Folgen von TTIP für Europa und Russland: „Nicht bloß eine Handels-Nato“

 

Mit dem Transatlantischen Freihandelsabkommen, für das Barack Obama in Hannover wirbt, wollen die USA Europa fester an sich binden. Generell bringt das Abkommen vor allem Großkonzernen Profite, so eine Prognose aus Russland. In Deutschland demonstrierten Zehntausende gegen TTIP.

 

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Foto: REUTERS/ Kai Pfaffenbach

 

 

Die russische Onlinezeitung vz.ru kommentierte im Hinblick auf die Pläne für die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): „Die Gründung eines neuen nationsübergreifenden Wirtschaftsriesen, der die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsproduktes ausmachen soll, wäre ein grundsätzlich wichtiger Schritt auf dem Weg der Globalisierung. Das wird nicht bloß eine ‚Handels- und Wirtschafts-Nato‘ sein. Es wird ein gemeinsamer Markt der westlichen Länder entstehen – und die Spielregeln auf diesem Markt werden Handel und Wirtschaft weltweit maßgeblich beeinflussen.“

 

„Das TTIP-Abkommen wird nicht nur die beiden Ufer des Atlantiks durch einheitliche Regeln miteinander verbinden, sondern auch internationale Konzerne und Institutionen höher einstufen als Nationalstaaten. Neben den bisherigen Einschränkungen der Souveränität der westlichen Länder wie die Nato und die EU soll also ein ‚Rechtsschutz‘ des globalen Business juristisch verankert werden“, so der Kommentar.

 

Die russische Onlinezeitung schreibt weiter: „Generell wäre das TTIP-Abkommen auch für die USA günstig, denn sie werden über den europäischen Markt verfügen und Europa dadurch fester an sich binden können. Die Europäer werden mit einem freien Zugang zum US-Markt hereingelockt – doch das bleibt nur auf Papier, denn in Wirklichkeit weigern sich die Vereinigten Staaten beispielsweise, die europäischen Firmen an die US-Staatsaufträge heranzulassen. Die gegenseitige Annäherung der europäischen und der US-Standards wird unterdessen auf eine Senkung der hohen europäischen Standards hinauslaufen sowie dem Verbraucherschutz und dem Arbeitsmarkt schaden.“

 

Barack Obama schloss am Montag in Hannover nicht aus, dass das TTIP-Abkommen bereits im laufenden Jahr gebilligt werden könnte. Laut Obama werden die bestehenden Differenzen zwischen Amerika und Europa auf diesem Gebiet allmählich überwunden.

 

Im Vorfeld von Obamas Ankunft hatten sich rund 25.000 Menschen in der Innenstadt von Hannover versammelt, um gegen das Freihandelsabkommen TTIP zu protestieren. Mehr als 130 Umwelt- und Verbraucherschutz-Organisationen, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und kirchliche Organisationen unterstützten die Aktion. Der Sender NDR zitierte die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Simone Peter, mit den Worten: „TTIP muss neu verhandelt und transparent aufgestellt werden“.

 

Auch für Russland befürchten manche Analysten unterdessen negative Folgen durch das TTIP-Abkommen. Dmitri Suslow, Auslandsexperte der in Moskau ansässigen Higher School of Economics, sagte am Montag im Radiosender Kommersant FM: „Die Gründung von TTIP zusammen mit der Transpazifischen Partnerschaft TPP rüttelt an jener allgemein gültigen WTO-Handelsregelung, bei der Russland erst seit 2012 mitmacht: Es entstehen also neue regionale Handelsregelungen ohne Russland. Außerdem durchkreuzt TTIP die Aussichten auf einen gemeinsamen Wirtschaftsraum Russlands und der Europäischen Union. Die EU wird an die USA wirtschaftlich gebunden. Dies wird durch eine militärpolitische Konsolidierung ergänzt, die sich derzeit vollzieht.“

 

Russlands stellvertretender Wirtschaftsminister Alexej Lichatschow reagierte allerdings gelassen auf die TTIP-Gespräche. Er sagte der Agentur RIA Novosti: „Wir betrachten das nicht als Versuch, Russland zu isolieren. Die beiden großen Wirtschaften, die EU und die USA, sprechen begründet von der Einrichtung eines solchen Partnerschaftsabkommens. Wir sehen da keine direkte Bedrohung, verfolgen aber nach wie vor aufmerksam und sorgfältig die Verhandlungen.“

 

 

Quelle: Sputniknews