Kampf um Mossul vor Ende – Irak vor dem Zerfall

Das irakische Verteidigungsministerium hat den Abschluss des bereits sechs Monate andauernden Kampfes um Mossul angekündigt, schreibt die „Nesawissimaja Gaseta“ am Dienstag.

Allerdings sind dort weiterhin Scharfschützen der Dschihadisten aktiv. Manches Mal sind noch Explosionen von Minenwurfgeschossen und Schusswaffen zu hören. Die Zusammenstöße in der Altstadt mit den dort verbliebenen Extremisten des „Islamischen Staates“ (IS) gehen weiter. So in etwa verhielt es sich auch in Ramadi.

Es ist nicht so wichtig, wie lange in Mossul die letzten Verteidigungsstellungen der Dschihadisten bekämpft werden, wichtig ist etwas anderes – was erwartet den Irak nach der Niederlage des IS und der endgültigen Befreiung des Landes? Es gibt Befürchtungen, dass nach Mossul der Kampf um den Irak beginnt, der noch erbitterter und blutiger sein wird – zwischen Schiiten, Sunniten, Kurden, Turkmenen und Christen. Das könnte zur endgültigen Zersplitterung des Landes nach ethnischen und religiösen Merkmalen führen.

Unter Saddam Hussein fühlte sich die Mehrheit der Iraker trotz des repressiven Regimes als Staatsbürger eines einheitlichen Staates, der in der arabischen und islamischen Welt geachtet war und dessen Wirtschaft sich entwickelte. Jetzt werden die Beziehungen im Irak auf Grundlage der Clan-, Stammes-, religiösen und ethnischen Zugehörigkeit und Loyalität aufgebaut, die die wichtigste Rolle bei der Gewährleistung des Schutzes und wirtschaftlichen Überlebens jedes Irakers spielt. Die staatlichen Strukturen sind schwach und ineffektiv. Die Staatskassen sind fast leer.

Die Situation verschlimmert sich durch die Pläne des Präsidenten der kurdischen Autonomiegebiete, Masud Barzani, am 25. September ein Referendum über die Unabhängigkeit Kurdistans durchzuführen, sowie durch gegenseitige Ansprüche der Kurden und Araber auf die Vorkommen von Kirkuk, das nicht zu den kurdischen Autonomiegebieten gehört, jedoch von Peschmerga-Einheiten kontrolliert wird. Es gibt begründete Befürchtungen, dass zwischen Arabern und Kurden wegen des Öls in Kirkuk ein bewaffneter Konflikt ausbrechen könnte.

Nach einigen Einschätzungen braucht der Irak rund 60 Milliarden US-Dollar zum Wiederaufbau der Gebiete, aus denen der IS vertrieben wurde. Wo soll das Geld herkommen angesichts der gefallenen Ölpreise, wobei der Ölhandel 99 Prozent der Staatseinnahmen sichert? Wenn die Durchführung einer Konferenz von Spenderländern angekündigt wird, wird den Irakern ein Signal zur Bereitschaft der Weltgemeinschaft gesendet, beim Wiederaufbau des Staates zu helfen. Diese Hilfe muss dann konkret und an bestimmte Bedingungen gebunden sein.

Es handelt sich dabei vor allem um den Antikorruptionskampf, das Erreichen von Kompromissen mit allen politischen Kräften des Landes, die kontinuierliche Durchführung von politischen und wirtschaftlichen Reformen, die Erhöhung der Transparenz bei Staatseinkäufen und der Verteilung von Staatsaufträgen, die Einhaltung der Menschenrechte, die Lösung der zwischenreligiösen und territorialen Streitigkeiten auf Grundlage von Dialog. Am wichtigsten ist, dass der Staat das Vertrauen und die Unterstützung der breiten Schichten der örtlichen Bevölkerung gewinnen muss.

Es geht unter anderem um die arabischen Sunniten. Ohne ihre Integration in die staatlichen Strukturen und den Ausbau ihrer Präsenz in den Machtorganen, Armee, Polizei und Sicherheitsdiensten ist der religiöse Frieden im Lande nicht wiederherzustellen.

Die Zukunft Iraks hängt in vielerlei Hinsicht auch von den Ergebnissen des Dialogs in Kurdistan zwischen den wichtigsten kurdischen politischen Kräften sowie von den Spannungen um Kirkuk zwischen den Kurden und Bagdad ab. Bislang ist unter den Kurden keine Einheit zu erkennen.

Wichtig ist, dass die Iraker selbst über ihr Schicksal entscheiden und einander zuhören und auf vernünftige Kompromisse eingehen. Andere Länder dürfen den Irak nicht mehr als Plattform zur Lösung der eigenen Interessen betrachten und sich in seine inneren Angelegenheiten einmischen. Das betrifft die USA, den Iran, die Türkei, Israel, Saudi-Arabien und sogar die kurdische Arbeiterpartei PKK. Die Weltgemeinschaft muss Voraussetzungen für einen innerirakischen Dialog schaffen; sie darf sich nicht auf eine Seite stellen und die Iraker gegen andere ausspielen, um eigennützige Ziele zu erreichen. Es gibt keine andere Alternative für den Irak.

 

 

Quelle: Sputnik