Sorgen des Westens über den wachsenden Einfluss Russlands auf dem Balkan

Das EU-Parlament ist besorgt über den wachsenden Einfluss Russlands auf dem Balkan. Serbien wandle sich zum Verbündeten Russlands. Brüssel zeigt sich besorgt, dass eine derartige Entwicklung den Konflikt in der Region wiederentfachen könnte.

 

Militärische Interessen als Primärziel: Der Westen drängt Serbien in ein Bündnis mit Russland

 

David McAllister (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, behauptete gegenüber der Zeitung Die Welt, dass Moskau die Situation auf dem Balkan destabilisiere.

 

Seinen Worten nach ist der Einfluss Russlands überall auf dem Balkan zu spüren. Vor allem sei das aber in Serbien zu sehen, wo Moskau versuche, Medien, Teile der Politik sowie der Zivilgesellschaft […] zu beeinflussen und auf diese Weise eine Destabilisierungspolitik betreibe.

 

Gleichzeitig wird Russland aber in der serbischen Gesellschaft als der größte Unterstützer wahrgenommen. Für die Europäische Union kann das nur bedeuten, dass unser Engagement mithilfe der serbischen Politik sowie der Zivilgesellschaft noch sichtbarer gemacht werden muss», so McAllister.

 

Er erinnerte daran, dass die EU bis zum Jahr 2020 vorhat, Finanzhilfe im Umfang von 1,5 Milliarden Euro an Belgrad zu zahlen. Auch wenn Brüssel damit heute der Hauptsponsor Serbiens ist, scheint sich dieses immer mehr von der EU-Integration wegzubewegen.

 

Neben Russland versuchen auch die Türkei, China, Saudi-Arabien und Katar, ihren Einfluss auf dem Balkan auszubauen. «Der Balkan ist eine hochbrisante Region, wo in kürzester Zeit durch unverantwortliches Handeln längst überwunden geglaubte Konflikte wieder aufleben können», sagte McAllister weiter.

 

Die festgefahrene Integration

 

Die EU-Integration der ehemaligen jugoslawischen Staaten begann offiziell im Jahr 2003. Den Grundstein dafür legte das Gipfeltreffen im griechischen Thessaloniki. Brüssel lud damals die Balkanstaaten Serbien, Montenegro (damals noch als Staat «Serbien und Montenegro»), Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Mazedonien und Albanien in das «gemeinsame Haus» ein.

 

Jedoch folgte der Einladung keine Ausarbeitung konkreter Dokumente, die bestimmte Integrationsschritte und Finanzhilfen zu Gunsten von Strukturreformen in den einzelnen Ländern festgelegt hätten. Stattdessen stellte die EU Forderungen auf: die Bereitschaft zur Auslieferung aller Feldkommandanten des jugoslawischen Bürgerkrieges an den Internationalen Strafgerichtshof, die Durchführung radikaler Wirtschaftsreformen und die Bekämpfung von Korruption.

 

Kroatien ist bisher das einzige von den genannten Ländern, das der EU beigetreten ist. Mitte des Jahres 2004 bekam die Republik den Status des Beitrittskandidaten zugebilligt, doch die Verhandlungen zogen sich hin. Im Jahr darauf versprach Brüssel den Kroaten, ihr Land zwischen 2010 und 2012 in die EU aufzunehmen. Schlussendlich wurde Kroatien am 1. Juli 2013 EU-Mitglied.

 

Das Land war dabei einen harten Weg gegangen, auch wenn es deutliche Steigerungsraten des BIP verzeichnete. Serbien und die anderen Staaten der Region können derartige wirtschaftliche Erfolge nicht vorweisen und kommen beim Erfüllen ihrer Versprechen gegenüber Brüssel nur langsam voran.

 

Die EU-Integration selbst hat sich hingegen seit langem festgefahren, was auch die inneren Krisen der Vereinigung zeigen. Doch die Machthaber in Brüssel möchten dies nicht wahrhaben und setzen ihre aufmunternden Worte und Gesten den Balkanstaaten gegenüber fort.

 

Anfang März kam Federica Mogherini, die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, nach Belgrad. Während ihres Auftritts vor dem serbischen Parlament sprach sie wieder vom Platz Serbiens und dessen Nachbarn im «gemeinsamen Haus Europa», nannte aber keine Zeiträume, wann die Länder die Mitgliedschaft erhalten könnten.

 

Meine Nachricht an Serbien und die anderen Staaten in der Region ist wie folgt: Die EU soll in der Zukunft nicht aus 27 Staaten bestehen. Anstelle eines Landes, das die EU verlässt, treten neue Länder bei. Und Serbien wird eines von ihnen sein. Ich bin der Meinung, dass die EU nicht vollständig ist, solange Serbien und die anderen Staaten des Westbalkans nicht Teil unserer Familie geworden sind. Der Balkan ist das Herz Europas», sagte Mogherini.

