Präsidentenwahl in Frankreich im Schatten des Terrors

Unter dem Eindruck eines Anschlags im Zentrum von Paris geht Frankreich in die europaweit mit Spannung erwartete Präsidentenwahl.

An den Märkten sorgten die tödlichen Schüsse eines offenbar von der Islamistenmiliz IS gelenkten Täters auf einen Polizisten für zusätzliche Nervosität. Die Anspannung ist wegen der Unsicherheit über die künftige politische Ausrichtung des EU-Gründungsstaates bereits hoch. Denn in Umfragen für die am Sonntag anstehende ersten Wahlrunde liegen vier Kandidaten eng beieinander — darunter die rechtsextreme Euro-Gegnerin Marine Le Pen sowie der linke EU-Skeptiker Jean-Luc Melenchon. Favorit ist der sozialliberale Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Dem Anhänger der europäischen Integration werden auch für die am 7. Mai anstehende Stichwahl beste Chancen eingeräumt.

Der Anschlag auf den Champs Elysees, bei dem am Donnerstagabend auch eine deutsche Touristin und zwei Polizisten verletzt wurden, rückt die Debatte über die innere Sicherheit in den Mittelpunkt des Wahlkampfs: Der in jüngsten Umfragen mit 21 Prozent nur noch zwei Punkte hinter Macron rangierende konservative Kandidat Francois Fillon sagte, der Kampf gegen «islamischen Totalitarismus» müsse die Priorität des nächsten Präsidenten sein. Trotz der Scheinbeschäftigungsaffäre um seine Frau ist der Ex-Ministerpräsident nun in den Umfragen wieder auf Schlagdistanz zu den Führenden.

US-Präsident Donald Trump rechnet damit, dass der jüngste Anschlag einen «großen Effekt» auf die Wahl haben wird.

«Eine weitere Terrorattacke in Paris. Das französische Volk wird das nicht mehr lange hinnehmen», twitterte er.

Frankreich befindet sich seit Jahren im Visier radikaler Islamisten: Für Aufsehen im Wahlkampf sorgte jüngst auch ein Anschlagsplan, der durch die Festnahme zweier Verdächtiger in Marseille vereitelt wurde.

Umfragen, die vor der jüngsten Gewalttat in Paris erhoben wurden, sahen für die erste Wahlrunde einen denkbar knappen Ausgang voraus. Einer Umfrage des Instituts Opinionway zufolge kommt der parteiunabhängige Kandidat Macron auf 23 Prozent. Die Chefin des rechtsextremen Front National(FN), Le Pen, kann demnach mit 22 Prozent rechnen. Dahinter folgen Fillon (21 Prozent) und Melenchon mit 18 Prozent.

«KILLER-SZENARIO»: LINKSAUSSEN GEGEN RECHTSEXTREME

Der Euro fiel nach der Veröffentlichung der neuen Umfragen um 0,2 Prozent auf ein Tagestief von 1,0689 Dollar:

«Die Nervosität bei Anlegern wegen der Wahlen ist groß», sagte Devisenspezialistin Esther Reichelt von der Commerzbank. Die Märkte treibt vor allem die Sorge um, dass es in einem Stichentscheid zu einer Wahl zwischen Le Pen und dem Linksaußen Melenchon kommen könnte: «Das Killer-Szenario für den Euro wäre, wenn diese beiden zur Stichwahl antreten», warnt Analyst Neil Wilson vom Brokerhaus ETX Capital. «Dies würde einen Ausstieg Frankreichs aus dem Euro wahrscheinlich machen.»

Melenchon will als Präsident ein Referendum über einen EU-Austritt abhalten lassen, sollten Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere EU-Regierungschefs sich einem radikalen Kurswechsel weg von der Sparpolitik widersetzen.

Am 7. Mai treten die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen zur Stichwahl an. Wenn die Meinungsforscher nicht irren, dürfte das Macron und Le Pen sein. Der 39-jährige politische Senkrechtstarter, der in kürzester Zeit die Bewegung ‘En Marche’ (Vorwärts) auf die Beine gestellt hat, will mit einer pro-europäischen Agenda den Sieg einfahren. Le Pen geht es hingegen darum, den Euro in Frankreich abzuschaffen und das Volk über die EU-Mitgliedschaft abstimmen lassen

Die Tochter des FN-Gründers Jean-Marie Le Pen wiederholte nach der Bluttat von Paris ihre Forderung, alle von den Geheimdiensten des Landes überwachten Ausländer sofort abzuschieben. Außerdem sollten die Grenzkontrollen wieder eingeführt werden. Le Pen hat im Wahlkampfendspurt bereits stärker auf das Thema Immigration gesetzt und vor einer «Migrantenflut» gewarnt. Die FN-Chefin will alle Moscheen schließen, die im Verdacht stehen, mit dem radikalen Islam in Verbindung zu stehen.

Die Rechtsextreme hat sich auch mehrfach kritisch über das wirtschaftlich starke Deutschland geäußert. Bei einem Einzug in den Elysee-Palast wolle sie nicht «Vizekanzlerin von Angela Merkel» werden und ihr Land nicht zu einer «Region in der EU» absteigen sehen, sagte sie in einer TV-Debatte. In Berlin wie auch in Brüssel dürfte ein Sieg der FN-Chefin die Alarmsirenen schrillen lassen: Ein Triumph einer solchen Kandidatin in einem bedeutenden Gründerstaat würde «die gesamte EU schwer erschüttern», warnte Europa-Staatsminister Michael Roth (SPD) jüngst im Reuters-Interview. Die Europäische Union hat Diplomaten zufolge allerdings keinen «Plan B», falls am Sonntag in Frankreich die beiden Kandidaten mit einer EU-kritischen Haltung in die Stichwahl um das Präsidentenamt einziehen.

Quelle: Reuters