Die Russophobie im Baltikum erweist sich nach Einschätzung Rostislaw Ischtschenkos vor allem als Businessmodell. Immerhin bringen US-Soldaten viel Geld ins Land.

Der Außenminister Russlands, Sergei Lawrow, hat vor kurzem im Interview mit der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter Litauen das russophobste Land der NATO genannt. Und wir werden uns erinnern, dass sich nach dem Bestand der Länder die NATO etwas von der EU unterscheidet.
Zum Beispiel gehört auch die Türkei zur NATO, die das russische Flugzeug am Himmel Syriens zum Absturz gebracht hat, die die ukrainischen Radikalen (einschließlich der Krimtataren) unterstützt, die auch die Absicht erklärt hat, die Krim zu erobern und auf der Halbinsel eine ethnische Reinigung durchzuführen.
In der Sichtweise des Außenministeriums Russlands hat es sich ergeben, dass sich Litauen als noch russophober als die Türkei erwiesen hat. Und dabei standen noch vor ein Paar Monaten Moskau und Ankara am Rande eines Krieges.
Ich schrieb schon im vorigen Jahr, dass die Politik der baltischen Staaten, die auf die Schaffung von politischen Spannungsherden und militärischer Gefahr an den russischen Grenzen gerichtet ist, in erster Linie die Sicherheit dieser Staaten selbst gefährdet. Und dann haben die baltischen «Patrioten» (und, was charakteristisch ist, ein Teil ihrer russischen Kollegen) mich der Anstiftung Russlands zur präventiven Aggression gegen die kleinen harmlosen Baltenstaaten beschuldigt. In Wirklichkeit habe ich eine seit langem bekannte politische Maxime ausgesprochen: Wenn ein provokatorisches Land versucht, Sie in einen militärischen Konflikt hineinzuziehen, dann können früher oder später die Ereignisse außer Kontrolle geraten.
Auch ist es für niemanden ein Geheimnis, dass jeder beliebige Generalstab eines jeden beliebigen Staates verpflichtet ist, Varianten der Vernichtung der Gruppierung der Truppen des wahrscheinlichen Gegners, die unweit der Grenze konzentriert sind, durchzuarbeiten und vorzuhalten. Und die Balten insgesamt – und Litauen im besonderen – kämpfen für die Bildung großer Gruppierungen von NATO-Truppen (vorzugsweise amerikanischer) auf ihrem Territorium, die auf die direkteste Weise gegen Russland gerichtet sind. Zum Anlass dient die offenbare Unfähigkeit der baltischen Armeen, die Territorien ihrer Länder im Falle eines Konfliktes mit Russland zu schützen.
Das Problem besteht jedoch dabei darin, dass die Chancen, einen Konflikt mit Russland entstehen zu lassen, umso geringer sind, je schwächer die NATO-Gruppierung im Land ist. Die Balten zeigen ihre «berühmte» Tapferkeit nur dann, wenn sie sich bei Notwendigkeit hinter dem amerikanischen Rücken verstecken können. Und wenn es vor Ort keine Truppen der USA gibt – werden die baltischen Republiken den Ton drastisch mäßigen, weil sie sich fürchten, sonst Russland zu ärgern.
Seinerseits war Russland bereits infolge der unfreundlichen Politik der Balten gezwungen, ersatzweise große Kapazitäten (einschließlich für die Häfen) auf dem eigenen Territorium aufzubauen. 70-80 Prozent des Transits sind schon aus den baltischen Häfen auf die grüne Wiese (bei Ust-Luga) weggegangen. Noch ein paar Jahre – und es wird eben alles weggehen.
Und wenn man die Baltischen Länder besetzen würde, dann müßte man den Güterstrom nach Riga zurücklenken, dadurch Ust-Luga auf Hungerration setzen, die Betriebe RAF (Rigaer Autobusfabrik) und WEF (Rigaer elektrotechnische Fabrik) usw. instandsetzen. Erstens warum wieder instandsetzen? Zweitens, und was soll mit den Unternehmen geschehen, die sie schon selbst wieder aufgebaut haben? So dass die Balten von «der russischen Aggression» nur träumen können. Einst (noch im Bestande der UdSSR) scherzten sie, dass sie Schweden den Krieg erklären werden und sich dann da gefangen geben. Jetzt bleibt die Idee, sich in russische Gefangenschaft zu ergeben, die wohl einzige Chance auf die Rettung vor der Wirtschafts- und anderen nationalen Katastrophen.
