Interview mit dem ehemaligen Botschafter der UdSSR in der BRD, Valentin Falin: „Die Viererbande“ und Gorbatschow

 

«Michail Gorbatschow war für unsere Heimat eine Art Borkenkäfer», meint der ehemalige Sekretär des ZK der KPdSU, Valentin Falin.

 

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Am 3. April 2016 feierte Valentin Falin 90 Jahre erfüllten Lebens. Er kennt fast alle Geheimnisse der internationalen Politik und der Innenpolitik der UdSSR. Er war sieben Jahre als Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter der UdSSR in der Bundesrepublik Deutschland (1971 bis 1978) tätig. Dann vier Jahre der Erste Stellvertretende Leiter der Abteilung für Internationale Information des ZK der KPdSU. Im Jahr 1982 kam seine vorübergehende Absetzung, er arbeitete als politischer Beobachter für «Novosti» und leitete die Nachrichtenagentur APN. Mitten in der «Perestrojka» arbeitete er wieder als Leiter der internationalen Abteilung des ZK der KPdSU und Sekretär des ZK der KPdSU (1989-1991).

 

 

 

Valentin Michajlowitsch, es ist bereits ein Vierteljahrhundert seit dem Zerfall der UdSSR vergangen. Die öffentliche Meinung gipfelt in der Behauptung: «An allem ist Gorbatschow schuld». Aber ist es auch so? Ist der letzte Generalsekretär des ZK der KPdSU und der erste und Letzte Präsident der UdSSR an allem schuldig? Oder könnte an der Stelle von Michail Gorbatschow auch eine andere Person gewesen sein, die die UdSSR zum gleichen Ergebnis, Zerfall geführt hätte?

 

Valentin Falin: Gorbatschow wurde infolge eines Deals der politischen Spitze in unserem Land an die Macht gebracht. Dieser Deal sollte jedem der Anwärter erlauben, weiterhin eine bedeutende Rolle in der Führung des Landes zu spielen. Warum wurde im Jahr 1964 Leonid Breschnew an die Macht gebracht? Weil Breschnew ein Mann war, nicht in der Lage, auf Konfrontation zu gehen. Im Jahr 1964 entstand so ein Triumvirat. Es bestand aus dem Generalsekretär des ZK der KPdSU, Leonid Breschnew, dem Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets, Nikolaj Podgornyj und dem Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR, Alexej Kossygin.

 

Alle drei hatten die gleiche Rechte. Ich war bei mehreren Fällen zugegen, als einer der genannten drei uneinig mit einigen wichtige politischen Entscheidungsvorschlägen der anderen war und dann wurde diese Frage auf eine gewisse Zeit zur Seite gelegt. Manchmal befand sich einer aus dem Triumvirat während der Diskussion über einige wichtige Entscheidungen nicht im Kreml oder in Moskau, und dann hing die Lösung der strategisch wichtigen Fragen für das Land auch auf unbestimmte Zeit in der Luft.

 

Diese unmögliche Situation hat dann dazu geführt, dass im Juni 1977 Nikolaj Podgornyj aus dem Triumvirat «rausgeworfen» wurde, er wurde von allen Posten entlassen und geriet als hochrangiger hochbezahlter Rentner in Vergessenheit.

 

Noch früher, im Jahr 1976, hatte Alexej Kossygin einen Herzinfarkt. Und um Breschnew drehten sich die ganze Zeit Schmeichler, die einen neuen Personenkult schafften. Aus so einer gutmütigen und ungekünstelten Person wie Breschnew wurde eine Ikone gemacht, geschmückt mit Orden in zehn Reihen.

 

Ich weiß, dass die erhöhte Aufmerksamkeit zu seiner Person Leonid Breschnew nicht gefiel. Als die Schmeichler begonnen haben den Kampf während der 2. Weltkrieges neben Noworossijsk (wo er selber mitkämpfte und darüber das Buch-Memoire «Malaya Zemlja» schrieb) zu einem zweiten Stalingrad hochzustilisieren, war Breschnew empört. Er sagte mir, dass er nicht will, dass die Leute denken, dass auf diesem kleinen Fleckchen Erde das Schicksal des Zweiten Weltkriegs entschieden worden sei. Er hatte Angst davor, dass aus ihm selbst das nächste sowjetische Idol gemacht werden würde. Also er hatte einen guten Riecher. Am Ende seines Lebens, als Breschnew ganz krank geworden war, stellte er zweimal die Bitte an das Politbüro, dass er seinen Posten verlassen darf. Und zweimal wurde ihm dieser Antrag abgelehnt. Breschnew war einfach ein Schirm, hinter dem man alles machen konnte, aber nicht unbedingt das, was wirklich notwendig für die UdSSR gewesen wäre.

