Experte: Es gibt keinen Strategiewechsel der US-Politik im Krieg in Syrien

 

Es gibt keinen Strategiewechsel der US-Politik im Krieg in Syrien. Das sagt der Politologe und USA-Experte Martin Thunert. Für ihn ist der Angriff auf eine syrische Luftwaffen-Basis vom 7. April eine Machtdemonstration. Er sieht darin Absicht und meint: Für US-Präsident Donald Trump hat der Angriff positive Effekte, zumindest im eigenen Land.

 

 

Die „Antwort“ des Weißen Hauses auf die angebliche Giftgas-Attacke der syrischen Regierungstruppen am 4. April bei Idlib kam für manche Beobachter überraschend. Der US-Angriff auf Syrien scheint nicht recht mit der bisherigen Linie von Donald Trump zusammenzupassen. Dieser hatte sich bisher immer gegen eine Einmischung in Syrien ausgesprochen. Zudem gab es Signale aus dem Weißen Haus, dass es nicht mehr um einen Regime Change in Syrien gehe.

Der Amerika-Experte Dr. Martin Thunert von dem Heidelberg Center for American Studies sieht im Vorgehen Trumps keinen Hinweis auf einen generellen Strategiewechsel. „Ich würde noch nicht sagen, dass es ein Strategiewechsel ist, der auf Regimechange hindeutet, sondern erstmal eine Antwort auf die Überschreitung einer Linie aus US-Sicht, nämlich den Einsatz chemischer Kampfstoffe gegen Zivilisten.“ Für den Experten handelte es sich um eine sehr wohl abgewogene Entscheidung des US-Präsidenten und seiner Berater in der Nacht zum 7. April.

„Ich glaube nicht, dass sie unüberlegt ist. Ich denke, Trump hat seinen Sicherheitsstab, vor allem Sicherheitsberater McMaster und auch den Verteidigungsminister Mattis gebeten, ihm Optionen zu geben, wie er reagieren kann auf diesen mutmaßlichen Giftgaseinsatz. Die haben ihm drei Lösungen gegeben und er hat sich für die entschieden, von der er glaubt, dass es die direkte Antwort darauf ist, ohne daraus weitergehende strategische Erwägungen abzuleiten. Dass das alles geschieht, während der chinesische Präsident mit ihm in Mar-a-Lago konferiert, ist natürlich auch eine Machtdemonstration. Trump brauchte natürlich Erfolge und das muss man auch in diesem Kontext sehen.“

Dass die USA den Schlag gegen den syrischen Stützpunkt im Alleingang ausgeführt haben, sei nicht per se ein Zeichen dafür, dass die Verbündeten in der NATO nicht mehr wichtig seien. Das hätte der US-Präsident auch ohne deren Zustimmung befohlen, meinte Thunert im Gespräch. Er ist sich außerdem sicher, dass darauf geachtet wurde, eine direkte Konfrontation mit Russland zu vermeiden.

Syrien-Luftschlag als Imagepolitur für Trump

In den USA habe kaum jemand Zweifel daran, dass es die Assad-Regierung gewesen sei, die Giftgas gegen die Zivilisten in Chan Scheichun eingesetzt und den Tod von 80 Menschen zu verantworten habe. Kritik an dem Angriff auf den syrischen Stützpunkt abfeuern gebe es zwar auch innerhalb der USA, erklärte der Experte. Diese beziehe sich jedoch weniger auf die völkerrechtlichen Gesichtspunkte:

„Die Kritik hier im Land, sofern sie kommt, ist weniger eine völkerrechtliche, sondern die, dass er den Kongress nicht um Autorisierung gebeten hat. Die Demokraten, die Minderheitsführerin Pelosi im Repräsentantenhaus haben gesagt, er hätte den Kongress vorher unbedingt um Zustimmung bitten müssen. Trump sagt, dass es ein Akt der nationalen Sicherheit war und dass der Präsident hier unilateral losschlagen kann. Hier ist die Debatte im Gange, ab wann oder ob der Präsident den Kongress hätte einbinden müssen in die Aktion.“

In den ersten Monaten seiner Amtszeit habe Trump einen schwachen Start hingelegt, so Thunert weiter. Die Zustimmungsrate von unter 40 Prozent, die er in der Bevölkerung habe, sei für einen neuen Präsidenten sehr niedrig. Auch die Gerüchte um mögliche Beziehungen zu Russland hätten ihn unter Druck gesetzt.

„Diese Antwort auf den mutmaßlichen Giftgas-Einsatz und der Besuch des chinesischen Präsidenten, auch der Erfolg bei der Supreme Court-Besetzung könnten für in dieser Hinsicht zumindest dazu beitragen, dass ein Negativlauf gestoppt wird, vielleicht sogar eine Wende erfolgt.“ Es bleibe aber abzuwarten, wie sich die Stimmung in den USA entwickle. Noch sei Trump angeschlagen wegen der gescheiterten Rücknahme der Obama-Gesundheitsreform. „Er braucht jetzt, glaube ich, Erfolgserlebnisse“, betonte der Experte. „Wenn es zu einer Wende kommt, dann war jetzt diese zweite Wochenhälfte für ihn sicherlich die positivste, seit er im Amt ist.“

Angeknackste Russland-Beziehungen und Drohung Richtung Nordkorea

Einen direkten Zusammenstoß mit Russland werde Trump weiterhin um jeden Preis verhindern wollen, meinte Thunert. Dass Moskau beim US-Angriff auf den syrischen Stützpunkt nicht eingegriffen habe, wertete er als Zeichen dafür, dass Putin die Situation nicht eskalieren lassen möchte. Die diplomatischen Beziehungen seien natürlich beschädigt und daher sei es umso wichtiger, dass beide Präsidenten sich möglichst bald persönlich treffen.

„Allerdings wird dieser Schlag einige Good will-Handlungen beider Seiten erfordern. Die Russen haben gesagt, dass sie die Verhandlungen über Systeme, die Flugzeugannäherungen melden, erst einmal aussetzen. Und sicherlich wird es jetzt im Nato-Russland-Rat nicht weitergehen, das wird uns einige Wochen zurückwerfen. Aber wenn jetzt keine weiteren größeren Aktionen in Syrien mehr kommen von Seiten der Amerikaner, dann wird sich das doch einigermaßen entspannte Verhältnis zwischen Russland und den USA vielleicht doch fortsetzen können.“

Thunert verwies auf einen weiteren Aspekt: Nordkorea sollte zu verstehen gegeben werden, dass die USA nicht tatenlos zusehen würden, wenn Pjöngjang  sein Atomprogramm weiter betreibe und mit Raketentests gegen UN-Resolutionen verstoße.

 

Quelle: Sputnik