BERLIN. Die fraktionslose Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Abstimmung zur Homo-Ehe scharf kritisiert. In der Debatte im Bundestag am Freitag über die sogenannte „Ehe für alle“ nannte sie die Art und Weise, wie das Gesetz nun verhandelt werde, eine „Sturzgeburt“. Sie könne den Ärger von Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) über die SPD durchaus verstehen, sagte die ehemalige Unionsabgeordnete. Er ziele mit seiner Kritik jedoch auf die Falschen, so Steinbach.
Es sei die Kanzlerin gewesen, die „mit ihrer wohlkalkulierten Einlassung, daß dies eine Frage des Gewissens sei, die Tür für die überstürzte Entscheidung geöffnet hat“, kritisierte die Fraktionslose in ihrer letzten Rede im Bundestag. Merkel habe sich damit quasi selbst zur Fraktionsvorsitzenden der Union ernannt und sich über das Grundsatzprogramm der CDU hinweggesetzt; das zeige, daß „Beschlüsse der CDU offenkundig nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen.“ Der Vorgang sei „an Peinlichkeit nicht zu überbieten“.
„Änderung der Verfassung ohne Verfassungsänderung“
Steinbach schloß ihre Rede, für die sie von keinem Abgeordneten Beifall bekam, mit der Hoffnung, der nächste Bundestag werde seine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung besser wahrnehmen als der aktuelle. „Wir haben keine Kanzlerdemokratie, sondern eine Parlamentsdemokratie“, betonte die Politikerin.
Eher unüblicherweise meldete sich nach Steinbachs Rede Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zu Wort mit dem Hinweis, was ein Abgeordneter sage und worüber debattiert werde, entscheide keine Partei, sondern der Bundestag und jedes einzelne Mitglied. Das Grundgesetz stütze die Gewissensentscheidung. Als Steinbach etwas entgegnen wollte, beschied er, sie habe nicht mehr das Wort.
Unterdessen bezeichnete der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach das Vorgehen der SPD als „glasklaren Bruch des Koalitionsvertrags“. Die Sozialdemokraten hätten jedoch gewußt, daß von Seiten der Union aus diesem Verhalten keine Konsequenzen mehr gezogen würden, sagte er nach der Abstimmung vor Journalisten im Bundestag. „Dies war heute eine Änderung der Verfassung ohne Verfassungsänderung“ kritisierte Bosbach die Entscheidung für die Ehe für alle.
AfD will eigetragene Lebenspartnerschaft erhalten
Der aus dem Bundestag scheidende konservative Politiker gab zu Bedenken, wie sich diese Abstimmung längerfristig für die CDU auswirken werde. Stammwähler und Basis fragten sich zunehmend, wofür die Partei stehe, wenn ihr der Zeitgeist von vorn ins Gesicht wehe. „Daß es der Union im Wahlkampf schadet, glaube ich nicht“, so Bosbach, „auch wenn jetzt kurzfristig die Grünen etwas profitieren werden.“
Kritik an dem Vorgehen kam auch von der AfD. Deren Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Alice Weidel, sagte der JUNGEN FREIHEIT: „Die heutige Abstimmung hat gezeigt, daß den Bundestagsabgeordneten unsere Verfassung egal ist.“ Dies wäre mit der AfD nicht zu machen gewesen. „Die Ehe ist als Institut verfassungsrechtlich geschützt. Dies möchten wir als Grundgesetzpartei bewahren und die eingetragene Lebenspartnerschaft erhalten“, erläuterte Weidel.
Quelle: Junge Freiheit