 

Die Mitglieder des Zentralkomitees jedoch sprachen sich untereinander ab. In der UdSSR herrschte in Wirklichkeit nicht Leonid Breschnew, sondern unsere «Viererbande». Zu dieser «Bande» gehörten: der Vorsitzende des KGB, Jurij Andropow, der Verteidigungsminister der Sowjetunion, Dmitri Ustinow, der Chef-Ideologe der KPdSU Michail Suslow und der Minister für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR, Andrej Gromyko. Meine Kollegen hatten Recht, als sie diese Menschen die «Viererbande» nannten. Diese Vier verschleppten die ganze Stärke und Macht unseres Landes als wäre es ihr Eigentum. Damit hat im Grunde genommen der Verfall und die Agonie der Sowjetunion begonnen.

 

 

Sie arbeiteten damals selbst in der Abteilung von Andrej Gromyko. Warum glauben Sie, dass die Tätigkeit des damaligen Leiters des sowjetischen Außenministeriums nicht auf die wichtigen Grundbedürfnisse der UdSSR und des sozialistischen Blocks ausgerichtet war? So viel ich mich erinnern kann, erhielt doch Außenminister Gromyko genau wegen seiner Verteidigung der sozialistischen Interessen von den Amerikanern den Spitznamen «Mister Njet».

 

Valentin Falin: In den 1970er Jahren zwangen die Amerikaner die BRD-Führung auf deutschem Territorium Raketensysteme vom Typ «Pershing» zu stationieren, als ein Instrument des Erstschlages gegen die «sowjetische Bedrohung». Im diesem Falle der Aufstellung hätten die «Pershing» der Westdeutschen direkt auf die östlichen Verwandten in der DDR gezielt. Bundeskanzler Helmut Schmidt, der den Tod seiner Landsleute nicht wünschte hatte die Absicht, eine Katastrophe zu verhindern und bot der Sowjetunion die folgende Lösungsvariante dieses Problems an.

 

Damals in der sowjetischen Truppen, die in Osteuropa stationiert wurden, waren dort unsere Raketen «SS-4» und «SS-5» stationiert. Schmidt schlug vor: Moskau könne zwar diese Raketen gegen das neuere System der Klasse «Pionier» («SS-20») umtauschen, aber nur unter der Bedingung, dass sie keine größere Anzahl von Sprengköpfen als die früheren Raketen-Systeme hätten.

 

Helmut Schmidt wollte als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland auf diese Weise Druck auf Washington ausüben, und dann hätten die Amerikaner es nicht gewagt, die «Pershing» zu stationieren. Diese Option von Helmut Schmidt war durchaus gut durchdacht. Die Raketen-Manipulationen der USA in der BRD stellten eine echte Bedrohung für Europa dar und die Sowjetunion hätte diese Bedrohung verhindern müssen.

 

Ich berichtete Andrej Gromyko über die US-Pläne in der Bundesrepublik Deutschland und skizzierte das Angebot von Helmut Schmidt zu diesem Thema. Gromyko, nachdem ich mit meinen Darlegungen fertig war, sagte dann in etwa so etwas wie, «der alte Gauner Schmidt bietet also Moskau mit Hilfe Herrn Falins an, unsere alten Raketen gegen heiße Luft auszutauschen». «Erst wenn die Amerikaner diese «Pershings» in der BRD stationieren werden, dann können wir darüber reden!», beendete Gromyko das Gespräch. Ich antwortete: «Wenn sie stationiert werden, dann wird es zu spät sein». Gromyko: «Das Wort «zu spät» gibt es in der Politik nicht!»

 

Einen letzten Versuch, Moskau davon zu überzeugen, unternahm Helmut Schmidt, beim Flug von China nach Bonn bei der Durchreise durch Moskau. Er versuchte in direkten Kontakt mit dem Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR, Alexej Kossygin zu kommen, einem, der gegen den Plan des Bundeskanzlers die «Pioniere» nur mit gleicher Zahl von Sprengköpfen auszurüsten, nichts einzuwenden hatte. Aber statt Kossygin traf Helmut Schmidt den sturen Gromyko, und so flog er heim, ohne die sowjetische Führung überreden zu können. Denn der durch Herzinfarkt kranke Kosygin war zu jener Zeit schon wirklich distanziert von der Politik und lebte die letzten Jahre seines Lebens.

