Mit zehn Holzkreuzen wird in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt seit Anfang März gegen den geplanten Bau der ersten Moschee im Freistaat protestiert. Die Ahmadiyya-Gemeinde, die das Gotteshaus im Stadtteil Marbach plant, will sich nicht provozieren lassen. Sputnik sprach mit ihrem Imam sowie mit anderen Akteuren vor Ort über den Konflikt.
Die Kreuz-Aktion der Gruppe „Bürger für Erfurt“ ist Ausdruck eines Konfliktes, der schon seit etwa einem Jahr läuft und auch internationale Aufmerksamkeit bekam. Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) wandte sich gemeinsam mit dem katholischen Bistum Erfurt gegen den „Missbrauch des Kreuzes als Kampfzeichen“. Die Stadt sei dem Moscheebau gegenüber „aufgeschlossen“, hatte der Oberbürgermeister von Erfurt, Andreas Bausewein, bereits 2016 erklärt. Nach Informationen des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) wollen die Eigentümer der Baufläche nun rechtlich gegen diejenigen vorgehen, die die Holzkreuze aufstellten.
„Wir lassen uns da nicht provozieren“, erklärte Said Ahmad Arif gegenüber Sputnik. Er ist der Imam der Ahmadiyya-Gemeinde in Erfurt und betonte: „Wir gehen da besonnen ran.“ Die Gemeinde habe die Aktion mit den Kreuzen als Zeichen der Abneigung registriert, werde aber „nicht negativ“ reagieren. „Das ist nicht etwas, was uns Angst einjagt“, erklärte der Geistliche. Er verwies auf eine „unglaubliche Unterstützung“ in Erfurt von Menschen, „die die Religionsfreiheit unterstützen“. Die Kreuz-Aufsteller seien „eher in der Minderheit“. Auch aus der Politik werde seine Gemeinde unterstützt, so der Imam, ebenso von den Kirchen und Religionsgemeinschaften, „außer von der AfD“.
AfD: Kreuze als Symbol für das Abendland und Europa
Die religionspolitische Sprecherin in der Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) im Thüringer Landtag, Corina Herold, findet die Aktion „grundsätzlich gut“: „Das Kreuz steht für uns dort als Symbol für das Abendland“, aber auch für ein „in einer „religiös-christlich-aufklärerischen Tradition stehendes Europa“. „Das ist für mich kein Missbrauch, sondern ein ordnungsgemäßer Gebrauch.“ Die Kreuze sind für Herold der „religiöse und gesellschaftspolitische Gegenentwurf“ für die geplante Moschee mit ihrem Minarett. Die Ahmadiyya-Gemeinde stehe außerdem für einen „konservativen und sehr regelstarren Islam“ und damit nach Ansicht der Thüringer AfD „nicht mehr ganz auf dem Boden des Grundgesetzes“. Die Moslems bräuchten nicht unbedingt Moscheen, um ihren Glauben praktizieren zu können, meinte die Abgeordnete. Die bisherigen Gebetshäuser würden doch reichen.
Die Ahmadiyya-Gemeinde, plant die erste Moschee im Stadtteil Marbach.https://t.co/CKZuXjUNrmpic.twitter.com/QdPLDLfkl0
— Sputnik Deutschland (@de_sputnik) 16. März 2017
Imam Arif sagte im Interview zu solchen Vorwürfen: „Natürlich gibt es auch Abneigung, gibt es Bürger, die Bedenken haben.“ Diese könnten aber wie bei anderen bereits gebauten Moscheen ausgeräumt werden, gab er sich zuversichtlich. „Von keiner unserer Moscheen ist jemals etwas Negatives oder irgendeine Gefahr ausgegangen. So wird das auch in Erfurt der Fall sein.“ Das geplante Gotteshaus werde eine „Begegnungsstätte für die Gesellschaft und zum Frieden beitragen“.