Im übrigen, in Litauen, Lettland und Estland meint man, dass es noch eine andere Chance gibt: Man muss unter dem Deckmantel der russischen Gefahr auf dem Territorium noch viel mehr NATO-Truppen aufstellen, weil dann die NATO auch für die Balten zahlt. Die Miete des Territoriums für die Basis – das bringt Geld. Die Kompensation des ökologischen Schadens – das bringt auch Geld. Die Nutzung der Übungsplätze und der übrigen Infrastruktur – das bringt Geld. Das alles tut den löchrigen baltischen Budgets gut. Und dann werden auch noch Arbeitsplätze auf den Basen entstehen: jemand muss den Verteidigern den Fußböden wischen, die Socken waschen und das Essen vorbereiten. Das Plus ist die Unterhaltungsinfrastruktur (von den Souvenirs bis zu den Puffs) rund um die Truppenteile. Und natürlich die Erholung an der Meeresküste.
Alles in allem haben die Balten für sich 5 bis zu 7 Brigaden angefordert und jubelten vor Glück, wenn sie sich vorstellten, was für ein Goldregen auf sie niedergehen wird. Aber es kam anders. Die USA haben sofort mitgeteilt, dass ihre Stäbe berechnet haben, dass, selbst wenn in den Baltischen Ländern rund ein Viertel der europäischen Gruppierung der NATO-Landstreitkräfte stationiert werden sollten (die Variante entspricht einem Drittel aller entfalteten Brigaden der ersten Linie der Armee der USA), wird es doch nicht gelingen, die Region im frontalen Zusammenstoß mit Russland zu bewahren (das ist den Besonderheiten seiner Geographie geschuldet). Deshalb ist es sinnlos, über drei, fünf oder sieben Brigaden zu reden.
Die NATO hat maximal versprochen, in den Baltischen Ländern eine Brigade – auf dem Prinzip der Rotation – aufzustellen. Das heißt, es befinden sich ein Paar Bataillone in der Region und die zwei übrigen Drittel der Brigade irgendwo an den Stellen der ständigen Dislozierung in Europa. Periodisch verändern diese Bataillone ihre Aufenthaltsorte.
Und außerdem, während die Balten wollen, dass sie von den USA beschützt werden (weil sie nicht nur stärker, sondern auch reicher sind), so träumen die USA davon, diese Ehrenpflicht auf die Deutschen umzulegen, die sich für so was nicht zu schade sind, und auch noch für sich selbst bezahlen werden.
Natürlich, auf ein solches Herangehen warteten die Balten nicht. Aber sie haben den grausamen Kampf miteinander um das Recht entfaltet, bei sich die Infrastruktur des rotierenden NATO-Kontingentes aufzustellen. Die Bataillone kommen und gehen, aber die Stäbe und die Küchen bleiben. Ihre Mitarbeiter müssen irgendwo leben und ihnen dafür das Geld geben. Aber die Basis ist nur eine Truppe und nicht drei, fünf oder sieben, wie sie erträumen. Für alle wird es nicht reichen. Jemand wird dabei unglücklich bleiben.
Die Esten betonen im Kampf um die Basis, dass sie die ersten an der vordersten Front sein werden. Die Letten richten die Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit ihrer geographischen Lage – Lettland teilt das Baltikum in zwei Teile. Die Litauer machen darauf aufmerksam, dass sie der Korridor nach Kaliningrad sind. Und alle werden im Steinzeitrussenhass weitermachen. Der Russenhass ist das Hauptargument im Kampf um die Basis und das damit verbundene Geld.
Einst versprach in einem sowjetischen Multfilm das Mädchen dem «den größten und süßesten Bonbon», der sie am meisten loben wird. Heutzutage hoffen sie in den Baltischen Ländern, «den Bonbon» in Form der Basis zu bekommen, wenn sie Russland am lautesten beschimpfen. Nach der Erklärung Lawrows, gelang es den Litauern, die Konkurrenten in diesem Wettbewerb um das Recht zu überholen, der Schändlichste zu sein. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Die Esten und die Letten werden sich so einfach nicht ergeben. Die Unterbringung der NATO-Truppen auf ihrem Territorium – ist die letzte Chance, wenigstens noch an Kleinkredite zu kommen. Dafür werden sie sich bis zum Tode prügeln.
Für sie ist es einfach ein Business. Und das ihr Territorium und ihre Bevölkerung eine mögliche Zielscheibe des Antwortschlages werden könnte verbuchen sie unter Produktionskosten. Und dennoch haben während der Unabhängigkeit und der Mitgliedschaft in der EU die Baltischen Länder nicht weniger als ein Drittel von der zum Zeitpunkt des Zerfalles der UdSSR existierenden Bevölkerungszahl verloren. Die lokalen Eliten beeilen sich, die Reste noch im voraus zu verkaufen, so lange man mit ihnen überhaupt noch etwas verdienen kann.
Übersetzung: Thomas Roth