Viel Lärm um nichts: Die neue mediale Russland-Affäre des US-Präsidenten

Die angebliche Russland-Affäre des US-Präsidenten ist erneut um ein Kapitel reicher. Trumps ältester Sohn traf sich im Jahr 2016 mit einer russischen Anwältin. Die Rede vom Hochverrat macht nun die mediale Runde, da sie ihm angeblich belastende Informationen angeboten hätte.

Donald Trump Junior hatte am Dienstag einen E-Mail-Wechsel mit dem Publizisten Rob Goldstone von sich aus öffentlich gemacht, nachdem die New York Times über die Angelegenheit berichtet hatte. Daraus geht hervor, dass Trump jr. belastende Informationen über die Konkurrentin seines Vaters bei der Präsidentschaftswahl, die Demokratin Hillary Clinton, in Aussicht gestellt worden seien. Goldstone hatte dem Sohn des damaligen Präsidentschaftskandidaten geschrieben:

Russlands königlicher Staatsanwalt («Crown prosecutor», sinngemäß wohl «Oberster Staatsanwalt») hat sich diesen Morgen mit Aras getroffen und dabei angeboten, Trumps Wahlkampfteam mit offiziellen Dokumenten und Informationen zu versorgen, die Hillary Clinton belasten.

Die Informationen handelten von Clintons Geschäftsbeziehungen zu Russland und könnten «sehr nützlich» für Donald Trump sein. Weiter schrieb Goldstone:

Das sind offensichtlich hochrangige und sensible Informationen, aber es ist Teil der Unterstützung Russlands und der Regierung für Herrn Trump – vermittelt durch Aras und Emin.

Goldstone bezog sich dabei auf Aras Agalarow, einem Geschäftsmann aus Aserbaidschan, und dessen Sohn Emin, verheiratet mit der Tochter des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev. Trump Jr. antwortete auf das Angebot, diesbezüglich ein Treffen zu arrangieren:

Es sieht so aus, als ob wir Zeit hätten, und wenn es das ist, was Sie sagen, ist es ok.

Schließlich kam es zu einem rund 20-minütigen Gespräch mit Russlands «Crown prosecutor» Natalia Weselnitskaya, an dem neben Trump Jr. auch der Schwiegersohn des US-Präsidenten, Jared Kushner, sowie Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort teilnahmen.

«Big Nothing Burger» — diesmal mit extra Käse

Viele westlichen Medien wollen in dem Anwaltsbesuch den bislang belastendsten Vorfall in der angeblichen Russland-Affäre des US-Präsidenten sehen. So spricht die britische Times von einem Skandal, der bewirken könne, dass «Bemühungen um einen Neustart der Beziehungen zwischen den USA und dem Kreml zunichtegemacht werden». In diesem Fall hätte sich Russland «in den eigenen Fuß geschossen».

Dabei sei ein zwischen Skandalen taumelnder US-Präsident «grundsätzlich ein angenehmer Anblick für den Kreml», meint die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Russische Außenpolitik solle «in erster Linie destruktiv, zersetzend und spaltend wirken». Abstreiten und genießen sei «ein bewährtes Kreml-Motto». Doch auch nach Ansicht der NZZ könnte der Schuss für den Kreml nach hinten losgehen:

Je tiefer Trump im russischen Sumpf steckt, desto eher könnte er versucht sein, sich zum Beweis seiner Unabhängigkeit mit demonstrativer Härte gegen Moskau zu wenden. Beispielsweise liegt im Kongress immer noch eine Verschärfung der Sanktionen auf dem Tisch.

In den Augen der Deutschen-Presse Agentur seien die E-Mails das «bisher klarste Indiz, dass Mitglieder aus Trumps Wahlkampfteam möglicherweise mit Russland zusammenarbeiteten und geheime Absprachen beider Seiten bestanden haben könnten».

Der österreichische Standard zieht eine direkte Verbindung von dem Treffen zu der E-Mail-Affäre der Demokraten:

Bingo!, wenig später kamen – über die Website Wikileaks – die berühmten gehackten E-Mails aus Clintons Wahlkampfbüro. Und wurden in den Medien hinauf und hinunter gespielt.

Laut der Zeitung sei nun «die ganze Verschwörung» durch den von Trump Jr. veröffentlichten E-Mail-Verkehr «dokumentiert». Doch selbst die äußerst Trump-kritische New York Times will sich nicht solchen Verschwörungstheorien anschließen, wie sie Der Standard in die Welt setzt:

Es gibt keinerlei Belege, die nahelegen, dass die versprochenen schädlichen Informationen über Clinton in Verbindung zum Hackerangriff der russischen Regierung stehen, der zur Veröffentlichung tausender E-Mails der Demokraten führte. Zwischen dem Treffen und dem breit berichteten Angriff russischer Hacker lag nicht einmal eine Woche.

Abgesehen davon, dass die US-Zeitung in diesem Zusammenhang selbst wieder einmal die unbewiesene Verschwörungstheorie bemüht, der Kreml stecke hinter dem Hackerangriff, zeigt sich daran einmal mehr, wie leichtfertig deutschsprachige Medien völlig faktenfrei Verbindungen zwischen Ereignissen herzustellen bereit sind, wenn es in ihren anti-russischen Narrativ passt. Tatsächlich dokumentiert der Vorgang keine «Verschwörung» zwischen Donald Trump und dem Kreml. Vielmehr zeugt er von einem medialen Sturm im Wasserglas.

