Über die jüngsten Proteste im südamerikanischen Argentinien schreibt das Portal Amerika 21
Von Richard Tillmann auf amerika21
César Arias, 39-jähriges Mitglied der indigenen Guaraní-Gemeinschaft Happo Pau (Unsere Wurzeln), ist aus dem Gefängnis in Tartagal im Norden der argentinischen Provinz Salta entlassen worden. Anfang Februar war Arias festgenommen worden. Ihm wurde vorgeworfen, illegalen Ackerbau auf einem Privatgrundstück betrieben und dessen Besitzer, Huberto Bourlón, bedroht zu haben.
Nach einem ersten Termin beim Richter ließ dieser die Anklage und Haft zunächst zu, da weiterhin Gefahr vom Häftling ausgehe. Noch am selben Tag fand auf der Plaza 9 de Julio in Salta eine Protestkundgebung für die Freilassung von Arias statt. Daran nahm auch die Vizepräsidentin des Indigenen Konsultativrates (Consejo Consultativo Indígena) teil. Weitere Unterstützung bekam Arias von der Internetplattform change.org, auf der Unterschriften für seine Freilassung als «politischer Gefangener wegen Säens auf eigenem Territorium» zu Händen des Gouverneurs von Salta, Juan Manuel Urtubey, gesammelt wurden. Tags darauf protestierten auch zahlreiche Verwandte Arias‘ mit Transparenten wie «Huberto Bourlón: Raus aus unserem Land».
Bourlón ist einer von mehreren Großgrundbesitzern Saltas, die sich seit Oktober 2016 lautstark darüber beklagen, dass sich indigene Gruppierungen illegal auf ihren Ländereien niederlassen und sie physisch bedrohen würden. Der Konflikt um Grund und Boden zwischen den beiden Lagern hat sich in den letzten Monaten zunehmend verschärft. Laut Bourlón, einem französischen Unternehmer, sei das Problem, «dass eine Familiengruppe mehrere Hektaren Land im Namen einer indigenen Gemeinde beansprucht, die nie existiert hat». Von neun Gruppierungen sei nur eine echt. Die übrigen hätten nie auf argentinischem Boden gewohnt. Bourlón war es denn auch, der Arias und weitere Guaraní anzeigte und dessen Inhaftierung ins Rollen brachte.
Antonio Salvatierra, Sprecher der Wichi-Gemeinde El Cristo Arriba und ansässig im selben Gebiet, stimmt den Aussagen Bourlóns teilweise zu. Als sich seine Gemeinde hier niederließ, seien eines Tages «Familien bolivianischer Herkunft aufgetaucht» und beanspruchten dasselbe Recht. Tatsächlich sei es aber seine Gemeinde, die dank eines neuen Provinz-Gesetztes rechtmäßig 17 Hektare Land zugesprochen erhielt. Der Hauptkonflikt gehe von der Happo Pau-Gruppe aus.
Die Behauptung, dass es sich vor allem um vermeintlich «bolivianische Volksgruppen» handle, stieß auf heftige Kritik in sozialen Medien. Viele argentinische User betrachten die Verknüpfung des Konflikts mit Themen wie Migration oder Drogenhandel, wie das viele große Medien getan haben, als xenophob. Bourlón selber sei sehr gut mit den regionalen und nationalen Medien vernetzt und habe Verbindungen zur regierenden Partei PRO von Präsident Mauricio Macri.
Die in ganz Salta protestierenden Guaraní kämpfen daher auch gegen «die Seilschaft zwischen Gouverneur und Großgrundbesitzern». Bourlón sei «sehr gewalttätig und bewaffnet». Gegenüber der Polizei behaupte er dies jedoch über die Mitglieder der Happo Pau und bekomme recht. Ihnen werde seit Jahren ihr Land durch Großgrundbesitzer streitig gemacht, die dabei sehr aggressiv vorgingen. Bourlón selbst erklärt, dass er die Ländereien seit 1971 besitze. Die Echtheit seiner Dokumente wird von den Guaraní aber angezweifelt.
César Arias, der seit seiner Entlassung gemäß richterlicher Verfügung das Land, wo er sein ganzes bisheriges Leben verbrachte, nicht mehr betreten darf, äußerte sich indes in einem Interview zu dem Vorfall. Er wisse, dass ihm das Land nicht gehöre. Aber die Justiz sei ungerecht und schenke einem Mittellosen kein Interesse. Bourlón habe alle seine Pflanzen mit der Machete zerhackt und ihm die Äcker zerstört, darum habe er sich gewehrt. Bourlón und seine Leute seien es denn auch, die bewaffnet herumlaufen, ihn und seine Gemeinschaft bedrohten und sie für verschiedene ökologische Probleme verantwortlich machen. Nun fürchtet er, aufgrund der zweiwöchigen Haft seinen Job als Hilfsmaurer zu verlieren.