Präsident Poroschenkos letzter Besuch in Berlin, sowie die Zuspitzung des Donbass-Konfliktes und die diplomatischen Verstimmungen zwischen dem Botschafter Reichelt waren Anlass für die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“, über die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine zu schreiben.
Ein großer Krieg konnte damals zwar verhindert werden, aber Ende Januar spitzte sich der Konflikt im Donezbecken wieder zu – kurz vor einem Treffen des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin.
Diesmal zeigte die Kanzlerin allerdings nicht mehr, dass Kiew mit ihrer absoluten Unterstützung rechnen dürfe, und die einflussreiche „Süddeutsche Zeitung“ gab zwei Tage nach der Eskalation in der Ostukraine ausgerechnet Kiew die Schuld dafür. Die bis dahin guten Beziehungen zwischen Kiew und Berlin spannten sich quasi über Nacht an. In der vorigen Woche erklärte der deutsche Botschafter in der Ukraine, Ernst Reichel, dass die Formationen in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten (sprich das Volksheer der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk) kein Hindernis für die Organisation der Kommunalwahlen in der Ostukraine seien, und löste heftige Reaktionen im ukrainischen Präsidialamt und in der Werchowna Rada (Parlament) aus. Zwei Tage später sagte aber auch Außenamtssprecher Martin Schäfer, Berlin verfüge über keine Informationen über den Aufenthalt russischer Truppen in der Donbass-Region, und verwies zudem darauf, dass die Übernahme der östlichen Abschnitte der russisch-ukrainischen Grenze durch Kiew der letzte Punkt der Minsker Vereinbarungen sei.
Diese Einstellung Berlins rief „aktives Unverständnis“ in Kiew hervor, und der ukrainische Abgeordnete Alexej Gontscharenko ließ sich nichts Besseres einfallen, als auf einem Stück der Berliner Mauer am Gelände der deutschen Botschaft in Kiew „Nein“ zu schreiben. Dafür warf ihm Berlin eine Verletzung der Wiener Konvention vor. Darauf reagierte das Kiewer Establishment mit dem Aufruf, einen Empfang in der deutschen Botschaft zum 25. Jahrestag der gegenseitigen diplomatischen Beziehungen zu ignorieren. Vor diesem Hintergrund wurde ein neues Telefonat des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Angela Merkel, wobei er sich für eine Aktualisierung des „Normandie-Formats“ aussprach, zu einem neuen Versuch, Poroschenko zu zwingen, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen. Darauf folgte auch ein Telefongespräch des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit seinem „frischgebackenen“ deutschen Amtskollegen Sigmar Gabriel, wobei sie sich um die Absprache der Positionen Moskaus und Berlins bemühten, um Kiew gemeinsam unter Druck zu setzen.
Andererseits müsste Poroschenko verstehen, dass das aktuelle „Normandie-Format“ bald ein Ende findet, denn die Amtszeit seines französischen Amtskollegen Francois Hollande läuft demnächst ab. Und unter dem neuen Staatsoberhaupt (egal ob das Francois Fillon, Emmanuel Macron oder Marine Le Pen sein wird) könnte Paris für Kiew ein noch unangenehmer Unterhändler werden. Dasselbe gilt auch für die vom EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker versprochenen Abschaffung der Visapflicht für die Ukraine „bis zum Sommer“: Der neue französische Staatschef bzw. die Staatschefin tritt sein bzw. ihr Amt Ende Mai an und wird die Abstimmung vermutlich ohne unnötige Hemmung blockieren.
Die deutsche Bundesversammlung hat am gestrigen Sonntag, wie erwartet, den bisherigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier zum Bundespräsidenten gewählt. Der langjährige Leiter des Kanzleramtes unter Gerhard Schröder gilt als „Russland-Freund“ und Merkels Gegner. Zwar ist seine Macht im neuen Amt eher formell, aber Steinmeier könnte eine unabhängigere Außenpolitik ausüben. Zudem will wohl niemand in Berlin im Vorfeld der Bundestagswahl im September die Verantwortung für das Scheitern der deutschen Ukraine-Politik übernehmen.
Es bleibt noch der neue US-Präsident Donald Trump. Bei einem Telefonat soll Poroschenko ihn um ein „baldmöglichstes Treffen“ gebeten haben. Als vorläufiger Termin wurde der 21. Februar vereinbart. Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin reiste sofort nach Washington, um einzelne Details des Gipfels zu besprechen. Die bisherigen Erfahrungen lassen leider vermuten, dass im Donezbecken in den kommenden Tagen eine neue Eskalation zu erwarten ist. Denn wenn die Situation dort ruhig bliebe, würde das bedeuten, dass Poroschenko keinen „Schutz vor Moskau“ seitens Washingtons braucht.
Eine andere Frage ist allerdings, ob Trump Poroschenko helfen will, nachdem sich Kiew während des US-Präsidentschaftswahlkampfes an der Hetze gegen ihn aktiv beteiligt hatte. So sprach der ukrainische Botschafter Valeri Tschaly seine Handlungen direkt mit dem Wahlstab Hillary Clintons ab. Es ist unwahrscheinlich, dass der neue US-Staatschef das vergessen hat. Und andere Partner hat Poroschenko nicht mehr.
Quelle: Sputnik Deutschland