Es liegen die Welten zwischen Deutschland und Saudi-Arabien. Die Unterschiede reichen von Freizügigkeit, Freiheitsrechten, Religionsfreiheit bis zur Verschleierung von Frauen, öffentlichen Auspeitschungen und Strafen bei nichtmuslimischen Glaubensbekundungen in einem autokratischen System.
Aus der Sicht der deutschen Presse, ist dennoch wichtig intensive Gespräche mit dem Saidi-Arabien zu führen. «Dramatisch wichtig» ist das Land mit seinen rund 30 Millionen Einwohnern aus deutscher Regierungssicht für die gesamte konfliktreiche Arabische Welt, meint die Deutsche Presseagentur.
Sie unterstreicht die Rolle von Saudi-Arabien in Syrien-Krieg, wo in der US-geführten Koalition das Königreich offiziell gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kämpft. Sie erwähnt auch Konflikt im benachbarten Jemen, wo das sunnitisch geprägte Saudi-Arabien mit Verbündeten die Streitkräfte der Huthi-Regierung — und inzwischen Tausende von Zivilisten — bombardiert. Die Blockade des Landes verursacht eine in der Weltöffentlichkeit kaum wahrgenommene Hungerkrise.
Die Bundesregierung befürchtet in Jemen weitere Eskalation. Merkel unterstützt die Bemühungen der Vereinten Nationen, dass Saudi-Arabien nicht mit Militärschlägen, sondern mit Politik eine Lösung sucht. Deutschland sei bereit Hilfe im Jemen-Konflikt anzubieten. «Wir können hier sicher unsere Expertise einbringen», fügte sie hinzu. Deutschland habe Erfahrungen im Jemen.
Man konnte dennoch bei diesen Bemühungen keinen Nachdruck feststellen. Die Politik der Sanktionen gegenüber Russland wegen der Ukraine-Krise ist ein Beispiel für diesen Nachdruck, obwohl Russland keine Zivilisten in der Ukraine bombardiert.
Nach Regierungsangaben wurde bei Merkel-Reise immerhin keine Rüstungsgeschäfte mit Saudis besprochen. Der saudische Vize-Wirtschaftsminister Mohammad al-Tuwaidschri sagte dem «Spiegel», dass sein Land künftig auf Waffenlieferungen aus Deutschland verzichten wolle und eine engere generelle — auch wirtschaftliche — Kooperation anstrebe:
Kurz gesagt, wir werden der deutschen Regierung keine Probleme mehr bereiten mit immer neuen Wünschen nach Waffen.
Deutschland engagiert sich weiterhin in der Ausbildung saudischer Sicherheitskräften
So viel Nachsicht für die Deutschen lohnt sich: Die militärische Zusammenarbeit wird im Ausbildungsbereich trotzdem ausgebaut: Die Verteidigungsministerien schließen ein Abkommen zur Ausbildung saudischer Militärangehöriger in Deutschland ab. Neben Soldaten werden die Deutschen künftig auch Polizisten und Grenzschützer verstärkt ausbilden.
Dafür werden saudische Militärangehörige und Sicherheitskräfte künftig nach Deutschland reisen. Auch Frauen sollen künftig ausgebildet werden. Deutschland unterstützt das Königreich bereits seit einigen Jahren beim Grenzschutz.
Deutschland und Saudi-Arabien verabredeten zudem gemeinsame Entwicklungsprojekte in Mali und Niger. Dabei geht es um den Aufbau der Stromversorgung in beiden nordafrikanischen Ländern. Deutschland und die EU wollen Mali und Niger verstärkt unterstützen, weil es beides Transitländer für afrikanische Migranten sind, die in die EU wollen.
Die mitreisende Wirtschaftsdelegation, darunter die Vorstandsvorsitzenden von Siemens, Lufthansa und der Deutschen Bahn strebten Projekte zur Infrastruktur und Digitalisierung an.
Militärische Ehren und Blogger-Schicksal
König Salman empfing Angela Merkel mit militärischen Ehren, er gab zu ihren Ehren ein Mittagessen im Königspalast mit Hunderten von Menschen, mehr als 90 Prozent waren Männer. In Gesprächen mit Merkels Delegationsmitgliedern an den einzelnen Tischen entwickelten sich schnell Diskussionen über Frauenrechte, die kulturelle Vielfalt im Land und den ambitionierten Wirtschaftsumbau «Vision 2030».
Dieser soll Saudi-Arabien unabhängig von dem Rohstoff Erdöl machen, der das Land mit Geld flutete und nun wegen des fallenden Ölpreises und begrenzter Ressourcen schwächt. Das Programm könnte zugleich eine Modernisierung der ultrakonservativen saudischen Gesellschaft bedeuten. Jedenfalls hofften darauf die saudischen Politiker jüngerer Generation in dieser Runde.
Es wird noch Jahre brauchen, bis Frauen die gleichen Rechte wie Männer in Saudi-Arabien haben. Manche wollen das gar nicht erreichen, aber es wird immer mehr darüber gesprochen. Wir haben in den vergangenen 30 Jahren große Fortschritte gemacht. Wir werden sie auch in den nächsten 30 Jahren machen», sagt ein Vize-Gouverneur aus der Region Dschidda.
Vor Merkel-Reise hoffte Ensaf Haidar, die Frau des in Saudi-Arabien inhaftierten Bloggers Raif Badawi, dass Merkel König Salman direkt nach einer Begnadigung ihres Mannes fragt. Er wurde 2014 nach bereits mehrjähriger Haft wegen angeblicher Beleidigung des Islams zu zehn Jahren Gefängnis und 1000 Stockhieben verurteilt. Mit 50 Stockhieben wurde bereits auf ihn eingeprügelt. Sein Vergehen: Er hatte sich für die Gleichbehandlung aller Menschen eingesetzt, unabhängig von Religion und Weltanschauung.
Freihandelsabkommen wieder in Sicht
Angela Merkel machte sich auch für einen baldigen Abschluss eines EU-Freihandelsabkommens mit den Ländern des Golf-Kooperationsrates (GCC) stark.
Ich habe deutlich gemacht, dass aus europäischer Sicht ein Freihandelsabkommen mit den Golfstaaten von großem Interesse wäre», sagte Merkel am Sonntag bei ihrem Saudi-Arabien-Besuch in Dschidda.
Die vor Jahren begonnenen Verhandlungen sind auf Eis gelegt. Aus EU-Sicht sind dafür unter anderem Forderungen Saudi-Arabiens verantwortlich, das Exportzölle auf Rohstoffe behalten möchte.
Die EU hat jetzt angesichts protektionistischer Tendenzen in den USA und den bevorstehenden Brexit-Verhandlungen beschlossen, den Abschluss von Freihandelsabkommen zu beschleunigen.
Quelle: RT