikanischen Politik. In den 80er Jahren machten sie einen Sprung aus der Demokratischen Partei in die Republikanische (zu dieser Zeit bekamen sie den Spitznamen Neocons) und kämpften zusammen mit Ronald Reagan gegen die Sowjetunion. An der Schwelle der 90er schrieben sie das Szenario eines großen Krieges im Nahen Osten.
Die Geschichte der Neocons wäre jedoch unvollständig ohne die Erwähnung ihres spirituellen Guru, dem politischen Philosophen Leo Strauss.
Wenn der Neokonservatismus auch aus dem trotzkistischen Dunstkreis Max Schachmanns herstammte, das Moment seiner wahren Neuwerdung war der Lehrstuhl für politische Philosophie an der «University of Chicago», der fast 20 Jahre (von 1949 bis 1967) von Leo Strauss geleitet wurde. Genau der hat die jetzige Generation der Neocons erzogen.
Der deutsche Philosoph jüdischer Herkunft Strauss emigrierte während der späten 1930er Jahren aus Europa in die Neue Welt. Genau wie die umerzogenen Trotzkisten Schachtmanns, trug Strauss in sich Angst vor totalitären Regimen. Deswegen war das verständliche Ziel seiner politischen Doktrin die Schaffung einer Welt, in der solche Regime nicht mehr möglich wären.
Weill Leo Strauss sich für die Idee des esoterischen Wissens für Auserwählte engagierte und die Kunst des geheimschriftlichen Schreibens mittels äsopischer Sprache genauso wie die mündliche Weitergabe von geheimen Wissens betrieb, wird für uns die Interpretation seiner Lehre nicht gerade einfacher, dennoch kann ich sie in einigen unkomplizierte Thesen beschreiben:
Also, die Menschheit, laut Strauß, gliedert sich in zwei Arten von Menschen. Die Elite, die zu regieren bestimmt ist und die unwissende plebejische Masse.
Folglich gibt es zwei Arten von Wissen, eine für die Elite, der andere für allen anderen.
Da es in der Welt die schreckliche Gefahr des Totalitarismus gibt, muss ein demokratischer Staat immer für einen Krieg bereit sein. Und das bedeutet: In jeder Hinsicht muss der Geist des Militarismus im Volk durchgesetzt werden, verstärkt und unterstützt in seinem kriegerischen Tonus durch die Angst vor «äußeren Bedrohungen» und deswegen muss das Image einen externen Feindes geschaffen werden.
Eine andere wichtige Facette der Lehre dieses Vaters der modernen amerikanischen Demokratie war paradoxerweise die Angst vor der Demokratie an sich. Aus Angst vor den «unwissenden Massen» (weil sie Hitler an die Macht brachten!), hielt Strauss es für das wichtigste Ziel, dass die Elite eines demokratischen Staates die Machterhaltung um jeden Preis vor Augen haben muss.
Dafür müsse diese Elite zum Beispiel eine direkte Täuschung der «plebejischen Massen» ausüben, weil «die plebejische Masse» aufgrund ihrer Unwissenheit und Dummheit nicht in der Lage sei, die Feinheiten der Kunst des Managements zu durchblicken und zu verstehen (die so genannte «Lehre der edlen Lüge», «noble lies», die Strauss konsequent in einigen seiner Werke, Z. B. in seinem Buch «Die Stadt und der Mensch», 1964 entwickelt).
Wie wir sehen absorbierten die Neokonservativen sehr tief alle Facetten dieser Lehre. Und zu Recht bemerkt eine der konsequentesten Kritikerinnen von Strauss und Strauss Anhängern die kanadische Forscherin Shadia Drury, dass man diese Bande nicht nach ihren Worten (denen zu glauben per Definition unmöglich ist), sondern anhand ihrer Taten beurteilen muss.
Die Veteranen des Vierten Weltkriegs
Unter anderem gehörten zu Leo Strauss auch die Ideen des «permanenten Krieges» und eines «konstruktiven Chaos», den die an die Macht gekommene Eliten für die «Unterdrückung aller Formen von Widerstand» ständig aufrecht erhalten müssten. Unmittelbar nach dem 11. September 2001 führten Neocons beide genannte Ideen unter der Bezeichnung «Vierter Weltkrieg“ (Eliot Cohen) und «schöpferische Zerstörung» (Michael Ledeen) in unsere Wirklichkeit ein.
Bis zu diesem Zeitpunkt gab es bereits diverse Doktrinen im Arsenal der Washingtoner Politik, geschrieben durch neokonservative «Denk-Fabriken» über «das gesamte Spektrum der Dominanz» des Pentagons, über präventive Kriege (die sogenannte «Wolfowitz-Doktrin») und natürlich die Strategie des «Kreuzzugs für den Aufbau einer Neuen Weltordnung», die Bush-Senior nach den Ergebnissen des Ersten Irak-Kriegs ankündigte.
