Der türkische Truppenaufmarsch an der Grenze zum Irak, die großtürkischen Gebietsansprüche und die wachsenden politischen Spannungen zwischen Ankara und Bagdad lassen Befürchtungen auf eine Invasion der Türkei in das Nachbarland aufkommen.
Im Nahen Osten braut sich angesichts der aggressiven Haltung der türkischen Regierung, die nach dem Putschversuch auf Präsident Erdogan und der daraufhin erfolgten Welle der Empörung gegen die Putschisten in einem Adrenalinrausch agieren zu scheint, eine neue Welle der Gewalt zusammen. Die zuvor ohnehin schon latent vorhandenen neoosmanischen bzw. großtürkischen Ambitionen werden nun sowohl von der Politik als auch von den regierungstreuen Medien offen propagiert. Geht es nach Präsident Erdogan und seinen Anhängern, soll der Vertrag von Lausanne, der die Grenzen der Türkei nach dem Ersten Weltkrieg festlegte, revidiert werden.
Klar, Staatsgrenzen sind nicht unveränderbar und so manche Neuziehung mag – gerade dann, wenn diese künstlich durch traditionelle Siedlungsgebiete von Völkern und Stämmen gezogen wurden – durchaus sinnvoll sein, doch glaubt Erdogan wirklich, dass sich die Irakis einen Teil ihres Territoriums einfach so und ohne militärischen Widerstand nehmen lassen? Aber auch die Kurden im Nordirak, die dort eine umfangreiche Autonomie genießen und sogar die Möglichkeit sehen, einen unabhängigen Staat zu bilden, würden – trotz der recht guten Beziehungen zu Ankara – als Teil der Türkei all diese Errungenschaften verlieren.
Doch wenn die Türkei tatsächlich auf breiter Front in den Nord-Irak (und nach Nord-Syrien) militärisch vorstößt um dort die historischen Gebietsansprüche geltend zu machen, dann wird dies nicht nur den Zorn der irakischen (und syrischen) Regierung nach sich ziehen, sondern auch einen Krieg mit dem Iran herausfordern, zumal sich Teheran als Verbündeter des Iraks (und Syriens) versteht. Aber auch die anderen Nachbarländer, wie Griechenland, Bulgarien, Armenien und dergleichen, auf deren heutiges Staatsgebiet Ankara ebenso partielle Ansprüche erhebt, wären damit auf höchster Stufe alarmiert.
Rein militärstrategisch wäre ein Sturm auf Mossul der perfekte Ausgangspunkt zur Erreichung der Kontrolle über den Nordirak. Von dort aus ginge es dann über Tel Afar weiter nach Westen in das Gebiet der Jesiden, wo Ankara ein weiteres PKK-Nest vermutet und von da aus ist es dann nur noch ein «Katzensprung» zum kurdischen Gebiet in Nordsyrien, welches ja auch schon von der Türkei aus militärisch «bearbeitet» wird. Doch hierbei stellt sich die Frage, wie Moskau und Washington darauf reagieren werden.
Von Marco Maier, Contra Magazin