Für Soros und Fremdkapital! — Brüssel kämpft den Weg frei

 

Von Hannes Hofbauer

Schon wieder Ungarn. Gleich zwei bitterböse Briefe hat die EU-Kommission am 13. Juli 2017 nach Budapest geschickt, um der rechten Regierung die liberalen Leviten zu lesen. Beider Tenor: Kapitalherrschaft vor Souveränität.

Im ersten Schreiben erklommen die Kommissare die zweite Stufe des EU-Vertragsverletzungsverfahrens für den ungarisch-stämmigen US-Spekulanten George Soros. Der hatte 1991 in ein Elitentausch-Projekt investiert, das unter dem Namen «Central European University» (CEU) firmiert. Nach über 25 Jahren unkontrollierten Treibens erlaubte sich das ungarische Parlament am 4. April 2017 die Nachfrage, ob denn diese private Einrichtung auch in ihrem Herkunftsland, den USA, eine Universität betreibe, wohl wissend, dass dem nicht so ist. Ein diesbezügliches Gesetz bringt Soros nun in die Bredouille.

Er müsste, um die CEU nicht zu gefährden, auch in den USA einen Campus errichten. Doch das ist teuer und in seinem Sinne nutzlos, braucht es doch dort kein Investment in eine neue, dem Kapital ergebene Elite. Also wirft sich die EU-Kommission für den alten Philanthropen ins Zeug, und die Mainstream-Medien verbreiten die Falschmeldung von der Schließung der Soros-Uni. Dazu Regierungschef Viktor Orbán: «Die Uni wird unter allen Umständen weiter funktionieren. Das ist ja so, als würde man jemand des Mordes beschuldigen und verurteilen, während das eigentliche Opfer weiterhin lebt.» Mit dem neuen ungarischen Universitätsgesetz will sich Orbán an Soros rächen, der seit Jahren keine Gelegenheit verstreichen lässt, um gegen den aufkommenden «Illiberalismus» in Ungarn zu wettern.

Die EU argumentiert ihr Engagement für Soros in den Worten des Vizepräsidenten der Kommission, Frans Zimmermans, folgendermaßen: «Das ungarische Hochschulgesetz bringt für die Hochschulen in EU- und Nicht-EU-Ländern unverhältnismäßige Einschränkungen mit sich und muss so rasch wie möglich wieder mit EU-Recht in Einklang gebracht werden.» Dieser Einklang, so Timmermans weiter, wird konkret durch die Verletzung der «Charta der Grundrechte der Europäischen Union», im Besonderen der «unternehmerischen Freiheit» sowie «den rechtlichen Verpflichtungen der EU gemäß dem internationalen Handelsrecht» gestört. Das versteht also Brüssel unter Freiheit der Wissenschaft. Ein Monat hat Budapest nun Zeit «zur Behebung des Problems», bevor Klage beim Europäischen Gerichtshof eingebracht wird.

Der zweite Brief an Orbán vom selben 13. Juli 2017 betrifft die Einleitung eines weiteren EU-Vertragsverletzungsverfahrens (1. Stufe), diesmal in Bezug auf ein Gesetz zur Auslandsfinanzierung nichtstaatlicher Organisationen, vulgo NGOs. Einen Monat zuvor hatte sich das ungarische Parlament mehrheitlich darauf verständigt, dass sich NGOs, die jährlich mehr als umgerechnet 24.000.- Euro von ausländischen Organisationen erhalten, registrieren lassen müssen. Die Auslandsfinanzierung ist zudem auf deren Webseiten und sonstigen Veröffentlichungen auszuweisen.

Damit kann jeder, der sich dafür interessiert, nachvollziehen, welches Geld (und welche Interessen) hinter einzelnen Gruppen steht, zum Beispiel – wiederum – das Geld von George Soros. Der Milliardär pumpte mit dem ungarischen Zweig seiner «Open Society Foundation» in den vergangenen Jahrzehnten 400 Mio. US-Dollar in die ungarische Gesellschaft, wie er stolz auf seiner Homepage verkünden lässt. Die Bilanz von 2016 weist 3,5 Millionen US-Dollar aus, die für Zivilgesellschaft, Menschenrechte und Bildung ausgegeben wurden.

Die ungarische Seite will jetzt sicherstellen, dass ausländische Geldflüsse in die einheimische Politik – und nichts anderes betreiben die meisten sogenannten zivilgesellschaftlichen Organisationen – offengelegt werden. Brüssel läuft Sturm dagegen und droht. «Wir haben das neue Gesetz über nichtstaatliche Organisationen gründlich geprüft und sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht im Einklang mit dem EU-Recht steht», fasst der zuständige Kommissar Timmermans zusammen. Dann zieht er die härteste Keule aus der liberalen Waffenkammer und wirft Budapest eine «nicht gerechtfertigte und unverhältnismäßige Beschränkung des Kapitalverkehrs» vor, «wie er im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankert ist».

