Stichwahlen in Ecuador: Lenin Moreno führt Umfragen deutlich an – Correa warnt vor Provokationen

Nach bisherigen Umfragen zur Stichwahl in Ecuador liegt der Präsidentschaftskandidat Lenin Moreno von der regierenden Alianza País stabil vorn. Die aggressive Kampagne der Opposition und ihre utopischen Wahlversprechen verlieren an Wirkung.

von Maria Müller, Montevideo

Der scheidende Präsident Rafael Correa warnt allerdings vor voreiligem Optimismus. Vor allem aber gibt er zu bedenken, dass es auch im Falle eines eindeutigen Wahlausgangs zu Unwägbarkeiten kommen könnte. Insbesondere argwöhnt er, dass die Opposition das Ergebnis der Stichwahl nicht anerkennen werde:

Sie werden wieder einen angeblichen Wahlbetrug verkünden, ohne auch nur eine einzige offizielle Beschwerde einzureichen, genauso wie beim letzten Mal.

Die letzte Erhebung des Instituts Perfiles de Opinión (Meinungsprofil) vom 11. März ergab 51,02 Prozent für Moreno gegenüber 35,53 Prozent für den Oppositionskandidaten Guillermo Lasso aus dem neoliberalen Lager. Das Institut untersuchte dazu die Stimmung unter sechstausend Wählern aus 23 Provinzen Ecuadors.

Indigene Funktionäre rufen zur Wahl Lassos auf — Basis rebelliert

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits 86,7 Prozent für ihren Kandidaten entschieden. Immerhin gibt es noch 7,2 Prozent Stimmberechtigte, die den Wahlzettel leer abgeben wollen, weitere 6,2 Prozent wollen sich nicht beteiligen. Wobei, wie jüngste Beispiele in Lateinamerika zeigten, alle Meinungsforschungen mit Vorsicht zu genießen sind. Insgesamt gibt es in Ecuador 12,8 Millionen Wahlberechtigte.

Vor allem in den Provinzen kann Lenin Moreno aber in jedem Fall mit einem klaren Vorsprung rechnen – dort lebt die ärmere Bevölkerung Ecuadors, deren Lebensbedingungen sich unter der Regierung Correa entscheidend verbessert haben.

Hingegen haben umstrittene Bergbau- und Infrastrukturprojekte im Amazonasgebiet und deren Folgeschäden für Umwelt und Landbesitz der indigenen Bevölkerung dazu geführt, dass dort die Oppositionsstimmen anwachsen. Im Amazonas hat der frühere Bankier Guillermo Lasso der Partei CREO-SUMA einen leichten Vorsprung von 43,89 Prozent gegenüber 43,78 Prozent für Lenin Moreno.

Wahlumfragen dürfen noch bis zum 22. März durchgeführt werden, danach sind sie nach den Vorgaben des Nationalen Wahlrates verboten. Man fürchtet, sie könnten eine Suggestiv-Wirkung auf den Wählerwillen ausüben.

Die führenden Vertreter mehrerer Organisationen für die indigenen Stämme haben dazu aufgerufen, den oppositionellen Guillermo Lasso zu unterstützen, was vielerorts von deren Basismitgliedern entrüstet zurückgewiesen wurde.

Wir wurden nicht konsultiert. Seit Jahrzehnten kämpfen wir für unsere Umwelt und für soziale Gerechtigkeit. Diese Bewegung hat Alianza País geschaffen und an die Regierung gebracht. Wir werden das politische Bündnis jetzt nicht verraten»,

verkündete beispielsweise Carlos Saitán, der Sprecher einer Basisgruppe der Organisation CONAIE.

Moreno will Gründerkultur und soziale Marktwirtschaft

Der Kandidat Lenin Moreno setzt auf eine soziale Marktwirtschaft und auf die Förderung vor allem junger Menschen, die er dazu aufruft, sich ihre eigenen Arbeitsplätze zu schaffen. Sie sollen sich selbstständig machen, kleine und mittlere Unternehmen gründen und dazu beitragen, die Wirtschaft wiederzubeleben. Langfristige Kredite mit niedrigen Zinsraten sollen dazu den Weg eben.

Spezielle Beratungszentren sollen Jung-Unternehmern unbürokratisch zur Seite stehen. Das Ziel sei es, auf diese Weise 85.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Insgesamt will Moreno bis zum Ende seiner Amtszeit 200.000 neue Arbeitsstellen entstehen sehen.

Ein anderer Schwerpunkt seiner Kampagne ist das Thema der Sozialversicherung. Diese will Moreno noch stärker ausweiten, so dass niemand mehr in Ecuador ohne soziale Absicherung leben muss. Das betrifft derzeit vor allem die so genannten autonomen Arbeiter im informellen Bereich, wie z. B. Verkäufer auf den Märkten, Gelegenheitsarbeiter in der Landwirtschaft, traditionelle Kunsthandwerker und viele mehr. Sie alle sollen nun erfasst und in das Sozialsystem integriert werden.

Rafael Correas ehrgeizige Zukunftspläne für eine Wirtschaft, die sich vom extraktiven Rohstoffexport und der Agrarwirtschaft hin zur Produktion von Hochtechnologien entwickelt und damit auf dem globalen Markt konkurrenzfähig sein will, möchte Lenin Moreno ungebrochen weiterführen.

Lasso will durch Billiglöhne Investoren anlocken

Der Kandidat Guillermo Lasso dagegen verspricht eine Million neuer Arbeitsplätze – während laut Statistischem Amt die Zahl der Arbeitslosen im eben erst zu Ende gegangenen Jahr 2016 lediglich 410.441 betrug. Des Weiteren befürwortet er ein neoliberales Konzept im Stile von Argentiniens Mauricio Macri.

Dieses sieht eine einschneidende Reform des Arbeitsrechts vor, um Arbeitsverträge zu flexibilisieren, Arbeitszeiten und Gehälter zu kürzen, den Kündigungsschutz aufzuheben und um vor allem bei jungen Arbeitnehmern prekäre Einstellungsbedingungen durchzusetzen. Ausländische Investitionen will Lasso damit über Billiglöhne ins Land holen. Lasso verspricht auch die Abschaffung der Steuern, was die gleichzeitig von ihm versprochenen Sozialleistungen rechnerisch unmöglich macht.

Lenin Moreno und die Alianza Pais haben nach dem Ende des ersten Wahlgangs ein Beispiel großer demokratischer Reife gegeben und sofort akzeptiert, dass sie knapp, aber doch den Wahlsieg verfehlt hatten
Moreno kam auf 39,35 Prozent, er hätte exakt 40 Prozent für einen Wahlsieg im ersten Durchgang benötigt.

Die Anhänger von Guillermo Lasso protestierten hingegen lautstark gegen eine angebliche Wahlfälschung und belagerten das Gebäude des Obersten Wahlrates. Es kam zu gewaltsamen Handlungen gegen einzelne Beamte, die schließlich in ein Hotel umzogen, um die Stimmenauszählungen beenden zu können.

Die Warnung Correas vor der möglichen Inszenierung eines innenpolitischen Chaos, um die Wahlergebnisse nicht anerkennen zu müssen, ist durchaus realistisch. Das zeigten die gewaltsamen Straßendemonstrationen der Opposition während der Stimmenauszählungen zum ersten Wahlgang.