«In den Kopf gestochen und die Kehle durchgeschnitten»

Prien zwischen Fassungslosigkeit und Maibaum-Feierlichkeiten

Prien am Chiemsee — Nach der schrecklichen Bluttat vor einem Supermarkt in der Franziska-Hager-Straße, bei der ein Afghane (29) eine Landsfrau (38) erstach, säumen Blumen und Kerzen den Gehweg. Die kleine Marktgemeinde ist hin- und hergerissen zwischen Trauer, Wut und Maibaum-Feierlichkeiten.

Unfassbare Szenen am Sonntagnachmittag in der Franziska-Hager-Straße in Prien: Passanten sammeln sich am Lidl-Parkplatz und halten weinend inne. Der Schock vom Messermord am Samstagabend auf offener Straße steht ihnen noch deutlich ins Gesicht geschrieben.

«Es war unfassbar schrecklich!»

Eine Prienerin wollte gerade einkaufen und stand am Flaschenautomaten, als die Rangelei am Parkplatz begann und die Situation plötzlich wie aus dem Nichts eskalierte: «Ich hörte angsterfüllte Schreie wie ‘Er hat ein Messer, er will sie abstechen!’ Das war schlimm. Ein mutiger Bürger, ich weiß nicht, ob das der Polizist war, versuchte noch dazwischen zu gehen und die Frau zu retten. Alles war voller Blut, es war unfassbar schrecklich!» Die Prienerin blickt fassungslos auf den Gehweg, stellt die vom Wind umgefallenen Blumenvasen am Gehweg wieder auf. «Dass so etwas auf offener Straße am helllichten Tag passieren kann, das werde ich nie verstehen.»

Ein junger Feuerwehrmann kann es auch noch nicht fassen: «Wir waren am Abend noch da und haben die Blutspuren von der Straße entfernt», erzählt er mit stockender Stimme. Die ganze Nacht habe er nicht schlafen können und hätte Albträume gehabt. «Wenn man nur daran denkt, wie klein Prien ist und jetzt passiert so etwas schon bei uns, das ist unglaublich traurig. Es traut sich ja niemand mehr wirklich aus dem Haus!»

«In den Kopf gestochen und die Kehle durchgeschnitten»

Freunde des Feuerwehrmanns hätten die schrecklichen Szenen beobachtet. Demnach habe der mutmaßliche Täter zunächst auf einer Bank gegenüber des Supermarkt-Eingangs gesessen. Von dort sei er wie aus dem Nichts auf die Frau, die gerade mit dem Einkaufswagen und den beiden Kindern den Supermarkt verließ, losgegangen. «Er sei dann von hinten auf die Frau los, habe ihr in den Kopf gestochen und die Kehle durchgeschnitten. Wie in Trance soll er dann weiter auf sein Opfer eingestochen haben. Eine unfassbar grausame Bluttat!»

Eine junge Mutter legt zusammen mit ihren beiden Kindern Blumen am Ort des grausamen Geschehens nieder: «Ich bin fassungslos», erklärt sie mit gesenktem Kopf. «Das Ganze ist so bereits schlimm genug, aber wenn dann auch noch Kinder involviert sind, nimmt einen das sehr mit. Ich wohne nur fünf Minuten von hier und gehe jeden Tag zum Lidl — ich hätte niemals gedacht, dass so etwas hier in der kleinen beschaulichen Marktgemeinde passieren kann.»

Ein weiterer Priener schildert, er habe wütende Aussagen von Bürgern aufgefasst: «Viele schimpfen jetzt über Merkel und die Flüchtlinge, dabei liegen doch genaue Details der Tat noch komplett im Dunklen. Ich war selber schon oft als Helfer in den Asylbewerberunterkünften unterwegs, kleine Reibereien gab es ab und zu, aber nichts Ernstes. Dass sowas Schlimmes jetzt in Prien geschieht, ist unfassbar.»

«Das war ein gezielter Anschlag!»

Auch Freunde und Angehörige des Opfers kommen zum Ort des Schreckens, ihr Weinen ist markerschütternd. «Das war ein gezielter Anschlag, aber keine Beziehungstat», ist sich eine Bekannte des Opfers sicher. «Brutaler geht es nicht. Ich habe die verstörten Kinder in Empfang genommen.»

Ein Priener kann die Szenen in seiner Heimatgemeinde nicht fassen: «Da bekommt man eine richtige Gänsehaut, so schrecklich ist das alles!»

Kein Verständnis für Maibaum-Feierlichkeiten

Ein Mord auf offener Straße. Angehörige, Freunde und unbeteiligte Menschen trauern — und rund 500 Meter weiter finden die Feierlichkeiten rund um den Maibaum statt. Die trauernden Menschen am Supermarkt haben hierfür kein Verständnis: «Ich könnte heute nicht feiern gehen und Spaß haben.»

Am nahegelegenen Marktplatz steigt einem indes der Geruch von Bratwurst und Leberkäse in die Nase. Die Blasmusik spielt, Trachtler tanzen um den Maibaum. Der Eindruck nach den Szenen am Supermarkt: Verkehrte Welt!

Viele wissen gar nicht, was in der Franziska-Hager-Straße passiert ist. «Ich habe beim Vorbeifahren die Blumen gesehen und dachte, die Frauen dort verkaufen die Blumen», entfährt es einer erschrockenen Prienerin im Dirndl.

Auch Priens Bürgermeister Jürgen Seifert zeigt sich in Tracht und mit seinem Amtskollegen aus der italienischen Partnerstadt aus Valdagno. Neben dem Maibaum-Fest gibt es auch noch das 30-jährige Bestehen der Partnerschaft beider Gemeinden zu feiern. Seifert selbst wurde am Samstagabend über den schrecklichen Mord informiert. «Alles, was ich weiß, ist, dass es sich wohl um eine Beziehungstat handelt. Wenn dem so ist, ist das sehr traurig, schrecklich und tragisch, kann aber leider jederzeit auf der ganzen Welt passieren.»

Prien am Chiemsee ist am 30. April 2017 zwiegespalten: auf der einen Seite Trauer, Verzweiflung und Fassungslosigkeit, auf der anderen Seite ausgelassene Stimmung bei den Feierlichkeiten rund um den Maibaum. 

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