 

Infolgedessen haben die Amerikaner in der BRD ihre «Pershings» aufgestellt; das Gleichgewicht der Kräfte in Europa neigte sich in Richtung NATO, der strategisch günstigste Moment war unwiderruflich verpasst, und unser Land musste am nun beginnenden Wettrüsten teilnehmen, was dann alle unsere Devisenreserven «auffraß» und die Wirtschaft unseres Landes in eine Krise führte. Der Zusammenbruch der Sowjetunion war dann die Folge dieser sowjetischen Wirtschaftskrise.

 

Denn gleichzeitig mit Aufstellung der «Pershings» starteten die Amerikaner in der BRD 12 neue militärische Programme. Wir reagierten darauf mit Ausführen von unseren Gegen-Programmen. Im Jahr 1981 wurde für die europäischen NATO-Staaten ein neues Konzept beschlossen und für die US-Streitkräfte das Programm «Armee 2000». Die UdSSR begann unter der Rüstungslast gewissermaßen zu ersticken. Der Chef des Generalstabes des Verteidigungsministeriums der UdSSR, Nikolaj Ogarkow berichtete im Politbüro darüber, dass die sowjetische Armee nicht in der Lage sei, diesem Programm gegenüber angemessen zu antworten. Im Politbüro bekam er Antwort: Wenn Ogarkow so ein Kenner der westlichen militärischen Angelegenheiten ist, dann soll er das Kommando der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland übernehmen und in den Generalstab kommt jemand, der in der Lage ist, die Aufgabe der Partei und der Regierung zu erfüllen. Der Vorsitzende des GOSPLAN, Nikolai Bajbakow berichtete im Politbüro: Die Wirtschaft des Landes ist nicht in der Lage die militärische Konfrontation mit den Amerikanern zu bewältigen. Als Antwort hörte er: «Nikolaj Konstantinowitsch, Sie gehen in den Ruhestand. Auf Ihren Platz kommt jemand der das macht, was befohlen wird».

 

Bis zum Ende der Regierungszeit Breschnews wurden die Reserven, die für den Aufschwung der sowjetischen Wirtschaft und auf die Verbesserung der Sozialpolitik in der UdSSR bestimmt waren, um fast fünfzig Prozent reduziert. Die volkswirtschaftliche Krise begann, und entwickelte sich bis Mitte der 1980er Jahre zu einem solchen Ausmaß, dass unser Land am Rande des Abgrunds stand. Der Grund dafür war die Fehleinschätzung von Andrej Gromyko, dass es das Wort «zu spät» in der Politik nicht gäbe!

 

 

Wenn Sie es erlauben, gehen wir direkt zu Michail Gorbatschow über, zu seinem Team, der Perestrojka und nachfolgenden Ereignissen.

 

Valentin Falin: Das Hauptproblem Gorbatschows war sein Mangel an Persönlichkeit, an Führungsstärke. So kam es, dass gerade er zum Leiter des sowjetischen Staates gemacht wurde und das ausgerechnet in dieser schwierigen Zeit. Der falsche Mann zur falschen Zeit auf der falschen Position. In der Zeit, als in der UdSSR die Kluft zwischen Wort und Tat einen solchen Zustand erreicht hatte, dass die Partei und die Regierung nicht mehr die grundlegenden Anforderungen und Wünsche der sowjetischen Menschen ignorieren konnten.

 

Zur gleichen Zeit am anderen Ende der Welt setzte sich William Casey in den Sessel des CIA-Chefs. Mr. Casey schlug US-Präsident Reagan vor, auf dem Weltmarkt einen scharfen Rückgang der Preise für Energieträger zu inszenieren. Auf die Initiative von Reagan hin, haben Saudi-Arabien, Kuwait und Vereinigte Arabische Emirate ein Förderungs-Überangebot im Handel mit Öl auf den Weltmarkt lanciert und der Preis für ein Barrel Öl fiel von 25-26 US-Dollar auf 8 US-Dollar.

