Der italienische Premier Matteo Renzi hat seinen Rücktritt erklärt und damit sein Versprechen bei einem Scheitern des Referendums zu der von ihm angedachten Verfassungsreform gehalten. Während sich seine Kritiker freuen, zittert die EU vor Angst vor einer neuen Krise, wie die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Dienstag schreibt.
Quelle: Sputnik
Beim Referendum am Sonntag stimmten 59 Prozent der Italiener gegen die Verfassungsreform (die Wahlbeteiligung lag bei 68,7 Prozent). Bereits am Montag legte Renzi dem Präsidenten Sergio Mattarella sein Rücktrittsgesuch vor. Theoretisch könnte Renzi an der Macht bleiben, sollte der Präsident ihn darum bitten.
Renzi aber sagte auf einer Pressekonferenz kurz nach der Bekanntgabe der Ergebnisse des Referendums: „Damit endet die Erfahrung meiner Regierung.“ „Renzi knüpfte das Schicksal seiner Regierung an den Ausgang des Referendums. Meines Erachtens geht seine Regierungszeit zu Ende“, sagte Tommaso Alberini vom Instituto Bruno Leoni. „Als Renzi an die Macht kam, versprach er, die Verfassung zu reformieren und die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Im Ergebnis erreichte er keinen
Einige Experten gehen davon aus, dass der Premier an der Spitze der Demokratischen Partei bleiben und auch noch an den nächsten Wahlen teilnehmen könnte. „Am Dienstag findet eine Parteisitzung statt, bei der unter anderem auch das Schicksal Renzis bestimmt wird“, sagte Raffaele Marchetti von der Universität LUISS Guido Carli in Rom, Experte des Internationalen Diskussionsklubs Valdai. „Das Scheitern beim Referendum ist natürlich ein großer Schlag für die Karriere des Premiers. Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass er die Regierung in der Zukunft leiten kann.“
Viele Experten fürchteten vor dem Referendum die Folgen eines Scheiterns Renzis für die Stabilität der Finanzmärkte. Medienangaben zufolge kann dies dazu führen, dass die Anleger ihr Geld aus italienischen Banken abziehen. Wie „The Financial Times“ berichtete, sind Investoren angesichts der Besorgnisse wegen der politischen Instabilität bereit, auf Rekapitalisierung der Problembanken zu verzichten, darunter auch der Monte dei Paschi di Siena (MPS), der drittgrößten italienischen Bank nach dem Umfang der Aktiva.
Experten sprechen von einer niedrigen Wahrscheinlichkeit einer abermaligen Krise der Eurozone wie zu deren Höhepunkt 2011. „Die Ängste wegen der Bedrohung für den gesamten Bankensektor der EU sind übertrieben. Die EU-Banken verfügen heute über ein viel größeres Kapital und haben eine viel festere Grundlage als während der ersten Krise der Eurozone“, sagt jedoch die Expertin Silvia Merler vom Think Tank Bruegel. Zugleich sei nicht ausgeschlossen, dass einzelne Banken, darunter auch die MPS, ernsthafte Schwierigkeiten bekommen könnten.
Die Konturen der politischen Zukunft in Rom bleiben ebenfalls uneindeutig. Als Favoriten für den Posten des Premiers gelten der Kulturminister Dario Franceschini, der Senatsvorsitzende Pietro Grasso und der Wirtschafts- und Finanzminister Pier Carlo Padoan. „Zum Nachfolger Renzis wird anscheinend ein anerkannter überparteilicher Politiker. Eine solche Figur ist Padoan, der als Technokrat gilt“, sagte Alberini.
Sofortige Neuwahlen seien dabei kaum wahrscheinlich. Zugleich wird das Scheitern des Anführers der Demokraten beim Referendum die Positionen Kritiker stärken, darunter auch der Fünf-Sterne-Bewegung, die vom Komiker Beppe Grillo geführt wird. „Die Fünf-Sterne-Bewegung ist heute die populärste politische Kraft unter Renzis Gegnern. Ihre populistische Botschaft gefiel den Italienern, die Veränderungen wollen“, so Alberini.
Das Scheitern Renzis, einer der wenigen proeuropäischen Politiker in Italien, bereitet der EU noch mehr Probleme: „Die Welle des Populismus überschwemmt Europa. Allein die Ereignisse in Italien werden natürlich nicht zum Kollaps der EU führen, sie allerdings erneut erschüttern. Großbritannien verließ die Union, Frankreich wird anscheinend nach den Wahlen nach rechts rücken, ganz Osteuropa unterstützt die negative Rhetorik gegen die EU“, sagte Alberini. „De facto hält nur Deutschland Europa vom Zerfall ab. Ich bin mir nicht sicher, ob Deutschland das schaffen wird“.