Der neue US-Präsident Donald Trump tritt heute offiziell sein Amt an. Obwohl er viel davon gesprochen hat, dass sich Washington aus den internationalen Geschäften zurückziehen müsse, um innere Probleme zu lösen, wird die Rolle der Supermacht auf der ganzen Welt weiterhin sehr wichtig bleiben, schreibt die „Nesawissimaja Gaseta“ am Freitag.
Für den postsowjetischen Raum werden die russisch-amerikanischen Beziehungen entscheidend sein. In einem Telefonat mit dem Präsidenten Kasachstans, Nursultan Nasarbajew, gab Trump zu, er wolle die Beziehungen mit Moskau verbessern und aus der aktuellen Krise führen. Das wäre aber nur dann möglich, wenn Washington auf Druck gegen Moskau verzichtet oder ihn wenigstens abbaut. Sollten die Amerikaner an ihrer bisherige Russland-Politik festhalten, würde das nur die gegenteilige Wirkung provozieren. Das ruft aber große Besorgnisse bei den meisten ehemaligen Sowjetrepubliken hervor, die kein Erstarken Russlands auf ihrem Territorium wollen.
In den zentralasiatischen Ländern ist man über den von den USA angekündigten Rückzug aus Afghanistan beunruhigt. Das würde unvermeidlich die regionale Stabilität beeinträchtigen. Die Fähigkeit Tadschikistans, Usbekistans und Kirgistans, die Situation aus eigener Kraft in den Griff zu bekommen, ist fraglich. Deshalb müssten sie Moskau um Protektion bitten, weil sich die EU vor allem mit ihren eigenen Problemen auseinandersetzen muss und China nie großes Interesse für die Lösung von fremden Problemen gezeigt hat.
Im Südkaukasus haben die Politiker ihre eigenen Erwartungen. Aserbaidschan und Georgien machen sich Sorgen darüber, ob die USA unter Trump sie auf staatlicher Ebene nicht vernachlässigen werden. Denn noch als Unternehmer hatte er in beiden Ländern große Projekte geplant, musste sie jedoch aufgeben, und zwar wegen der „unerhörten Bestechlichkeit“ in Aserbaidschan und der „unverständlichen Trägheit“ in Georgien.
Auch in Jerewan hat man Grund zu Sorgen: Trump ist wohl der erste US-Präsident in der neuesten Geschichte, der während der Wahlkampagne nicht versuchte, der armenischen Diaspora zu gefallen – unter anderem im Kontext des Völkermordes an den Armeniern zu Beginn des 20. Jahrhunderts – und nicht um ihre Stimmen warb.
In Kiew hofft man natürlich auf Washingtons Unterstützung bei der Konfrontation mit Moskau. Trumps Worte, die Beziehungen mit Moskau müssten verbessert werden, konnten die Ukrainer natürlich nicht überhören. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass Washington über Nacht seine Position zur Wiedervereinigung der Krim mit Russland und zur Situation im Donezbecken ändert, aber es könnte durchaus die Frage aufkommen, warum die Behörden in Kiew ihren Teil der Minsker Vereinbarungen nicht erfüllen.
Moldawien muss sich wohl vor allem mit der Konfrontation zwischen dem Präsidenten und dem Parlament auseinandersetzen, und erst dann könnte klar werden, in welche Richtung Chisinau guckt.
Und was Weißrussland angeht, so braucht der von Moskau erneut „gekränkte“ Präsident Alexander Lukaschenko dringend neue Freunde; er signalisierte Trump bereits seine Bereitschaft zu engeren Kontakten. Trump wird das wohl nicht übersehen – ob er Lukaschenko aber auch glaubt, ist eine andere Frage. Besonders wenn er seine Worte von der Verbesserung der Beziehungen mit Moskau auch mit Taten bekräftigen sollte.