Nach nochmaligem Lesen versteht man die Aufregung in Brüssel. Die EU-Kommission muss gar nicht gegen Kapitalverkehrskontrollen oder gar Finanzierungsverbote vorgehen, nichts dergleichen plant Ungarn. Brüssel ist jedoch sehr wohl bewusst, dass die Menschen überall auf der Welt gerne wissen wollen, woher das Geld kommt, mit dem Politik gemacht wird und folgerichtig wessen Interessen dahinterstecken. Und weil man auch davon ausgehen kann, dass ausländischem Geld und ausländischen Interessen eher mit Misstrauen begegnet wird, soll seine Herkunft tunlichst verschwiegen werden. Bei solcher Denke entschlüsselt sich auch Timmermans abschließende Bemerkung zu der Causa: «Die (gesetzlichen ungarischen, d.A.) Maßnahmen können eine abschreckende Wirkung auf Geldgeber aus dem Ausland haben und es den betroffenen Organisationen erschweren, Mittel aus ausländischen Quellen zu erhalten.» Das war wohl die Absicht … und Timmermans hat’s kapiert.

Der Widerspruch zwischen der längst erfolgten Durchsetzung einer vollständigen Kontrolle sämtlicher Geldströme, die der Einzelne via Bankomat- oder Kreditkarte bzw. bei jeder Sparbuchabhebung oder Überweisung tätigt, und dem Kampf um die Anonymisierung großer Kapitalmengen zur Fütterung einer botmäßigen Zivilgesellschaft bleibt in der Berichterstattung unerwähnt. Zu offensichtlich wäre bei seiner Erwähnung der interventionistisch-instrumentelle Charakter des EU-Vertragsverletzungsverfahrens gegen eine unliebsame Regierung.

Ungarn reagiert mit dem neuem NGO-Gesetz ganz offensichtlich auf Erfahrungen, die so manches osteuropäische Land in den vergangenen 15 Jahren gemacht hat, wo nachvollziehbare politische und/oder soziale Unzufriedenheit im Inneren von außen mit viel Geld dynamisiert wurde, um fremden Interessen zum Durchbruch zu verhelfen; dies notfalls auch mit einem gewalttätigen Regimewechsel wie beispielsweise in der Ukraine.

Budapest ist offensichtlich bestrebt, die Kontrolle über solche potentiell farbrevolutionären Kräfte nicht zu verlieren. Das mag man angesichts der zunehmenden autoritären Tendenzen unter Orbán bedauern, die Lehre aus vielen Farbrevolutionen zeigt indes, dass damit – wie zuletzt in Kiew – Korruption und Selbstherrlichkeit nur die Seite wechseln. Die Anonymisierung des eingesetzten Fremdkapitals soll, so will es Brüssel, diese Möglichkeit erleichtern.

Die rechte Fidesz-Regierung nimmt sich im Übrigen mit ihrem NGO-Gesetz ein Vorbild am «Foreign Agents Registration Act» der USA, der seit 1938 dafür sorgt, dass sich gesellschaftliche Organisationen und Personen («agents»), die mit ausländischem Geld operieren, beim Justizministerium registrieren lassen müssen. Russland wiederum führte Mitte 2012 eine ähnliche Maßnahme ein. Die Europäische Union betreffen beide Fälle nicht. Zum restriktiven Gesetz in den USA schweigt man in Brüssel behände, gegen das russische Pendant hingegen wettert man bei jeder sich bietender Gelegenheit.

Gar kein Kommentar kam aus Brüssel, als die österreichische Koalitionsregierung aus Sozialdemokratien und Christkonservativen im Jahr 2015 ein neues Islamgesetz verabschiedete, das unter anderem ein völliges Verbot der Auslandsfinanzierung islamischer Religionsgemeinschaften festlegt. Während Wien dem Vatikan seit Jahrzehnten über einen eigenen Staatsvertrag, das Konkordat, de jure die Hoheit über die katholischen Gläubigen einräumt, führt die Bezahlung eines Imams durch die türkische Religionsbehörde seit 2015 zur Schließung der entsprechenden Einrichtung.

Wir lernen daraus: Von Soros finanzierte Gruppen müssen wegen des freien Kapitalverkehrs als solche unerkannt und unbehindert tätig sein können, schon deshalb, weil sie den freien Kapitalverkehr und alles was dazu gehört auch künftig garantieren werden. Muslime hingegen dürfen – vorerst in Österreich – in Bezug auf ihre Religionsausübung keine grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Beziehungen unterhalten, nicht einmal eine Kennzeichnung des ausländischen Kapitals wird ihnen erlaubt. München und Berlin haben schon großes Interesse am österreichischen Islamgesetz angemeldet.

 

Quelle: Rubikon