Irak: «Humanitäre Situation in Mossul ist unglaublich schlecht»

Irakische Einheiten, unterstützt von den USA, marschieren derzeit auf die IS-Hochburg Mossul. Derweil hat das UNHCR auf die Lage von hunderttausenden Zivilisten in der Stadt aufmerksam gemacht. Einem UN-Sprecher zufolge besteht eine hohe Gefahr ziviler Opfer.

Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) ist besorgt: Während heftige Kämpfe um die nordirakische Stadt Mossul toben, sitzen hunderttausende Zivilisten mitten in der Kampfzone gefangen. Irakische Regierungstruppen eroberten vor Kurzem Mossuls Flughafen von der Terrormiliz IS sowie eine Militärbasis. Von dieser aus werden sie nun versuchen, die Stadt mit ihren noch etwa 750.000 zivilen Einwohnern zu befreien. Auch US-Soldaten beteiligen sich an den Gefechten, wie Oberst John Dorrian, der Pentagon-Sprecher in Bagdad, zugab.

RT International hat mit dem Sprecher des UNHCR, Matthew Saltmarsh, über die Lage in der mesopotamischen Metropole gesprochen.

Die USA versprachen die sichere Evakuierung der Zivilisten aus der Stadt. Trotzdem sind immer noch 750.000 Menschen in Mossul gefangen. Wurden sie vergessen?

Wir sind natürlich sehr besorgt über die Zivilisten, die noch in West-Mossul gefangen sind. Wie Sie wissen, ist dies ein sehr dicht besiedeltes Gebiet. Wir erwarten, dass die Gefechte, wenn sie in West-Mossul selbst ausbrechen, sehr heftig sein und vermutlich von Straße zu Straße verlaufen werden. Also besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es zivile Opfer geben wird, und es gibt auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es zu Fluchtbewegungen kommen wird. Die irakische Regierung hat erklärt, dass bis zu einer Viertelmillion Menschen vor den Gefechten aus der Stadt flüchten könnten. Unser Schwerpunkt ist es, unsere ganze Infrastruktur auf diese Möglichkeit vorzubereiten. Dies tun wir, indem wir Lager um Mossul herum ausrüsten und Lebensmittel, Wasser und medizinische Unterstützung soweit wie möglich bereitstellen.

Wir wissen, dass eine der effizientesten Taktiken in dieser Hinsicht der Gebrauch humanitärer Korridore ist. Ist es wahrscheinlich, dass diese in Mossul eingesetzt werden?

Wir haben noch nichts Sicheres in dieser Hinsicht in Erfahrung bringen können, aber wir sprechen mit unseren Partnern darüber, dass wir so nahe wie möglich zu denjenigen kommen können, die Hilfe benötigen. Wir wissen durch Berichte und Gespräche mit den wenigen, die aus Mossul fliehen konnten, dass die Situation in der Stadt unglaublich schlecht ist: Lebensmittel sind knapp, die Preise für Lebensmittel steigen rapide und sauberes Wasser ist kaum noch vorhanden. Es gibt Berichte, dass Leute Möbel, Plastik und ähnliche Dinge verbrennen. Die Situation ist verzweifelt und wir bereiten uns darauf vor, jenen zu helfen, die aufgrund von Gefechten fliehen könnten.

 

Gibt es irgendetwas, das Organisationen wie Ihre, also internationale Organisationen, auf politischer Ebene bewegen können? Könnten sie Ihren Einfluss nutzen, um dort Druck auszuüben, zu Gunsten der Einrichtung humanitärer Korridore, für Maßnahmen, die die Notlage der Eingeschlossenen erleichtern könnten?

Hinsichtlich der Planung ist unser Schwerpunkt die Lagerstruktur. Wir haben acht Lager errichtet und ein weiteres befindet sich im Bau. Wir arbeiten mit der Regierung des Iraks zusammen. Wir denken, dass etwa 60.000 bis 80.000 neue Plätze sehr bald verfügbar sein werden. Also ist der Schwerpunkt auf unserer Seite, jenen zu helfen, die vertrieben wurden, die vertrieben werden könnten und ihnen den Schutz und die Unterstützung zu bieten, die sie unmittelbar im Nachgang benötigen – falls und wenn sie vertrieben werden.

Die Offensive auf Mossul dauert seit Oktober an. Wie schlecht ist die Situation derjenigen, die Mossul nicht verlassen können? Betrachten sie die Schaffung humanitärer Korridore als eine wahrscheinliche Entwicklung oder wird dies unter den derzeitigen Umständen unmöglich sein?

Das ist unter den jetzigen Umständen sehr schwer, vorauszusagen, weil die Gefechte heute im Flughafen stattfanden. Wir erwarten, bald ins Stadtgebiet vorzurücken. Wir sprechen natürlich mit unseren Partnern, mit der Regierung, mit den beteiligten militärischen Akteuren – um sicherzustellen, dass wir die Zivilisten, die derzeit unter sehr, sehr schwierigen Umständen leben, so gut wie wir können zu schützen.