An diesem Punkt wurde endgültig das Bild eines äußeren Feindes erstellt, das der islamischen Zivilisation. Genau darauf wies der Bestseller von dem Neocon nahen Professor S. Huntington «The Clash of Civilizations» (Kampf der Kulturen) hin, das im Jahr 1996 veröffentlicht wurde.
Im selben Jahr haben anlässlich des Wahlkampfs Netanjahus und seiner Likud-Partei die führenden Neocon Strategen (Richard Perle, Douglas Faith und David Wurmser) ein Programm zur militärischen Strategie für Israel vorbereitet («Durchbruch ohne Blutvergießen: Eine Neue Strategie für die Sicherheit des Heiligen Landes«), in dem der Irak und Syrien als Feinde des jüdischen Staates bezeichnet wurden.
Auf der Liste der Feinde der USA und Israels fanden sich auch: Algerien, Libyen, Ägypten, der Sudan, Libanon, Saudi-Arabien, der Iran, die palästinensische Autonomie Behörde, die Hisbollah, Hamas und der ganze «militante Islam» im Allgemeinen.
Es blieb einzig eine Demonstration der beschworenen «äußeren Bedrohung» übrig, die dann endlich am 11 September 2001 stattfand…
Die greifbaren «Früchte» der Umsetzung des neokonservativen Programms eines «Kampfes der Kulturen» können wir alle heute sehen. (Anm. des Übers.: und erleiden! ) Aber seine strategische Umsetzung wird fortgesetzt.
Seit dem «gnadenlosen Krieg gegen den Terror» kamen China, Nordkorea und Russland auf die neoconsche Liste der «Achse des Bösen» hinzu und der zuvor rhetorische «Vierte Weltkrieg» verwandelte sich tatsächlich in einen praktizierten neuen kalten Krieg.
Nach den bekannten Anschlägen in Paris meint der wichtigste Förderer der «Vierten Weltkriegs», Eliot Cohen, dass es bis zum bitteren Ende dauern würde, so lang wie nötig, notfalls «solange, bis meine Kinder ganz alt werden».
Die Vorahnung eines Bürgerkrieges
Es ist klar, dass die neoconische Strategie der totalen Dominanz und des totalen Krieg das genaue Gegenteil von dem ist, was heute Donald Trump sagt.
Wenn er Amerika als einen traditionellen Staat sieht, der ehrlich mit anderen im politischen und wirtschaftlichen Bereich konkurriert, dann schauen Neocons demgegenüber auf die USA als einen politischen Hegemon, dessen Aufgabe es sei die planetare Herrschaft gemäß ihrer messianischen Träume zu meistern.
Die Schüler von Philosoph Strauss wechselten nur die politische Kleidung und ihre ideologische Sprache, haben aber im Grunde genommen nie aufgehört Trotzkisten zu sein. Ich riskiere zu behaupten, dass das politische Programm von Strauss selbst nur eine Art konservativer Version der «permanenten Revolution» ist. Nämlich die Macht in einem starken demokratischen Staat zu übernehmen und dann durch die schrittweise Erweiterung des «konstruktiven Chaos» und «permanenten Krieges», die Macht auf globaler Ebene erreichen.
Das, was heute (bei den Vorwahlen) in Amerika geschieht, kann man als eine Art Antwort auf diesen (neokonservativen) Wahnsinn ansehen. Begründet durch physische und historische Gesetzmäßigkeiten muß früher oder später auf jede Aktion eine gleichwertige Gegenaktion folgen. (Drittes Newtonsches Axiom: Das Prinzip von Actio und Reactio).
Zu eben einer solchen Reaktion, gegen einen inzwischen 20 Jahre andauernden ungeheuren neoconischen Druck, der die Hebel der Washingtoner politischen Maschinen ergriffen hat und auf die äußere Welt ausgeübt wird, ist nunmehr Donald Trump und seine beeindruckende Unterstützung aus der amerikanischen Gesellschaft geworden.
Das, was wir heute sehen, ist auch die Konfrontation von grundsätzlichen Ideen. Ihre innere Spannung ist nicht kleiner als die Konfrontation des konservativen Südens und des liberalen Nordens vor dem Bürgerkrieg in den USA.
Im Grunde genommen ist es das, die Situation eines Bürgerkriegs. Nur immer noch auf der mentalen Ebene befindlich. Aber man bekommt einen Vorgeschmack darauf, ein Gefühl, dass wir sehr bald das Amerika, wie wir es kennen, vielleicht nicht mehr wiederkennen.
Von Wladimir Moschegow
Quelle: www.vz.ru
Übersetzung: fit4Russland