von Pierre Lévy
Die Erklärung ist bis jetzt weitestgehend unbeachtet geblieben. Falls sie jedoch tatsächlich Wirkung entfalten sollte, stellt sie eine echte Atombombe dar. Der im Rahmen des G20-Gipfels am 7. und 8. Juli in Hamburg anwesende US-amerikanische Präsident Donald Trump versprach Großbritannien, dass ein Handelsabkommen zwischen Washington und London «sehr, sehr schnell» unterzeichnet werden könne.
Donald Trump hat bis jetzt immer wieder durch Kehrtwendungen und widersprüchliche Aussagen von sich Reden gemacht. Deshalb muss man natürlich auch hier Vorsicht walten lassen. Aber wenn diese Perspektive sich konkretisieren sollte, könnte dies die Verhandlungen zwischen der britischen Regierung und der Europäischen Union über den Brexit regelrecht sprengen.
Das Referendum vom 23. Juni des Vorjahres, in dem die Bürger von Großbritannien beschlossen hatten, die Europäische Union zu verlassen, hat ein Erdbeben ausgelöst, das eine Destabilisierung politischen Gefüges Europas zur Folge hatte. Am 19. Juni dieses Jahres haben nun die Gespräche zwischen London und Brüssel über die Durchführung des Austritts formell begonnen. Sie werden am 17. Juli noch stärker in den Fokus rücken.
Brüssel stellt Bedingungen für «ehrgeiziges Handelsabkommen»
Der europäische Chef-Unterhändler, Michel Barnier, stellt auf der Grundlage eines Mandats der 27 verbleibenden Mitgliedsländer der Staatengemeinschaft drei Bedingungen an Großbritannien, bevor ein «ehrgeiziges Handelsabkommen» zwischen den beiden Seiten diskutiert würde, wie die Premierministerin Theresa May es gewünscht hatte. Diese drei Bedingungen lauten: Der Status von Expatriierten, die so genannten «Schuldbeträge» von Großbritannien an die EU (Brüssel zufolge zwischen 50 und 100 Milliarden) und die Grenze zwischen Irland und Nordirland sollten im Vorfeld eine Regelung erfahren.
Darüber hinaus verlangt Brüssel: Solange Großbritannien nicht formell die EU verlassen hat, bleibt allein die Kommission Hüterin des Außenhandels. Mit anderen Worten hat Großbritannien demnach keinerlei Recht, eigenmächtig Handelsabkommen mit Drittländern zu verhandeln.
Man könnte das auch als Erpressung gegenüber Großbritannien sehen: Wenn die Bedingungen nicht akzeptiert werden, treffen das Land Zölle, Quoten und andere belastende Bestimmungen, sowohl gegenüber EU-Ländern als auch Drittländern.
Entmachtete EU könnte noch weitere Austritte erleben
Wenn sich aber Washington entschließen würde, direkt mit London zu verhandeln — und so den auferlegten Würgegriff Brüssels gegenüber Großbritanniens löste — stünden die 27 Mitgliedsstaaten vor folgendem Dilemma: entweder in den sauren Apfel zu beißen und eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts zu akzeptieren; oder die Verhandlungen abzubrechen und Großbritannien ohne Einigung hinausgehen zu lassen, was für Brüssel eine Katastrophe wäre. Theresa May hat ihrerseits wiederholt erklärt, dass «keine Einigung» einer schlechten Einigung vorzuziehen wäre.
Es sei noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass nicht nur der Abschluss eines Handelsabkommens zwischen London und Washington verboten ist, sondern auch schlicht der Beginn von Verhandlungen aus dieser Sicht.
Die nächsten Tage werden zeigen, ob der Chef des Weißen Hauses seine europäischen «Partner» noch mehr als ohnehin schon geschehen vor den Kopf stoßen wird. Sollte dies der Fall wäre, hätte Trump dazu beigetragen, die Strafen zu verhindern, die Brüssel gegen die Briten verhängen möchte, die ihrerseits den «Fehler» begangen haben, den Club verlassen zu wollen. Und das würde wiederum möglicherweise auch die Begehrlichkeiten anderer Völker wecken…
Quelle: RT