Kritik von Linken-Politikerin : «Bundespräsident Steinmeier ist keine moralische Instanz»

Kritik an der Wahl von Frank-Walter Steinmeier kommt aus Reihen der Linken. In einem Interview mit dem digitalen Informationsdienst Sputnik sagt die Abgeordnete Sevim Dagdelen, dass der neue Präsident keine moralische Instanz sei.

 Damals als Außenminister im Jahre 2014, nachdem Protestler Steinmeier für seinen Pro-Maidan-Kurs kritisierten: «Ihr habt kein Recht», brüllte Steinmeier die Menschen an. Heute hatten sie auch kein Recht Steinmeier zu wählen, was nur der Politik und dem deutschen Establishment vorbehalten ist.

Am Sonntag hat die Bundesversammlung mit 931 Stimmen im ersten Wahlgang den gemeinsamen Kandidaten von SPD und Union, Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum Bundespräsidenten gewählt. Für MdB Sevim Dagdelen ist Steinmeier kein geeigneter Kandidat:

 

„Der Bundespräsident wird vor allem auch als eine moralische Integrität in diesem Land gewählt, als jemand, der auch ein Vorbild sein soll. Da wünsche ich mir natürlich einen Bundespräsidenten, der tatsächlich eine moralische Instanz ist. Das ist Herr Steinmeier für mich nicht, jedenfalls nicht nach der Geschichte mit Murat Kurnaz und Guantanamo. Ich wünschte mir natürlich auch einen Präsidenten, der zu den Herausforderungen unserer Zeit, nämlich der sozialen Spaltung in unserem Land, auch die notwendigen Antworten liefert.“

Dagdelen betont, dass der Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Frieden einen würdigen Präsidenten ausmachen. Auch Steinmeiers Vorgänger Joachim Gauck sei in seiner Politik habe sie diese Eigenschaften vermisst.

 

„Wichtig ist, dass wir einen Präsidenten haben, der sich der Fragen annimmt, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Die Reichen werden immer reicher, die Armen werden immer zahlreicher. Dafür muss es sozial adäquate Antworten geben. Wir brauchen eine neue Ruck-Rede eines Präsidenten, der auch eine Vision aufzeigt, wie es in diesem Land sozial gerechter zugehen kann, damit auch der Nährboden für die Entwicklung nach rechts wegfällt. Viele sagen, Herr Gauck stand für mehr Freiheit. Ich hatte immer das Gefühl, dass Joachim Gauck ein Ein-Thema-Präsident ist für mehr Krieg statt für mehr Freiheit. Gerade in einer Welt, in der sehr viele bewaffnete Konflikte sind, die auch Fluchtursachen für viele Menschen darstellen, würde ich mir wünschen, dass man mehr für Frieden und globale soziale Gerechtigkeit einsetzt.“

Lobende Worte findet die LINKE-Abgeordnete für Alt-Bundespräsident Horst Köhler und wünscht sich für die Zukunft ein ähnlich entschlossenes Vorgehen bei verfassungswidrigen Gesetzen.

„Es wäre schon wichtig, dass ein Bundespräsident natürlich  auch versucht, eine Kontrollinstanz zu sein. Laut Grundgesetz kann der Bundespräsident Gesetze des Legislativorgans des Bundestages, die von einer Mehrheit beschlossen worden sind, aber offenkundig verfassungswidrig sind, auch nicht unterzeichnen und damit stoppen. Das hat Horst Köhler manchmal getan in der Überzeugung, dass bestimmte Gesetze verfassungswidrig sind – was ich ihm hoch angerechnet habe. Das hat Gauck niemals getan, er war eigentlich der Erfüllungsgehilfe der Großen Koalition. So, wie es auch Frank-Walter Steinmeier als Kandidat des „Weiter so“ der Großen Koalition  sein wird. Ich würde mir wünschen, dass ein Bundespräsident unabhängig ist, in seinem Denken, in seinem Geist, in seinem Urteil, und entsprechend dem Grundgesetz verfassungswidrige Gesetze nicht unterzeichnet.“

Auch wenn es im Vorfeld der Wahl wohl kaum einen Zweifel daran gab, dass Frank-Walter Steinmeier die notwendige Mehrheit bekommen würde, habe die LINKE bewusst einen eigenen Kandidaten aufgestellt, um ein Zeichen zu setzen, so Dagdelen.

„Wir wollten ein Zeichen setzen, dass es überhaupt eine Wahl gibt. Denn die Große Koalition macht die Bundespräsidentenwahl immer mehr zu einer Farce, indem sie durch das Geklüngel der zwei großen Parteien mit der CSU einen Kandidaten aus ihrer Mitte eigentlich benennen und keine echte Wahl stattfinden kann. Für eine Demokratie ist es wichtig, dass es Alternativen gibt. Wir wollten den Wahlmännern und Wahlfrauen die Gelegenheit geben, einen Kandidaten zu wählen, der eine Agenda der Solidarität gegen eine Agenda 2010 setzt, der gegen die soziale Spaltung und die Ungleichheit ist, der gegen Kriegspolitik ist. Einen, der für die Zeichen der Zeit steht, Ungerechtigkeit bekämpfen will und für eine friedliche Außenpolitik ist. Wir haben einen eigenen Kandidaten aufgestellt, auch um den anderen Parteien die Gelegenheit zu geben, zu wählen und nicht nur auszuführen.“

Interview: Ilona Pfeffer

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