 

Ausländische Medien bezeichneten die Gespräche, die die EU-Beamtin mit dem serbischen Präsident führte, als gescheitert, da die beiden Politiker keine gemeinsame Pressemitteilung veröffentlichten. Außerdem verhielten sich einige serbische Parlamentsmitglieder dem Auftritt Mogherinis gegenüber sehr kritisch. Sie empfingen sie mit Anti-EU-Parolen und Transparenten auf denen «Serbien, traue Brüssel nicht!» stand.

 

Die Teilung Kosovos

 

Die Unzufriedenheit reicht aber bis in die herrschende Elite Serbiens, die dem Westen gegenüber loyal eingestellt. Und sie ist vollkommen nachvollziehbar. Seit März 2012 ist Serbien EU-Beitrittskandidat, jedoch hat sich seither in der Richtung kaum mehr etwas getan. Brüssel hat es nicht eilig, die zugesagten Finanzhilfen bereitzustellen und Belgrad schiebt die Reformen vor sich her, die die Wirtschaft des Landes stärken sollen.

 

Außerdem sind die serbischen Behörden mit der Sicherheitssituation in der Region unzufrieden. Aufgrund der Kriege mit abtrünnigen ehemaligen Teilrepubliken Jugoslawiens und den albanischen Separatisten in den 1990er Jahren hat Serbien bis heute angespannte Beziehungen zu seinen Nachbarstaaten. Im Prinzip wurden die Konflikte der 1990er Jahre auch lediglich durch den Druck westlicher Diplomatie eingefroren. Die Unstimmigkeiten zwischen den Serben und den anderen Balkanvölkern wurden bis heute nicht beigelegt.

 

 

Vor allem im Kosovo und in Metochien bleibt die Situation sehr angespannt. Im Jahr 2008 erklärten albanische Nationalisten die Unabhängigkeit dieser autonomen Region Serbiens. Die USA zusammen mit vielen europäischen Staaten unterstützten diese Entscheidung. Damit ermöglichten sie es der Republik Kosovo, den Status eines teilweise anerkannten Staates zu bekommen. Verständlicherweise konnte sich Belgrad in dieser Frage nicht mit dem Vorgehen des Westens einverstanden erklären.

 

Die EU sprach sich jedoch selbst die Schiedsrichterrolle im Kosovokonflikt zu und nutzte das Interesse serbischer Politiker an der EU-Integration für die eigenen Ziele aus. Am 19. April 2013 kam es durch eine Schlichtung Brüssels zwischen Belgrad und Pristina zu einer Einigung über die Prinzipien einer Normalisierung der Beziehungen.

 

Anfang 2017 kam es jedoch erneut zu Spannungen, die den zerbrechlichen Frieden gefährdeten. Am 14. Januar fuhr ein Zug mit der Aufschrift «Kosovo ist ein Teil Serbiens» vom Belgrader Bahnhof in Richtung der abtrünnigen Region ab. Pristina entsandt darauf Polizeikräfte, um die Besatzung des Zuges festzunehmen, woraufhin das Verteidigungsministerium Serbiens seine Streitkräfte an der Grenze des autonomen Gebietes zusammenzog.

 

Im Februar segnete das Parlament des Kosovo einen Gesetzentwurf über die Formierung vollwertiger Streitkräfte ab, die auch als Strafverfolgungsbehörden agieren sollen. Anfang März führte auch der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg Gespräche mit der Führung im Kosovo.

 

Hilfe und Dankbarkeit

 

Die NATO erntet heute die Früchte ihrer Politik, die sie im Laufe der 1990er mit der Unterstützung des Zerfalls Jugoslawiens und insbesondere der albanischen Separatisten gesät hatte. Zurzeit ist die Allianz jedoch nicht an einem neuerlichen Aufflammen des Kosovokonflikts interessiert.

 

Die Sorgen Stoltenbergs und der EU sind verständlich, denn die serbische Armee wird zurzeit mit der Unterstützung Moskaus wiederaufgebaut. Außerdem tauchen immer mehr Graffitis an den Wänden von Gebäuden in Serbien auf, die den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, darstellen.

 

 

Ende Juni 2016 erhielt Belgrad von Russland zwei Militärtransporthubschrauber des Typs Mi-17B-5. Der Premierminister Serbiens Aleksandar Vučić merkte an, dass es die erste Lieferung von Hubschraubern nach 36 Jahren sei, die das Land erhalten habe. Ende Dezember letzten Jahres bestätigte die russische Führung in Moskau eine kostenlose Übergabe von sechs MiG-29 Kampfflugzeugen, 30 T-72S Panzern, und 30 BRDM-2 Aufklärungsfahrzeugen an Serbien.

