«Kommersant»: Europa beginnt Kampf um russisches Gas

 

Der russische Energiekonzern Gazprom hat verschiedene Optionen für den Bau des zweiten Strangs der Pipeline Turkish Stream nach Europa, schreibt die Zeitung «Kommersant» am Montag.

 

 

Im Rahmen des St. Petersburger internationalen Wirtschaftsforums unterzeichnete der Gasriese in Anwesenheit des italienischen Wirtschaftsministers Carlo Calendo und des für Wirtschaft zuständigen Generalsekretärs des griechischen Außenministeriums, Giorgos Tsipras, ein Abkommen mit den Unternehmen Edison (Italien) und DEPA (Griechenland) zum Bau der Leitung Poseidon, durch die russisches Gas aus der Türkei durch Griechenland nach Italien gepumpt werden soll.

Die genaue Kapazität der neuen Pipeline ist bisher unbekannt, im April hatte der russische Energieminister Alexander Nowak jedoch geäußert, durch ihren Festlandabschnitt in Griechenland könnten 16 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich und durch den nach Italien führenden Meeresteil zwölf Milliarden Kubikmeter gepumpt werden. Damit könnte die Leitung Gas aus dem zweiten Turkish-Stream-Strang bekommen, so dass etwa sechs Milliarden Kubikmeter nach Griechenland und Bulgarien und zehn Milliarden Kubikmeter in den Süden Italiens strömen könnten.
Allerdings gibt es laut Quellen auch eine andere Option: Am 1. Juni schlug der Chef des italienischen Gastransportunternehmens Snam, Marco Alvera, bei einem Treffen mit Gazprom-Chef Alexej Miller vor, das Gas aus dem zweiten Turkish-Stream-Strang nicht durch die Poseidon-Leitung, sondern durch eine Erweiterung der Pipeline TAP zu befördern.

Laut Snam-Experten wäre das fast um 50 Prozent billiger als der Bau von Poseidon. Bei den Ressourcen für die TAP-Leitung geht es um die zweite Baureihe des Gasfeldes Schah Denis (Aserbaidschan). Die Kapazität in Griechenland liegt bei etwa zehn Milliarden Kubikmetern, von denen acht Milliarden Kubikmeter nach Süditalien transportiert werden. Zu den Mitbesitzern gehören SOCAR (20 Prozent), Snam (20 Prozent), Fluxys (19 Prozent), Enagas (16 Prozent) und Axpo (fünf Prozent). Das Projekt wird auf 6,5 Milliarden Dollar geschätzt.

Gazprom gab zu diesen Informationen keinen Kommentar ab, laut Quellen gaben die Russen jedoch Snam zu verstehen, dass für sie TAP eine zusätzliche Option wäre: Die Gazprom-Leitung pflege enge Kontakte mit Edison („Die Partner haben als erste Poseidon angeboten, und es wäre falsch, darauf ohne überzeugende Argumente zu verzichten“). Außerdem könnte die Poseidon-Leitung schneller als ursprünglich geplant gebaut werden, und bei TAP wäre ein Widerstand der EU-Kommission unvermeidlich, die dieses Projekt (Poseidon) immer als Quelle des aserbaidschanischen Gases und eine Alternative für Lieferungen aus Russland betrachtete.

Es ist aber offensichtlich, dass die Poseidon-Pipeline bis Ende 2019 (was optimal für Gazprom wäre, weil zur selben Zeit der zweite Turkish-Stream-Strang gebaut werden soll) wohl nicht gebaut werden kann. Im März hatte Edison-Sprecher Elio Ruggeri angeführt, dass zwei Jahre für die Vorbereitung des Projektes und weitere drei Jahre für den Pipelinebau nötig wären.
Das bedeutet, dass Gazprom bis 2020, wo der aktuelle Transitvertrag mit der Ukraine abläuft, technische Möglichkeiten für den Gastransport von der Turkish-Stream-Leitung nach Bulgarien und Griechenland, aber nicht nach Italien hätte. In diesem Fall würden die Apenninen (wie auch jetzt) aus der Nord-Stream-2-Leitung mit Gas versorgt, während Gazprom den Ukraine-Transit für die Versorgung Ungarns, Serbiens und möglicherweise der Slowakei bräuchte.

Budapest und Belgrad versuchen aktuell, eine solche Entwicklung der Situation zu verhindern, und plädieren für den Zusammenschluss der Pipelinesysteme Bulgariens, Serbiens und Ungarns durch eine neue Leitung, deren Kapazität bei 15 Milliarden Kubikmeter pro Jahr läge. Für Gazprom würde das gemeinsam mit der Poseidon-Leitung das Problem der Gasversorgung der Balkanregion lösen, aber es wäre noch ein dritter Turkish-Stream-Strang nötig. Laut Quellen haben die Russen darüber noch nicht entschieden.

 

Quelle: Sputnik