 

Und so war der Strom von Petrodollars, womit unser Land übrigens vor allem die Importe von Konsumgütern und noch viel mehr Medikamenten bezahlte, die wir im Ausland in den Ländern der sozialistischen Gemeinschaft kauften, zu Ende. Im RGW (Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) war beschlossen worden, dass im gegenseitigen Handel, alle Zahlungen in Valuta abgewickelt werden. Das war keine gute Lösung. Ich, als Leiter der internationalen Abteilung des ZK der KPdSU, hatte zu widersprechen versucht, zu sagen, dass man so nicht handeln könne. Widerspruch war auch an anderer Stelle vonnöten, beispielsweise sich im Rüstungswettlauf nicht zu übernehmen, zu überheben. Leider sind wir der amerikanischen Strategie aufgesessen, die uns totzurüsten aufgestellt war. Diese Herausforderung zum Wettlauf ehrgeizig anzunehmen bewirkte weniger eine Schwächung der USA als denn Schaden bei uns selbst angerichtet zu haben.

 

Nikolai Gorbatschow kam an die Macht ohne ein eigenes, persönliches, strategisches Programm. Seine These war das Prinzip Napoleons: Treten wir in den Kampf ein, und dort wird sichtbar werden, was zu tun ist. Ein reiner Taktiker ohne Strategie also. Nachdem Michail Gorbatschow sich in der Politik endgültig verlor, hat er verbissen versucht, seinen Ruf oder zumindest die Sichtbarkeit seines Renommees zu retten. Er war bereit, dafür zu zahlen, wie der Held von Shakespeare, der am Ende des Spiels das ganze Reich gegen ein Pferd zur Flucht tauschen will. Gorbatschow war für unsere Heimat wie ein Borkenkäfer. Er handelte, allerdings ungewollt, nach dem Prinzip von Clausewitz: Russland kann man nur von innen besiegen. Gorbatschow knabberte sozusagen an den Wurzeln und das Holz trocknete aus und starb. Gorbatschow halfen dabei solche Gestalten wie Eduard Schewardnadse, Alexander Jakowlew und andere Persönlichkeit in deren Umfeld.

 

 

Erzählen Sie über Alexander Jakowlew. Er war der «Vorreiter der Perestrojka», und unter Jelzin wurde er zum Chef-Ideologen der Russischen Demokratie.

 

Valentin Falin: Darüber, dass Herr Jakowlew in der Tasche der Amerikaner stecken würde, erfuhr ich schon im Jahr 1961. Ein Freund, der damals im KGB der UdSSR arbeitete berichtete mir davon. Fast 10 Jahre arbeitete Jakowlew als Botschafter der UdSSR in Kanada. Er war ein amerikanischer Spion im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Zu jener Zeit, als Gorbatschow Generalsekretär wurde, war Jakowlew in der UdSSR einer der wichtigsten Agenten amerikanischen Einflusses. Ich stelle der Wahrheit wegen fest, er war ein sehr begabter und kluger Mann, zwei Größenordnungen intelligenter und talentierter als Gorbatschow. Doch auch seine Herren aus Übersee waren keine Dummköpfe und hatten eine gute Vorstellung, was in der politischen Spitze der UdSSR passierte.

 

Während dem sammelte in Moskau der Vorsitzende des KGB, Wladimir Krjutschkow belastendes Material über Jakowlew. Er kam damit zu Jakowlew ins Büro. Auf alle Fragen antwortete Jakowlew mit Schweigen. Wladimir Krjutschkow ging dann mit dem Bericht zu Gorbatschow. Der große Michail Sergejewitsch, kaute bedeutungsvoll mit den Lippen und kam dann wahrscheinlich aufgrund seiner Weisheit zu einer grotesken Entscheidung: «Wer hat nicht in der Jugend gesündigt? Jakowlew ist nützlich für die Menschen der Perestroika, das Land braucht ihn also und wir müssen ihn in der großen Politik belassen.» Und er wurde belassen. Wie die freilaufende Ziege im Blumengarten.

 

Der Aufstieg von Jakowlew begann nicht auf politischer, sondern auf der Linie der Außenwirtschaft. Nachdem die Information über seine «Liebe» zu den Amerikanern die Ohren von Jurij Andropow erreichte, musste Jakowlew aus Ottawa nach Moskau zurückkehren mit der Anordnung «Beobachten und nicht in das ZK der KPdSU aufrücken lassen».

 

Im Jahr 1982 starb Nikolaj Inozemtsev, Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen (IMEMO). Es wurde beschlossen, Jakowlew in den Sessel des Verstorbenen Inozemtsev zu setzen. Soll er in IMEMO bleiben, sich mit wissenschaftlicher Arbeit beschäftigen, und wir werden ihn beobachten. Es war wichtig, den Fische nicht zu erschrecken, sonst wird er sich losreißen und dicht über dem Boden davonschwimmen. Im Jahr 1984 starb Jurij Andropow und Jakowlew interessierte niemanden mehr. Als Gorbatschow noch in der Mannschaft von Tschernenko war, machte Jakowlew auf ihn einen sehr starken Eindruck. Denn der Direktor des IMEMO war klug und charmant und konnte, wenn etwas passierte, viele nützliche Dinge sagen und mit neuen Ideen und Lösungen überzeugen. Gorbatschow selbst hatte keine besondere Intelligenz, aber er war sehr empfänglich für alles Neues, sogar zu stark.

