Von Armin Siebert
Zu sexuellen Übergriffen und Randalen soll es am vergangenen Wochenende beim Volksfest in Schorndorf gekommen sein. Schnell waren die Schuldigen ausgemacht: Migranten. Die Medien witterten eine zweite Kölner Silvesternacht, Politiker zeigten sich empört. Nun rudern aber Polizei und Medien zurück – weil sie geschlampt haben.
Das beschauliche Schorndorf bei Stuttgart füllt seit Tagen das Sommerloch und wird wie die Sau durchs Dorf getrieben. Auch Sputnik berichtete. Machen wir uns nichts vor – klar sind dies die Geschichten, die die Leser interessieren. Angebot und Nachfrage. Ein Voyeurismus der Leser, die ihre Vorurteile bestätigt sehen wollen, und Medien, die dies möglichst in Echtzeit und wenn’s geht noch per Live-Stream bedienen. Wo ist die Grenze zwischen seriösem Journalismus und Boulevard? Was ist Fake und was sind News?
Bei der Causa Schorndorf stecken wohl eher eine überforderte Polizei, sensationshungrige Medien und schlampige Recherche dahinter. Gerade im Sommer ist auch bei den Medien die Personaldecke ausgedünnt. Da schreibt man lieber Pressemitteilungen ab. Und es geht darum, die News schneller als die anderen zu bringen. Für Recherche bleibt da oft keine Zeit.
Das Schorndorfer Volksfest „Schowo“ ist eine beliebte Kirmes, wie es sie überall in Deutschland gibt, es wird geschunkelt und gesoffen. In diesem Jahr haben jedoch Migranten mitgefeiert und über die Stränge geschlagen, was das Ganze zum Politikum macht. Es geht um drei Sachverhalte, von denen zumindest der eine jedoch keine Lappalie ist. Asylbewerbern aus dem Irak und Afghanistan werden sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Dazu kam es am Freitag und am Samstag tagsüber. Samstagnacht kam es dann zu Randalen im Schlosspark mit Übergriffen auf die Polizei. Und genau hier begann die Schlamperei von Polizei und Medien. In der ersten Stellungnahme der Polizei hieß es:
„Bei einem großen Teil handelte es sich wohl um Personen mit Migrationshintergrund.“
Wie die Polizei dies bei wohl tausend alkoholisierten Jugendlichen und jungen Männern im dunklen Schlosspark so schnell einschätzen konnte, bleibt ein Rätsel. Diese Meldung wurde von den Medien übernommen und schnell ausgeschmückt. Selbst sogenannte seriöse Medien sprachen schnell von „der Hälfte“ oder “mehr als der Hälfte“ Migranten, die den flaschenwerfenden Mob gestellt hätten. Rechte News-Portale machten dann ganz und gar „1000 marodierende Asylanten“ daraus.
In der Nacht vom Samstag zu Sonntag soll es außerdem noch zu Vandalismus in der Stadt gekommen sein und angeblich waren Gruppen mit Schreckschusspistolen und Messern unterwegs. Auch diese Nachrichten wurden unbelegt übernommen. Wie kann es sein, dass es in der heutigen Zeit keine Fotos und keine Handyvideos dazu gibt? Den Medien schien dies egal. Immer schneller, immer dramatischer.
Es dauerte drei Tage, bis ein Medium tatsächlich vor Ort recherchiert hat. Laut Vice.com war alles gar nicht so schlimm und nur ein paar Gymnasiasten haben gefeiert. Wer hat Recht? Die Öffentlichkeit ist verwirrt, der rechte Rand versucht, Kapital draus zu schlagen, und die Politiker reden sich raus. In Schorndorf selbst bemühte man sich, als man merkte, was für einen Medien-Tsunami man losgetreten hatte, um Schadensbegrenzung. Schorndorfs Oberbürgermeister Matthias Klopfer meinte am Montag, dass seiner Einschätzung nach vor allem Abiturienten und Realschüler im Schlosspark gewesen wären. Auch Polizeipräsident Roland Eisele wollte sich plötzlich nicht mehr darauf festlegen, dass ein „großer Teil“ der Randalierer Migranten gewesen wäre.
Muss man bei Migranten ein anderes Maß anlegen? Und sollte dieses Maß strenger oder aus politischer Korrektheit großzügiger sein? Auch in unserer Redaktion haben wir darüber diskutiert, ob wir gleich in der Überschrift zu den Krawallen von Schorndorf von Migranten sprechen und haben uns dann dagegen entschieden, da gerade uns schnell vorgeworfen wird, die Flüchtlingskrise aufzubauschen. Auf der anderen Seite, soll man das Thema „Straftaten von Migranten“ totschweigen? Wir denken nicht. Man sollte Dinge beim Namen nennen dürfen.
Der Journalist Moritz Gathmann schreibt dazu auf facebook:
„Können wir an Asylbewerber höhere Ansprüche haben, was ihr Verhalten in Deutschland angeht? Ja, das können wir. Wir geben ihnen Schutz vor Krieg und Verfolgung, wir bezahlen ihren Lebensunterhalt, während sie in Deutschland leben. Und wir können und müssen deutlich den Anspruch vertreten, dass sie sich hier an die Gesetze halten müssen. Wenn einzelne unsere Gastfreundschaft missbrauchen, haben sie diese verwirkt und müssen abgeschoben werden.“
Auf der anderen Seite will niemand in die rechte Ecke gestellt werden. Darum fasst man das Thema mit Samthandschuhen an. Gerade die regierenden Politiker wollen das Thema „Flüchtlingskrise“ möglichst aus dem Wahlkampf raushalten. Wir schaffen das und basta! Dies dürfte allerdings schwierig werden, da bei der Zahl der im Mittelmeer geretteten, aber auch der ertrunkenen Flüchtlinge in diesem Sommer neue Rekordstände erreicht werden dürften.
Das Thema Flüchtlinge wird uns die nächste Jahre nicht mehr verlassen. Viele Millionen von ihnen sind hier und werden uns angesichts der Lage in ihren weiter von internationalen Machtinteressen aufgeriebenen Heimatländern auch so bald nicht wieder verlassen. Kritiker befürchten, dass uns das Thema um die Ohren fliegen wird, da sich viele der Menschen aus fremden Kulturkreisen und Gesellschaftsordnungen nicht in die westliche Welt integrieren lassen werden. Selbst Optimisten sehen inzwischen die Grenze des Machbaren überschritten. Die seinerzeit empört kritisierte Grenzschließung durch Österreich wird inzwischen insgeheim selbst von der CDU als Rettung gesehen, um das Fass nicht überlaufen zu lassen.
In Schorndorf bleiben allerdings tatsächlich die gewalttätigen Angriffe auf die Polizei und auch die sexuellen Übergriffe bestehen. Diese müssen aufgeklärt werden. Und über beides sollte man diskutieren dürfen. Gerade nach den G20-Krawallen. Und auszusprechen, dass tausende junger Männer aus Ländern wie dem Irak oder Afghanistan nicht unbedingt mit dem westlichen Feminismus-Bild vertraut sind, sollte auch kein Tabu sein.
Quelle: Sputnik