Gute Kontakte zwischen Christen und Moslems in Erfurt
Von guten Kontakten zur Ahmadiyya-Gemeinde berichtete Ricklef Münnich, Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Erfurt-Marbach. Für ihn sind die Kreuze „kein gutes Zeichen“. Es gebe „keine Anlässe, zehn Kreuze in den Boden zu rammen als Kampfzeichen“. „Das Kreuz Jesu steht eigentlich für Liebe und für Nächsten- und auch Feindesliebe!“ Münnich verwies auf die Religionsfreiheit: „Diese Freiheit gibt es nach dem Grundgesetz nicht nur für Christen, auch für Juden und Muslime. Von daher unterstützen wir das Recht, dass die Ahmadiyya-Gemeinde hier ihre Moschee errichten kann.“
Die Meinungen für und gegen den Bau würden aber auch „mitten durch die Kirchengemeinde“ gehen. Das ist für den Pfarrer allerdings „völlig in Ordnung“. Er setzt auf das Miteinanderreden und warnte davor, die Ahmadiyya-Gemeinde auszugrenzen. Es gebe in Erfurt gute Kontakte zwischen Christen und Moslems, auch einen interreligiösen Gesprächskreis.
Grundsätzlicher Konflikt um erste Moschee in Thüringen
Pfarrer Münnich verwies auf äußere Interessen bei dem Konflikt in seiner Nachbarschaft: „Ich denke, da werden die Marbacherinnen und Marbacher auch missbraucht für andere und viel größere Interessen von außerhalb.“ Die geplante Moschee in der Landeshauptstadt sei überhaupt die erste, die in Thüringen entstehen soll. Die Proteste dagegen mit den Kreuzen, vermutete er, „sollen ein Fanal werden: Wir verhindern das, dass der Islam überhaupt anfängt sich hier auszubreiten!“ Doch: „Es ist durchaus nicht so, dass wir hier – wie einige fürchten – vom Islam überfremdet werden.“ Pfarrer Münnich befürchtet aber, dass es weitere Auseinandersetzungen gibt, wenn der Grundstein für die Moschee gelegt wurde.
Er kritisierte, dass die Eigentümer der Baufläche spät auf die Kreuz-Aktion reagierten. Auch die Stadt halte sich „viel zu sehr bedeckt“. Erfurt habe keine rechtliche Handhabe, weil die Kreuze auf einer privaten Fläche stünden, erklärte Inga Hettstedt, Pressesprecherin der Landeshauptstadt, auf Anfrage. Die Eigentümer seien aber über die aufgestellten Kreuze informiert worden. «Die Stadt Erfurt steht dem geplanten Bau der Moschee der Ahmadiyya Gemeinde aufgeschlossen gegenüber.“ Das hatte OB Bausewein bereits 2016 erklärt, als die Anfrage zum Bau bekannt wurde. Bausewein habe sich bei einer Bürgerversammlung in Erfurt-Marbach im Juni 2016 den Fragen der Bürger zum Moscheebau gestellt, berichtete Hettstedt.
Dialog als Mittel gegen Missverständnisse
Die Stadt nehme das „hohe Gut der Religionsfreiheit“ ernst und achte es. Gegen die Kreuze könne die Stadtverwaltung nicht vorgehen, auch weil die „mitten auf dem Acker“ stünden und „nicht irgendwelche Gefahren von diesen Kreuzen ausgehen“. An der Haltung des OB zum Moschee-Bau habe sich nichts geändert, betonte die Sprecherin. Bei der „mehr als vollen“ Bürgerversammlung in dem Ortsteil seien die Bedenken der Menschen vor Ort zur Sprache gebracht worden. Es sei nicht mehr notwendig, „mit Menschen zu reden, die zum Großteil nicht aus Erfurt kommen, geschweige denn aus dem Ortsteil Marbach“, sagte sie mit Blick auf die Kreuz-Aktivisten.
Hettstedt sieht die Wurzeln des Konfliktes aber weniger außerhalb der Stadt und meinte: „Hier muss einfach sehr viel geredet werden und noch aufeinander zugegangen werden.“ Die Pläne für die kleine Moschee mit einem acht Meter hohen Minarett müssten noch besser kommuniziert werden. „Ganz konfliktfrei“ werde das Vorhaben nicht ablaufen, vermutete die Sprecherin. Die Erfahrungen aus anderen Städten zeigten, dass die ersten Proteste gegen solche Projekte sich „zum größten Teil gelegt“ hätten, nachdem mit dem Bau begonnen wurde und die Menschen auch die Moschee-Bauer kennengelernt hätten. „Die katholische und die evangelische Gemeinde leisten da auch einen wichtigen Beitrag und zeigen, dass man im gemeinsamen Dialog auch viele Missverständnisse aus dem Weg räumen kann.“