Alle Beteiligten bestätigen: Viel Lärm um nichts

Was hat sich nun wirklich zugetragen? Darüber können die Beteiligten selbst am ehesten Auskunft geben. Laut Donald Trump jr. sei das Treffen harmlos gewesen. Belastende Informationen habe Natalia Veselnitskaya nicht angeboten. Sie wollte nur «über Adoptionspolitik und den Magnitsky Act sprechen», so Trump jr. — der ansonsten über das Treffen sagte:

Es waren im wahrsten Sinne des Wortes vergeudete 20 Minuten, die eine Schande waren.

Der Magnitsky Act wurde von US-Präsident Barack Obama erlassen und sieht vor, russische Beamte bei angeblichen Menschenrechtsverstößen mit Sanktionen zu belegen. Im Gegenzug hatte Moskau ein Gesetz erlassen, das die Adoption russischer Kinder durch US-Bürger verbietet.

In einem Interview mit Fox News bezeichnete Trump jr. sein Motiv für die Teilnahme an dem Treffen als «Recherche über die Opposition». Gegenüber dem US-Sender NBC bestätigte Weselnitskaya nicht nur die Darstellung des Präsidentensohnes, sie bestritt auch die Aussagen, die Goldstone in seiner E-Mail über sie getroffen hatte:

Ich war niemals im Besitz irgendwelcher schädlicher oder sensibler Informationen über Hillary Clinton. Es lag nie in meiner Absicht, solche Informationen zu haben.

Sie erklärte zudem, sie habe nie ein Treffen mit Trump jr. angeregt. Die Russin ist auch keine Staatsanwältin, schon gar keine hochrangige, wie Goldstone in seiner E-Mail mit der Bezeichnung «Crown prosecutor» behauptet – ein Amt, dass es in Russland gar nicht gibt, was immerhin einigen westlichen Medien nicht entgangen ist. Weselnitskaya hat auch nie für die russische Regierung gearbeitet.

Es gab niemals einen Kontakt mit dieser Anwältin. Deswegen können wir zu der Geschichte auch nichts sagen, sie hat mit uns nichts zu tun», erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow dazu.

Fake-News über tatsächlichen Zweck des Treffens

Auch Emin Agalarow wandte sich über seinen Anwalt an die Öffentlichkeit. Der einzig zutreffende Fakt in den E-Mails von Goldstone sei die Tatsache, dass das Treffen von ihm vermittelt worden war, «Inhalt und Anliegen» des Treffens seien aber völlig falsch dargestellt worden, erklärte sein Anwalt Scott Balber gegenüber RT.

Es ist unwahr, dass sich Alar Agalarow mit russischen Staatsanwälten traf und über Trumps Wahlkampagne sprach. Es ist unwahr, dass Veselnitskaya für die russische Regierung arbeitet. Sie ist eine private Anwältin, die private Klienten präsentiert. Es ist nicht wahr, dass es bei dem Treffen um die Wahlkampagne gehen sollte. Unserem Verständnis nach diente das Treffen einzig der Diskussion über den Magnitsky Act, ein Thema, das Weselnitskaya schon seit einiger Zeit verfolgt.

Der ganze vermeintliche Skandal basiert demnach einzig auf einigen Falschbehauptungen, die Goldstone in einer E-Mail getroffen hatte – aus welchem Grund auch immer. Beim Treffen selbst habe es sich jedenfalls um den «albernsten Nonsens» gehandelt, «von dem ich je gehört habe», äußerte sich der Skandal-Verursacher gegenüberder New York Times.

Es ist erstaunlich, wie ernstzunehmende Leute dermaßen aus einer Mücke einen Elefanten machen», kommentierte Russlands Außenminister Sergei Lawrow das Medienecho auf den Vorgang. «Als ich morgens den Fernseher anschaltete, war es Thema in alle westlichen Kanälen.»

Der Chefdiplomat zeigte sich «verblüfft», dass Trumps Sohn vorgeworfen wird, mit Weselnitskaya gesprochen zu haben. «Für mich ist das ein wilder Vorwurf, denn wenn eine Person mit einem Anwalt spricht, wie kann das für irgendjemanden eine Bedrohung darstellen?», gab Lawrow zu bedenken.

Kongressabgeordneter Sherman sieht die Chance auf seine 15 Minuten Starruhm

Solcherlei Einwände zählen jedoch kaum noch in einer öffentlichen Debatte, die jedes Maß an Seriosität vermissen lässt und in der wilde Verschwörungstheorien diskursfähig werden, sobald der Kreml drin vorkommt — und sei es auch nur über fünf Ecken.

Fake-News statt Fakten — auf diese Formel ließe sich die ganze Kampagne zu Trumps vermeintlicher Russland-Affäre herunterbrechen, die nun vom demokratischen Kongress-Abgeordneten Brad Sherman aus Kalifornien um eine Facette bereichert wird: Er beantragte am Mittwoch offiziell ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump. Natürlich begründete Sherman seinen Vorstoß mit den Verwicklungen des US-Präsidenten in die Russland-Affäre.

 

 

Quelle: RT