 

Im Sommer des Jahres 1985, einige Monate nach dem Tod von Tschernenko und seinem Amtsantritt machte Michail Gorbatschow Alexander Jakowlew zum Sekretär des Zentralkomitees für Fragen der Ideologie. Also beförderte er den Agenten amerikanischen Einflusses ins Zentralkomitee und setzte ihn ausgerechnet in den Sessel eines Chefideologen des Landes.

 

Im Jahr 1989, auf dem Zweiten Kongress der Volksdeputierten der UdSSR, gab Jakowlew eine uns über alle Maßen einseitige, plump belastende Selbsteinschätzung über die angeblichen Schadensfolgen für Europa infolge des Molotow–Ribbentrop-Paktes. Dank dieses «Berichtes» bürdete die UdSSR sich unaufgefordert selbst politisch-moralische Schuld auf, begründete dadurch Schadensersatz, sie musste für alles Mögliche zahlen und vor der ganzen Welt allein die Tatsache ihrer Existenz reuig bedauern. Bald nach dieser «Beichte» begannen die Pogrome gegen Russen in den baltischen Republiken, in Moldawien und in der West-Ukraine. Nach einiger Zeit sind dann alle sowjetischen Transkaukasischen Republiken in die Atmosphäre des gegenseitigen Völkermordes eingetaucht. Dann kam diese Wende bis hin zum Nordkaukasus. Vielen Dank für all das, Alexander Nikolajewitsch Jakowlew. Heute ist zudem bekannt, dass er am Vorabend des Zerfalls der UdSSR aktiv in alle Sowjetrepubliken reiste und dort extremistische Stimmungen regelrecht provozierte. Am Vorabend des Falls der Berliner Mauer war er übrigens auch in der DDR und in der BRD. Ein charmanter, intelligenter Agent, durch Tolpatsch Gorbatschow großzügig persönlich ob seiner «Jugendsünden» amnestiert und protegiert. Eine dadurch an den UdSSR-Machthebeln schändlich agieren könnende Marionette amerikanischer Strategen, die den Clausewitz sehr intensiv studiert hatten: Russland kann man nur von innen besiegen!

 

 

Wie war die Situation in unserem Land, als die Frage auf die Vereinigung von Deutschland West und Ost kam, den Anschluss? Erhielt Gorbatschow 1990 den Friedens-Nobelpreis zu Recht?

 

Valentin Falin: In der UdSSR brach zuerst eine ökonomische und dann soziale Krise aus. Dem Land drohten Hunger und die damit verbundene riesige soziale Explosion. Aber die öffentliche Meinung war bereits unter Kontrolle, ich würde sogar sagen, in der Hand der westlichen Ideologie. Sie erinnern sich doch, wie in der Zeit der Perestroika bei uns die Lebensmittel-Läden leer waren, während in der Nähe von Moskau ganze Züge mit Fisch, Fleisch, Butter, Gemüse auf dem Abstellgleis standen. Aber sie wurden nicht entladen, und alles, was dort war, verfaulte einfach.

 

Die Arbeit hunderttausender sowjetischer Menschen verwandelte sich durch die Unfähigkeit der sowjetischen Führung in Abfall. Aber die Oberschicht diskutierte in diesem Moment eine andere, weit wichtigere Frage: Die Einrichtung des Amtes eines Präsidenten der UdSSR. Ich stellte dann Gorbatschow eine direkte Frage: Was ändert sich im Land nach der Einrichtung des Postens des Präsidenten? Werden dann Lebensmittel in die Geschäfte kommen? Ist es nicht besser, zuerst die Fragen der Nahrungsmittelversorgung, sozialer und Jugend-Politik und Fragen der nationalen Minderheiten auszudiskutieren? Gorbatschow antwortete: «Für alle diese Dinge werde ich die notwendigen Aufträge erteilen. Lebensmittel werden ganz sicher wieder zur Verfügung stehen».

