Erdogans erster Russland-Besuch nach fast zweijähriger Pause in Beziehungen

 

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kommt heute nach Moskau. Das ist sein erster Russland-Besuch nach einer fast zweijährigen Pause und einer langen politischen Krise in den bilateralen Beziehungen, schreibt die Zeitung „Kommersant“ am Freitag.

 

Eine Mauer an der türkisch-syrischen Grenze

 

Die Krise war im November 2015 nach dem Abschuss eines russischen Bombers am Himmel über Syrien durch die türkische Luftwaffe ausgelöst worden.

 

Inzwischen bemühen sich Moskau und Ankara um die Wiederbelebung der gegenseitigen Wirtschaftskontakte. Da die Türkei vor der Krise einer der größten Geschäftspartner Russlands war, spielt Erdogans Besuch eine sehr wichtige Rolle. Unter anderem wird er an einer weiteren Sitzung des Obersten Kooperationsrates teilnehmen, der seine Arbeit nach längerer Pause wiederaufnimmt. Das ambitionierte Ziel ist, den Handelsumsatz auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr zu erhöhen.

 

Zu den Themen des russisch-türkischen Gipfels gehören auch der Bau des AKW Akkuyu in der Türkei, der für acht Monate unterbrochen wurde, sowie die Perspektiven der Pipeline Turkish Stream.

 

Wie Vertreter des Russischen Fonds für Direktinvestitionen darüber hinaus mitteilten, wird ein Abkommen zur Gründung eines bilateralen Investmentfonds unterzeichnet, dessen Umfang eine Milliarde Dollar erreichen könnte und aus dem Projekte in beiden Ländern finanziert werden sollen.

 

Begleitet wird Erdogan zudem von Verteidigungsminister Fikri Isik, der in Moskau über die Perspektiven der Lieferung von russischen S-400-Raketen an die Türkei verhandeln wird. Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu bestätigte, dass entsprechende Gespräche bereits begonnen haben.

 

Der Pressedienst des Kremls teilte mit, dass Präsident Wladimir Putin mit Erdogan „Meinungen über die Perspektiven des weiteren Zusammenwirkens von Russland und der Türkei im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und bei der Regelung der Syrien-Krise austauschen“ werde.

 

Als Initiatoren der aktuellen Waffenruhe in Syrien und der syrisch-syrischen Gespräche in Astana und anschließend in Genf suchen Moskau und Ankara nach Kompromissen in Bezug auf zwei Schlüsselfragen, und zwar über die Zukunft des aktuellen Regimes in Damaskus und über die bilaterale Kooperation bei der Bekämpfung des so genannten „Islamischen Staates“.

 

Angesichts dessen wird eines der wichtigsten Themen des Gipfels die Situation in der nordsyrischen Stadt Manbidsch sein. Seit August 2016 wird sie von den Kurden aus der Koalition „Kräfte des demokratischen Syriens“ kontrolliert.

 

Nachdem die türkische Armee am 2. März El-Bab unter Kontrolle genommen hatte, erklärte Cavusoglu, das nächste Ziel sei, die Kurden aus Manbidsch zu vertreiben. Dann aber entwickelte sich die Situation überraschend: Unter russischer Vermittlung beschlossen die kurdischen Kommandeure, einen Abschnitt der Frontlinie westlich der Stadt der syrischen Regierungsarmee zu überlassen.

 

Dadurch wurden Ankaras Pläne für eine Offensive bei Manbidsch durchkreuzt, denn sie würde einen bewaffneten Konflikt mit Damaskus und de facto auch mit Moskau bedeuten.

 

Angesichts dessen musste selbst der türkische Premier Binali Yildirim einräumen, dass ein Militäreinsatz bei Manbidsch ohne Absprache mit Russland und den USA sinnlos wäre.

 

Allerdings sind die Kurden weiterhin ein Reizfaktor für Ankara. „Die kurdischen Abteilungen sind direkt mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbunden“, sagte der türkische Abgeordnete der Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung, Markar Esayan:

 

„Die PKK verübt immer neue blutige Terroranschläge gegen friedliche Türken, und wir können es nicht zulassen, dass ihre Verbündeten an unseren Grenzen bleiben. Für Ankara ist es lebenswichtig, dass die mit der PKK verbundenen Kräfte Manbidsch verlassen, und unsere Partner in der Welt müssen diesen Umstand berücksichtigen.“

 

Wichtig ist im Kontext der Syrien-Debatte auch die Frage, wer die IS-„Hauptstadt“ Rakka befreien wird. Früher dachte man, dass die türkische Armee dabei eine wichtige Rolle spielen werde. Doch nach der Eroberung El-Babs befindet sie sich vor dem Territorium, das von den Kurden kontrolliert wird, und es ist unklar, wie sie Rakka erreichen soll.

 

Laut Medienberichten hatte die Situation in Rakka auf der Tagesordnung eines Treffens der Generalstabschefs Russlands, der Türkei und der USA am 7. März in Antalya gestanden. Wahrscheinlich wird diese Debatte jetzt auch auf der höchsten Ebene in Moskau fortgesetzt. Und davon hängen auch die Perspektiven des Zusammenwirkens zwischen Russland und der US-Administration Donald Trumps bei der Terrorbekämpfung im Nahen Osten ab.

 

Quelle: Sputnik