Rossijskaja Gaseta: Macron verdrängt Merkel

 

In Frankreich haben die üblichen Feierlichkeiten anlässlich des Nationalfeiertages stattgefunden, an denen Emmanuel Macron erstmals als Präsident teilnahm, schreibt die „Rossijskaja Gaseta“ am Montag.

Im Vordergrund der feierlichen Veranstaltungen, zu denen Staats- und Regierungschefs mehrerer Länder eingeladen wurden, stand US-Präsident Donald Trump. In der französischen Hauptstadt wurde Trump mit Ehefrau Melania mit viel Tamtam empfangen. Die Präsidenten beider Länder hatten ein Abendessen im Eiffelturm. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz machten sie sich gegenseitig Komplimente.

Trump fühlte sich eindeutig wohl in Paris. Der Chef des Weißen Hauses, der nach Frankreich kam, um den 100. Jahrestag des Eintritts der USA in den Ersten Weltkrieg zu feiern, hatte auf eine Möglichkeit gewartet, vor den inneren Auseinandersetzungen mit Kongressmitgliedern zu fliehen. Er vergaß wohl die internen Probleme und sah in Paris entspannt aus. Von Macron wurde Trump mit freundschaftlichen Gesten geradezu überschüttet. Am Ende des Besuchs sagte Trump vergnügt: „Frankreich hat einen großen Präsidenten, einen großen Anführer. Paris ist wieder Paris. Ich werde zurückkommen.“
Zunächst waren von der Kommunikation des „Isolationisten“ Trump und des „Globalisten“ Macron, der im Wahlkampf von den US-Demokraten unterstützt wurde, keine erfreulichen Aussichten zu erwarten. Zumal Macron scharf auf Trumps Ankündigung über den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen reagiert hatte. Doch in wenigen Wochen änderte sich die Situation so stark, dass Trump Macron vertraut, mit ihm auf Augenhöhe spricht und ihn allmählich zu seinem „privilegierten europäischen Partner“ macht.

Der junge französische Staatschef, der seine Ambitionen nicht verheimlicht, nutzt gekonnt eindeutige Auseinandersetzungen zwischen den USA und Deutschland, Trumps offensichtliche Aversion gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel aus. Macron baut allmählich eine neue transatlantische Achse zwischen Paris und Washington aus Trotz zum traditionellen angelsächsischen Modell, zumal es auch in den Beziehungen zwischen den USA und Großbritannien noch Unklarheiten gibt. Unter verschiedenen Vorwänden wird der London-Besuch des US-Präsidenten immer wieder verschoben. Nach dem schwachen Präsidenten Francois Hollande, den Trump demonstrativ ignorierte, bringt Macron Frankreich in das große geopolitische Spiel zurück.

Angesichts der unklaren politischen Zukunft Merkels, die außer dem Vorsitz beim französisch-deutschen Ministerrat in Paris fast unbemerkt blieb, wird Macron nicht einfach der wichtigste europäische Partner Washingtons. Er kann wirklich die Rolle eines neuen europäischen Anführers beanspruchen. Unter diesen Bedingungen wird die Konkurrenz zwischen Merkel und Macron in Bezug auf die Führungsrolle in Europa immer offensichtlicher. Macron stellt Merkel, die mehrere Jahre lang als europäische Anführerin galt, in den Schatten, berichtet France Press. Zudem zeige Macron Flexibilität bei den Kontakten zu Trump, während Merkel ein ruhiges und beständiges Verhalten zu Trump zeigt und ihn weiterhin für Protektionismus und den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen kritisiert.

Der dynamische und drangvolle Macron punktete in Paris. Er überzeugte Merkel von der notwendigen Schaffung eines Haushalts für die Eurozone und die Entwicklung eines französisch-deutschen Kampfjets. Andererseits zeigte er, dass er selbst seinen „unbrechbaren“ US-Kollegen überzeugen kann. Der französische Präsident sagte im Interview mit „Le Journal du Dimanche“, dass Donald Trump in den nächsten Monaten nach einer Lösung für die mögliche Rückkehr der USA in das Pariser Klimaabkommen suchen wird. „Donald Trump hat mir zugehört. Er hat den Sinn meiner Herangehensweise verstanden, darunter die Verbindung zwischen der globalen Erwärmung und dem Terrorismus“, sagte Macron. Allerdings ist unklar, ob Trumps Versprechen eine Antwort auf den „kaiserlichen“ Empfang war oder ob er real auf seine lautstarken Verkündigungen verzichten wird.

 

Quelle: Sputnik