Moldawien wechselt die Ausrichtung. Von Artem Buzila

 

Die erste Runde der Präsidentenwahl in Moldawien hatte zwar wie vorhersehbar keinen absoluten Gewinner, aber die Ergebnisse waren doch ziemlich überraschend: der Führer der pro-Russischen Partei der Sozialisten, Igor Dodon besetzte souverän den ersten Platz und verfehlte nur sehr wenig den Schwellenwert zum sofortigen Wahlsieg von 50%.

 

In der zweiten Runde wird ihm jetzt in der Stichwahl die Ex-Erziehungsministerin Maia Sandu, die Kandidatin mit völlig gegensätzlichen Ansichten gegenüberstehen. Für sie wird es schwierig: Sie hatte reichlich 10% weniger Wählerstimmen als der Spitzenreiter.

 

Noch vor kurzem hatten Meinungsumfragen keine so guten Aussichten des Sozialisten vorhergesagt. Eine knappe Führung von Igor Dodon in der ersten Runde wurde schon vorhergesagt, aber der Unterschied zwischen den Kandidaten sollte auf ein Minimum reduziert sein, um bereits in der zweiten Runde den Triumph von Frau Sandu zu gewährleisten.

 

Nach der «Revolution» von 2009 erhielt bei allen Parlamentswahlen die pro-russische politische Kraft die meisten Stimmen (zuerst waren es die Kommunisten, dann die Kommunisten im Verbund mit zuvor abgetrennten Sozialisten), aber die pro-rumänischen Kräfte konnten miteinander verhandeln und schließlich Koalitionen bilden.

 

Zum ersten Mal in den letzten 20 Jahren hat sich die Lage etwas verändert: in den Reihen von «Unirea» (Anm. Red.: eine Initiative zur Vereinigung Moldawiens mit Rumänien) entstand eine Spaltung im Zusammenhang mit den großen Protesten des Jahres 2015.

 

Ein Teil des herrschenden Establishments unterstützte die Forderungen des Volkes, kritisierte die Regierung wegen Korruption, des Zusammenbruchs der Wirtschaft und der Oligarchenwerdung zugunsten des einflussreichen Geschäftsmannes Vlad Plakhotnyuk.

 

Beide Führenden bei der Präsidentenwahl, Herr Dodon und Frau Sandu sind Kandidaten der Opposition. Doch alles änderte sich eine Woche vor den Wahlen. Der Schützling von Oligarch Vlad Plakhotnyuk, der ehemalige Sprecher des Parlaments, Marian Lupu zog seine Kandidatur zurück und unterstützte öffentlich Frau Sandu.

 

Aber, wie die Ergebnisse zeigen, erbrachte dieser taktische Schachzug einen gegenteiligen Effekt: das hat von Frau Sandu diejenigen entfernt, die an den letztjährigen Protesten teilgenommen und sie unterstützt hatten.

 

10 Prozentpunkten sind ein sehr großer Unterschied und, wie die Erfahrungen weltweit zeigen, nur selten überwindbar. Vor allem für den bedingungslosen Sieg genügt Herrn Dodon, sein Ergebnis nur um wenige Prozent zu erhöhen. Was kein Problem sein sollte, angesichts der üblichen Mobilisierung der Wählerschaft für die zweite Runde.

 

Aber auch wenn wir nur Wahl-Arithmetik nutzend nachrechnen, dann war der nächste nach den beiden führenden Kandidaten, der Journalist Dmitrij Tschubaschenko, der 6% der Stimmen bekam, ideologisch eher näher an Herrn Dodon, als an Frau Sandu.

 

Die potenziellen Verbündeten von Maia Sandu – Jurij Ljanke und Mihai Ghimpu – konnten zu zweit lediglich 5% holen. Daher wird Frau Sandu in der zweiten Runde voraussichtlich ihr Wahlergebnis nicht ausbauen können.

 

Die Machtübernahme durch Igor Dodon könnte die außenpolitische Ausrichtung des Landes drastisch verändern.

 

Doch es gab in der zeitgenössischen moldauischen Geschichte bereits das Beispiel mit dem kommunistischen Präsidenten Vladimir Voronin, der noch mit dem Versprechen an die Macht kam, das Land in eine Union mit Russland und Weißrussland zu führen. Jedoch beendete er seine Kariere als gemäßigter Eurointegrator.

