„Das Begegnen der Städte im Vordergrund“ — Berliner Oberbürgermeister zu Besuch in Moskau

Um mehr Zusammenarbeit geht es in einem Memorandum, das das Berliner Stadtoberhaupt Michael Müller und der Moskauer Oberbürgermeister Sergej Sobjanin am Montag unterzeichnet haben. Sputnik sprach mit Müller am Rande der Unterzeichnung – sowohl über die Kooperation zwischen beiden Metropolen, als auch über Perspektiven von Rot-Rot-Grün.

Herr Müller, welche neuen Akzente wollen Sie mit diesem Memorandum einbringen?

Erstmal ist ein Akzent, dass wir auch in Zeiten internationaler Spannung uns begegnen. Und dass die Städte, die großen wichtigen europäischen Metropolen im Gespräch bleiben und sich auch austauschen. Das ist mir sehr wichtig, den Kontakt zu halten. Aber gerade auch die beiden Städte Moskau und Berlin sind wachsende Städte, sich verändernde Städte, Moskau noch mit einer größeren Dynamik als Berlin. Wir haben gemeinsam etwas zu bewältigen: Die Infrastruktur zu schaffen, Wohnungen zu bauen, die Verkehrsinfrastruktur auszubauen, das Kultur und Bildungsangebot zu erhöhen. Sich auch darüber auszutauschen ist mir wichtig.
Welchen Nutzen bringt die Partnerschaft mit Moskau für Berlin?

Erstmal ist es wichtig, voneinander und miteinander zu lernen bei diesen Fragen der sich verändernden Stadt, gute und schlechte Erfahrungen auszutauschen: in der Energieversorgung, in der Privatisierungspolitik, wie man schnell Wohnungen baut. Jeder macht seine Erfahrungen und bringt das beim anderen mit ein. Und man muss Fehler nicht zwei- oder dreimal machen. Ich habe mich ganz bewusst entschieden und das Kommunale, das Begegnen der Städte, in den Vordergrund gestellt. Weil ich auch möchte, dass wir von dieser kommunalen Ebene aus unsere Beziehung festigen.

Wir haben internationale Spannungen. Wir haben Konflikte. Die darf man nicht wegdiskutieren. Aber ich glaube, diese großen Probleme sollten nicht den Austausch der Städte behindern. Und deswegen war mir das Kommunale sehr wichtig bei meinem ersten Besuch in Moskau.
Und zum anderen ist es so, dass eben gerade dieser kulturelle Austausch sehr wichtig ist. Die Kulturinstitutionen von Berlin, zum Beispiel unsere Komische Oper, und unsere Filmschaffenden gehen nach Moskau. Umgekehrt habe ich ermutigt, dass wieder Kulturschaffende nach Berlin kommen. Das Bolschoi-Ballett ist immer herzlich eingeladen, aber auch die junge, die kreative Szene Moskaus. Ich glaube, das sind alles Anknüpfungspunkte für noch eine festere und tiefere Partnerschaft.

Ich möchte Sie, Herr Müller, fragen, ob die rot-rot-grüne Koalition auch für Deutschland relevant ist. Was machen die Berliner Erfahrungen?

Erst einmal ist eine Erfahrung, dass es doch öfter dazu kommen kann und wird, dass Dreier-Konstellationen und –Koalitionen eine Rolle spielen bei Regierungsbildungen. Das ist für Deutschland ein ungewohntes Bild. Man war immer ausgegangen von selbstverständlichen Zweier-Koalitionen. Wir merken, dass jetzt mitunter drei Partner nötig sind, um eine Regierung zu bilden.
Und das ist schon nicht einfach, drei Partner unter einen Hut, unter einen Koalitionsvertrag zu bekommen. Ich glaube aber, dass Rot-Rot-Grün vor allen Dingen auf dieser Länderebene eine gute Perspektive ist. Ich glaube, auf der nationalen Ebene wären doch noch etliche Hindernisse zu überwinden, so in der Außen- und in der Sicherheitspolitik, in der Finanzpolitik. Möglicherweise gibt es da auch schon weitgehende Schnittstellen. Aber da wäre doch bei einer Regierungsbildung noch sehr, sehr viel miteinander zu verabreden.

Interview: Nikolaj Jolkin für Sputnik