 

Aber nichts hat sich geändert. Irgendwelche Verbesserungen mit der Lebensmittelversorgung gab es erst nach dem Zusammenbruch der Berliner Mauer. Dann fand ich heraus, dass das kein Zufall war. Am Vorabend der berühmten Verhandlungen in Arhyz über die Zukunft Deutschlands nahm Gorbatschow durch seinen Assistenten Tschernjajew Kontakt mit Helmut Kohl auf und fing an dem vorzujammern: «Ich habe nichts, um unsere Leute zu füttern, geben Sie mir drei bis vier Milliarden Deutsche Mark und im Gegenzug dafür erhalten Sie in den Verhandlungen in Arhyz alles, was Sie brauchen». In diesem Satz steckt der ganze Gorbatschow. Er nahm Kredite aus dem Westen und war bereit für sie nicht nur mit dem Integrität der Gemeinschaft der sozialistischen Länder, sondern auch mit der Existenz des eigenen Landes zu bezahlen.

 

Neben den Verhandlungen zwischen Gorbatschow und Kohl in Arhyz, traf sich der sowjetische Staatschef im Dezember 1989 mit dem französischen Präsidenten Mitterand in Kiew. Mitterrand schlug Gorbatschow vor, zusammen nach Berlin zu fliegen, um Honecker zu unterstützen. Die Reaktion Gorbatschows: «Wenn Sie fliegen wollen, dann fliegen Sie doch! Aber ich fliege nicht». Ich erinnere mich noch, wie Margret Thatcher Michail Gorbatschow anbot, sich nicht ausschließlich persönlich mit Deutschland zu beraten, sondern besser darüber eine Kommission entscheiden zu lassen, die aus England, Frankreich und der UdSSR bestehen sollte.

 

Frau Thatcher befürchtete, dass infolge des Anschlusses Deutschland Ost an Deutschland West, so wie es Herr Gorbatschow praktizierte, der westliche Teil des Landes den Osten einfach verschlucken und anstelle einer einheitlichen deutschen Nation der Konflikt «Ost-West» aufbrechen würde.

 

Gorbatschow reagierte in meiner Gegenwart auf den Vorschlag der Eisernen Lady etwa so: «Ich will nicht den Engländern und den Franzosen ihre schmutzige Wäsche waschen, sondern einzig helfen, die Vereinigung Deutschlands zu unterstützen». So hat Moskau die DDR, Honecker und alle Ostdeutschen einfach nur bedingungslos abgegeben.

 

Ich weiß genau, dass bei den Verhandlungen in Arhyz Helmut Kohl Herrn Gorbatschow fragte, ob Moskau irgendwie Erich Honecker und die gesamte sozialistische Führungs-Elite der DDR zu schützen wünschte. Kohl dachte offensichtlich, dass Moskau das beabsichtigte. Aber Gorbatschow antwortete: «Diese Fragen sind Ihre innere Angelegenheit und Sie wissen wohl besser, was Sie mit wem machen wollen».

 

Ebenso bin ich darüber in Kenntnis: Die M. Gorbatschow-Entscheidung betreffs «Übergabe» der DDR war nicht seine persönliche. Den Schritt, die DDR «abzugeben» schlug ihm nämlich bereits im Juni 1989 George Bush vor, als Michail Gorbatschow mit seiner Frau in Washington waren. Am Vorabend dieses historischen «Tipps» bearbeitete die First Lady der USA, Barbara Bush zuvor Raissa Gorbatschowa, sozusagen «für alle Fälle». Diese beiden Frauen arbeiteten in einem gut organisierten Tandem dann später auch am Zerfall der UdSSR.

 

Damit Gorbatschow den nächsten Verrat beging, war es wohl notwendig, dass die «liebe Barbara» und Raissa Gorbatschowa Druck auf den geradezu krankhaften Ehrgeiz Michail Gorbatschow machten und er sich, im Bewusstsein seiner eigenen historischen Bedeutung, wie eine Seifenblase aufblähen würde. In diesem aufgeblasenen, bedeutungsvollen Zustand erhielt er im Jahr 1990 seinen Friedensnobelpreis. Dies war sowohl der Lohn für den Verrat des ganzen sozialistischen Blocks, als auch ein Vorschuss für den bereits geplanten und vereinbarten Zerfall der UdSSR.

 

Ob Michail Gorbatschow den Friedensnobelpreis zu Recht erhalten hat? Wahrscheinlich ja. Mit dem gleichen Recht wie er erhielt doch einst auch Judas von Kaiphas seine 30 Silberlinge …

 

Quelle des Interviews: www.sovsekretno.ru

Übersetzung: fit4Russland