 

Aber Igor Dodon ist nicht Vladimir Voronin, ja und die Stimmung in der moldauischen Gesellschaft ist eher mit dem Osten, nicht mit dem Westen verbandelt zu sein.

 

Es gibt ein weiteres Problem, die Grenzen der Macht des Präsidenten. Moldawien ist eine parlamentarische Republik, wo der Präsident fast nichts allein entscheidet.

 

Aber die Besonderheiten der politischen Kultur des postsowjetischen Raumes machen a priori den vom Volk gewählten Präsident zur bestimmenden Figur in der Innenpolitik. Also, Herr Dodon hat nun die Möglichkeit, seine Wahlversprechen zu erfüllen, wenn er es wollte.

 

Für Russland wäre die Erfüllung dieser seiner Versprechen sehr nützlich:

 

  • — Volksabstimmung über die Kündigung der Assoziierung mit der Europäischen Union;
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  • — die Integration in die Eurasische Union;
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  • — die Anerkennung der Krim als Teil Russlands;
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  • — die Neuformatierung der Republik Moldau in einen föderativen Staat, wo Gagusia und Transnistrien gleich Chisinau zu den autonomen Subjekten gezählt werden;
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  • — der Schutz der russischen Sprache, der Kultur, der Orthodoxie;
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  • — Strafverfolgung für pro-rumänische und anti-staatliche Aktivitäten.

 

Damit ging Herr Dodon in diesen Wahlkampf und damit zog er die Mehrheit der Wähler zu sich.

 

Im Falle der Umsetzung dieser Programm-Punkte kann die aktuelle Kampagne – das ist kein Scherz – ein revolutionäres Ereignis für die europäische Geopolitik werden.

 

Erstens, Russland erwächst ein ihm freundlich gesinnter Staat direkt an den Grenzen mit der EU.

 

Zweitens, die Position der Regierung der Ukraine wird deutlich schwächer, die sich dann an der Grenze nicht nur des widerständigen Transnistrien, sondern auch des widerständigen Moldawiens befinden wird.

 

Drittens, diese Wahlen werden Brüssel und Washington vorführen, wie durch die wirklich demokratischen Mechanismen in dem postsowjetischen Land Euroskeptiker an die Macht kommen können.

 

Kann man den Wahlversprechen dieser moldauischen Politiker trauen?

 

Es ist einfach zufällig passiert, dass ich Igor Dodon persönlich kennenlernte. Im Jahr 2013, im Herbst, machte ich eine Reihe von Interviews mit Politikern über die Assoziationsabkommen mit der europäischen Union, weil sowohl Moldawien als auch die Ukraine sich darauf vorbereiteten, diese zu unterzeichnen. Mit vielen von ihnen habe ich eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut. Einige sind schon wieder weg von der politischen Bühne, andere hingegen nahmen darauf sogar einen zentralen Platz ein.

 

Igor Dodon leitete die damals wenig bekannte Partei der Sozialisten, er hatte nur ein paar Abgeordnete im Parlament und auch ein paar im Chisinau-Stadtrat. Bereits ein Jahr später, gewannen jedoch die Sozialisten die Parlamentswahlen und stellten die größte Fraktion.

 

An was ich mich besonders vom Gespräch mit Igor Dodon erinnere: Er verstand die Notwendigkeit der Konstruktion einer Ideologie tragenden Partei, und keiner Partei, die nur das Wort «Sozial» im Namen trägt. In der Tat war für Herrn Dodon klar: Die Moldawier werden für die Idee der Annäherung an Russland stimmen. Der Rest ist sein Verdienst als standfester Politiker.

 

Jetzt ist Igor Dodon mit dieser seiner selbst gestellten Aufgabe fertig geworden und wirkliche Zweifel, ob er am 13. November den Sieg erringen wird, habe ich fast keine. Vielleicht sehen wir uns bald wieder.

 

Immerhin, wer, wenn nicht Igor Dodon, kann das Verbot der Einreise in die Republik Moldau für den Autor dieser Zeilen abschaffen? Die dortigen Geheimdienste hatten kurz vor meiner Verhaftung durch ihre ukrainischen Kollegen das auch als für Moldawien geltend erklärt.

 

Von Artem Buzila, Quelle: www.vz.ru, Übersetzung: fit4Russland