Lateinamerika: Abtreibung soll in Bolivien teilweise legalisiert werden

Gesetzesprojekt sieht neun Gründe für legalen Schwangerschaftsabbruch vor. Schwerpunkt auf Verbesserung der Situation armer Frauen. Katholische Kirche dagegen

 

 

Ein Gesetzentwurf des bolivianischen Parlaments zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in bestimmten Fällen hat schon vor der Diskussion in der Abgeordnetenkammer eine breite Debatte ausgelöst. Frauenrechtsorganisationen loben die Initiative, kritisieren sie aber zugleich als nicht ausreichend. Die katholische Kirche lehnt sie rigoros ab. Der Entwurf sieht vier Gründe für eine legale Abtreibung bis zur 8. Schwangerschaftswoche vor, fünf weitere Gründe sollen sie auch danach ermöglichen.

Derzeit wird ein Schwangerschaftsabbruch als Straftat geahndet und mit bis zu sechs Jahren Haft bestraft. Ausnahmen stellen lediglich eine Gefährdung des Lebens der Mutter oder eine Vergewaltigung bei Minderjährigen dar. In diesen Fällen ist eine richterliche Erlaubnis erforderlich, um den Abbruch legal vornehmen zu können ‒ die jedoch selten erteilt wird.

Vor der 8. Schwangerschaftswoche soll eine Abtreibung nach dem Entwurf legal durchgeführt werden können, wenn eine Frau auf der Straße oder in extremer Armut lebt, keine ausreichenden Mittel zur Versorgung von sich oder ihrer Familie hat, wenn sie bereits Mutter von drei oder mehr Kindern ist und nicht genügend Mittel zur Versorgung eines weiteren Kindes hat oder wenn sie Studentin ist. Nach der 8. Woche hingegen sollen nur diejenigen Frauen legal abtreiben können, bei denen entweder ein Risiko für das Leben sowie die Gesundheit der Schwangeren vorliegt oder der Fötus schwere Missbildungen aufweist und nicht lebensfähig wäre. Auch eine Vergewaltigung, Inzest oder die Minderjährigkeit der Schwangeren rechtfertigen laut dem Gesetzesprojekt eine Abtreibung.

Um sie durchführen zu können, soll eine Schwangere demnach lediglich ein Formular und eine Einverständniserklärung ausfüllen und Gründe und Umstände ihrer Entscheidung darlegen. Weitere Nachweise werden nicht gefordert.

Einen besonderen Schwerpunkt legt der Gesetzentwurf somit auf die Verbesserung der Situation von armen Frauen, die am meisten unter dem jetzigen Abtreibungsverbot zu leiden haben. Während Frauen aus der Mittel- und Oberschicht die Möglichkeit haben, gegen Bezahlung in sicheren Privatkliniken und -praxen oder im Ausland abzutreiben, suchen arme Frauen oftmals geheime Abtreibungskliniken auf, in denen die Schwangerschaft unter sehr schlechten hygienischen Bedingungen beendet wird. Viele sterben in der Folge daran.

«Was hier passiert, ist, dass wir das Strafgesetz an die bolivianische Realität anpassen, in der es die ärmsten Frauen sind, die an schlecht ausgeführten Abtreibungen sterben. Das ist ein Thema der öffentlichen Gesundheit, es ist keine vollständige Legalisierung», erklärte Gabriela Montaño, Präsidentin der Abgeordnetenkammer dazu. Eine uneingeschränkte Legalisierung sei nicht möglich, da ein Urteil des Verfassungsgerichtes sie verbietet.

Dies erkannte Tania Nava, Direktorin der Frauenrechtsorganisation «Katholikinnen für das Recht auf Entscheidung» an und gestand dem Entwurf zu, alle Probleme zu erfassen, die dazu führen, dass Frauen in Bolivien ihre Schwangerschaft beenden wollen. Gleichzeitig plädierte sie jedoch für eine Verlängerung des Zeitraums von acht auf zwölf Schwangerschaftswochen: «Wir glauben, um von einer teilweisen Legalisierung der Abtreibung in bestimmten Fällen reden zu können, ist ein Minimum von zwölf Wochen notwendig». Sie kritisierte zugleich, dass der Entwurf als Thema der öffentlichen Gesundheit gehandelt werde und nicht des Strafgesetzes.

Scharfe Kritik an dem Vorhaben äußerte hingegen José Fuentes, Generalsekretär der bolivianischen Bischofskonferenz: «Für uns ist das Leben gottgegeben, daher muss man darauf Acht geben, vom Moment der Empfängnis bis zu seinem Ende.» Ähnlich hatte 2014 das Verfassungsgericht argumentiert, das einen von Frauenorganisationen initiierten Antrag auf Entkriminalisierung von Abtreibungen abgelehnt und sich auf die Anerkennung des Rechts auf Leben ab der Empfängnis berufen hatte.

José Alberto Gonzalez, Präsident der Senatskammer, rief dazu auf, die Debatte sachlich und rational zu führen und sich an Tatsachen zu orientieren. Er erinnerte ebenfalls an die tödlichen Konsequenzen des Abtreibungsverbotes, das Schwangerschaftsabbrüche dennoch nicht verhindere: «Die große Zahl der Frauen, die jedes Jahr an Abtreibungen sterben, die unter furchtbaren Bedingungen stattfinden und die nicht einmal hygienische und sichere Minimalanforderungen erfüllen, sollte uns beunruhigen.»

In fast allen Ländern Lateinamerikas herrschen bis heute restriktive Abtreibungsgesetze. Nach Informationen der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2013 unterziehen sich schätzungsweise jährlich rund 200.000 Frauen in Lateinamerika einer Abtreibung, die meisten finden illegal statt. Jedes Jahr sterben rund 6.000 Frauen in der Region an den Folgen.