 

Die Gesamtsumme des Geschenks schätzte Vučić auf ungefähr 600 Millionen Euro ein, was 80 Prozent des Verteidigungsbudgets des Landes ausmacht. Serbien machte deutlich, dass es sehr auf die Unterstützung Russlands bei der Festigung seines Verteidigungspotenzials hoffe.

 

Kosovos Präsident Hashim Thaçi verdächtigt Russland und Serbien seinerseits der Vorbereitung eines Plans zur «Annexion des nördlichen Teils des Kosovo», in dem überwiegend Serben leben. Dies soll seinen Worten nach «gemäß dem Krim-Szenario» ablaufen.

 

Ende Februar veröffentlichte auch The Economist einen Artikel, in dem behauptet wird, dass Russland seinen ehemaligen Einfluss auf dem Balkan wiederherstelle.

 

Im Text heißt es, dass Russland den Serben beim Entschärfen von Minen und der Bekämpfung von Naturkatastrophen helfe. Finanzielle Unterstützung bekomme Belgrad keine. Es sollen aber Mittel an über 100 NGOs fließen, die eine gute Beziehung zu Russland propagieren sollen.

 

Außerdem breitet sich im Westen die Meinung aus, dass Russland hinter den jüngsten Unruhen in Montenegro stecke. Dadurch versuche Russland angeblich, den Beitritt des kleinen Balkanstaates zur NATO zu verhindern. Damit zusammenhängende Verschwörungstheorien stellen manchmal sogar jegliche menschliche Logik vor schier unlösbare Denksportaufgaben.

 

Ein anderes Beispiel für die Situation illustriert der Auftritt des US-Senators John McCain vor dem US-Senat Mitte März dieses Jahres. Der Politiker beschuldigte diejenigen, die gegen die Aufnahme Montenegros stimmten, diese würden «für Wladimir Putin arbeiten». Als einer dieser «Kremlagenten» outete sich der US-Senator für Kentucky, Rand Paul, der den Saal während der Sitzung verließ.

 

Annäherungsprozess

 

Gleichzeitig verbessern sich auch die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Serbien.

 

Im Vorjahr wuchs der bilaterale Warenaustausch auf mindestens 1,7 Milliarden US-Dollar, wobei sich der serbische Export nach Russland um mehr als neun Prozent vergrößerte. Serbien weigerte sich zudem, an den Russlandsanktionen teilzunehmen und übernahm einen Teil der freigewordenen Nische im Nahrungsmittelimport Russlands aus der EU.

 

Aleksandr Tschepurin, der russische Botschafter in Serbien, ist sich sicher, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Staaten ein riesiges Potenzial hat.

 

Das Jahr 2016 wird zu einem Jahr, in dem das Wachstum des serbischen Exports nach Russland wieder ansteigt. Und das Jahr 2017 soll zum Jahr eines deutlichen Wachstums des gesamten Warenaustauschs werden. Die Voraussetzungen dafür existieren», teilte Tschepurin im Dezember letzten Jahres mit.

 

Irina Rudnewa, eine führende Mitarbeiterin des Zentrums der Erforschung der modernen Balkankrise am Slawistikinstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften, ist der Meinung, dass der Westen den Einfluss Russlands auf dem Balkan bewusst aufbauscht.

 

Die USA und die EU verängstigen ihr zufolge die Balkanstaaten mit der Beschwöruing einer Gefahr aus Russland, um ihren Druck auf sie und vor allem auf Serbien in der Kosovofrage zu rechtfertigen.

 

Die Bemühungen des Westens richten sich auf die Erlangung der Kontrolle über das Kosovo. Vor allem spielen militärische Interessen dabei eine Rolle. Einerseits wollen die USA und die EU weder eine Teilung des autonomen Gebietes, noch eine Eskalation des Konfliktes im Kosovo. Andererseits unterstützen sie die Ansprüche der Regierung in Pristina auf die nördlichen und von Serben bewohnten Gebiete», erklärte die Expertin in einem Gespräch mit RT.

 

Weiter hieß es: «Die Beschuldigungen gegen Russland haben das Ziel, die Serben davon abzubringen, Unterstützung in Moskau zu suchen. Die Serben sind aber gezwungen, dies zu tun und stehen daher unter einem sehr großen Druck vonseiten Washingtons und Brüssels.»

 

Die Tendenz zu Russland, die in Serbien zu beobachten ist, passiert auf eine natürliche Weise. Das ist der Versuch die eigene Souveränität zu schützen», unterstrich Rudnewa.

 

Sie betonte jedoch, dass man sich der Illusion einer baldigen Allianz zwischen Russland und Serbien nicht hingeben sollte: «Die westliche Politik drängt die Serben in die russische Richtung, aber man muss verstehen, dass für Belgrad die Beziehungen zur EU immer noch an erster Stelle stehen. Die serbische Führung versucht, neutral zu bleiben, zwischen den Machtpolen zu manövrieren und auf diese Weise Gewinne auf beiden Seiten einzufahren.»

 

Quelle: RT