Gegensätzlicher hätte die Woche nicht zu Ende gehen können. Da äußert sich der russische Präsident Putin bei seinem famosen Mediengespräch mit der russischen Bevölkerung zugunsten gutnachbarschaftlicher Beziehungen zu allen Nachbarn, die an Russlands Grenzen liegen. Der polnische Außenminister Waszczykowski bezeichnet bei einer Konferenz in Bratislawa fast zeitgleich Russland als eine größere Bedrohung als die Mörderbanden des IS in Syrien, dem Irak und all jenen Gebieten, zu denen US-amerikanische Planung und Golfstaatenmilliarden den Weg geebnet haben. Selbstredend, dass der Westen unter bewusster Missachtung aller völkerrechtlichen Regeln auch noch gegen die selbst geschaffene Bedrohung für seine eigene Zivilisation dagegen so etwas wie Krieg führt.
Ist so etwas auf die Reihe zu kriegen? Für normale Zeitgenossen, die sich noch an das erinnern wollen, was vorgestern passiert ist, gewiss nicht. Wir sind Polen vertraglich enger verbunden, als das für andere Staaten gilt. Sei es über den Umstand, dass wir Nachbarn sind und wir schon wegen Breslau und Danzig Wert auf eine ausgezeichnete Beziehung zu unseren Nachbarn an der östlichen Grenze Deutschlands legen.
Die EU, die zwar seit Längerem wie eine politisch-demokratische Irridenta wirkt, ist de facto aber ein hochwertiges Bindeglied. Dieses leidet darunter, dass seit geraumer Zeit EU-Europa von einem politischen Führungspersonal bestimmt wird, das nicht weiß, wo der Pfeffer wächst. Mit Wehmut denkt man an die Giscards oder Thatchers, die Walesas oder die Schmidts und Kohls zurück. Aber die Welt ist, wie sie ist.
Die NATO entwickelt sich mehr und mehr zur »imminent danger«
Warum soll man in Warschau nicht die Welt so beurteilen, wie man es in Warschau will und für richtig hält? Welche Dimension das politische Agieren in Warschau annimmt, kann derzeit auf dem Gebiet der Innenpolitik bewundert werden. Selbst bei den Champagner-Brigaden in Brüssel rauft man sich die Haare, wenn man den Umbau des polnischen Rechtsstaats nach dem Modell der Regierungspartei sich ansieht. Damit müssen die Polen schon fertig werden, das ist deren Aufgabe.
Gefährlich für uns Deutsche wird es aber, wenn diese Haltung in der EU und vor allem in der NATO Nachahmer, Anhänger oder Brandstifter der besonderen Art finden würde. Die Bundesregierung ist dringend aufgefordert, ihre eigene Beurteilung der Lage in Europa deutlich zu machen. Zwar ist die deutsche Politik seit der »Merkel-Migration« eine Katastrophe.
Damit aber die Katastrophe uns nicht letztlich das Leben und die staatliche Existenz kostet, muss sich die Bundesregierung zu einer eigenen Beurteilung aufschwingen, bevor der in den Worten des polnischen Außenmisters zum Ausdruck kommende »Warschauer Amok« diejenigen zum Losschlagen in Washington ermuntert, die ohnehin nur darauf warten.
Zur Beurteilung der russischen Politik mag man in Warschau die Ereignisse in der Ukraine nach dem Putsch gegen eine legitime Regierung und dem beabsichtigten Schlag gegen die Rechte der russischsprachigen Bürger heranziehen.
Man sollte es in Übereinstimmung mit den jahrzehntelangen Fakten machen. Wer hat Milliarden nach eigenem Bekunden in den Putsch in Kiew gesteckt? Wer hat die dafür nötigen Spezialkräfte unter anderem in Polen ausbilden und trainieren lassen? Wer hat nichts dagegen, dass Hitler-freundliche Kräfte wieder an den russischen Staatsgrenzen auftauchen? Warum war in der Ukraine israelisches Personal involviert? Fragen über Fragen, auf die wir alle gerne eine Antwort hätten.
Es waren die Holländer, die bei einem innerstaatlichen Referendum das Aufbäumen der Europäer im Westen Europas gegen die verhängnisvolle und US-basierte Politik deutlich gemacht haben. In Polen hätte man jeden Anlass, die Karten auf den Tisch zu legen. Es waren die Solidarność und der aus Polen stammende Papst, die das Ende des Kalten Krieges bewirkt haben. Ein Bedarf an Feindschaft und Krieg besteht in Europa nicht, auch wenn in Polen kräftig daran gezündelt wird. Es kann nicht sein, dass sich die deutsche Hoffnung auf Polen nur noch bei Bayern München und Lewandowski manifestiert. Aber wenigstens das, wenn die Regierung durchdreht.
Quelle: KOPP