Trump holt erfahrenen Diplomaten: Jon Huntsman wird US-Botschafter in Moskau

 

Der frühere US-Botschafter in Peking und ehemalige Präsidentschaftskandidat Jon Huntsman jr. soll oberster US-Geschäftsträger in Moskau werden. Donald Trump will auf diese Weise offenbar Raum für eine andere Russlandpolitik gewinnen.

Wie das Weiße Haus bekanntgab, wird US-Präsident Donald Trump den früheren Gouverneur von Utah und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Jon Huntsman jr. zum neuen US-amerikanischen Botschafter in der Russischen Föderation ernennen. Um die Person des künftigen obersten diplomatischen Geschäftsträgers herrschte zuvor langes Rätselraten.

In einer Zeit der Unklarheit darüber, wie sich die Beziehungen zwischen den USA und der Russischen Föderation entwickeln würden, ist die Entscheidung, Huntsman mit diesem Amt zu betrauen, offenbar dem Bestreben Trumps geschuldet, seine außenpolitische Handlungsfähigkeit auch in dieser heiklen Frage abzusichern.

Der 57-jährige Politiker, Unternehmer und Diplomat Huntsman gilt als Zentrist und genießt sowohl in den Reihen der Republikaner als auch der Demokraten hohes Ansehen, weshalb eine zeitnahe Bestätigung durch den Kongress als sicher gilt. Seit der Regierungszeit Ronald Reagans hat Huntsman unter jeder Regierung einen repräsentativen Posten bekleidet.

Unter Reagan war Huntsman Teamassistent, George H.W. Bush ernannte ihn zum stellvertretenden Handelsattaché der US-Botschaft in Singapur. Unter George W. Bush war Huntsman der Initiator der Welthandelsgespräche 2001 in Doha und leitete den Beitrittsprozess der Volksrepublik China zur Welthandelsorganisation WTO.

Im Jahr 2009 bestellte die Regierung Obama den CEO der familieneigenen Huntsman Corporation und Vorsitzenden einer Anti-Krebs-Stiftung zum Botschafter in der Volksrepublik China. Im Jahr 2012 bewarb sich Jon Huntsman jr. als Präsidentschaftskandidat. Er setzte dabei alles auf ein gutes Abschneiden bei den Vorwahlen in New Hampshire. Als dieses ausblieb, zog er sich zurück und unterstützte seinen Glaubensbruder aus der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen), Mitt Romney.

Im Wahlkampf 2016 hatte Huntsman sich mehrfach kritisch über Trump geäußert und diesen nach Enthüllungen über vulgäre Äußerungen des Präsidentschaftskandidaten über Frauen während einer Busreise vor zehn Jahren zum Rückzug aufgefordert. Trump hatte Huntsman daraufhin als «unbedeutend» verhöhnt.

So wenig Huntsman außerhalb Utahs politische Wirkung entfalten konnte, so wichtig könnte er für Trump als erfahrener Diplomat werden. Auf der einen Seite hat der siebenfache Familienvater — wobei das Ehepaar Huntsman jeweils ein Kind in Indien und in China adoptiert hat — im Kongress parteiübergreifenden Rückhalt.

Spekulationen um einen «Spaziergang» in Peking

Gegenüber der dortigen Mehrheit aus interventionistischen Liberalen und Neokonservativen kann Huntsman darauf verweisen, dass er 2008 zu den ersten Unterstützern des außenpolitisch als besonders aggressiv geltenden Senators John McCain zählte und im Jahr 2014 zum Leiter des Think-Tanks Atlantic Council ernannt wurde.

Auf der anderen Seite hatte der Diplomat als Botschafter zu einem konstruktiven Arbeitsverhältnis gegenüber der politischen Führung in der Volksrepublik China und damit in einem Land gefunden, zu dem das Verhältnis Washingtons ebenfalls nicht friktionsfrei ist. Experten zufolge habe er sich um die Verbesserung der humanitären Lage bemüht, ohne damit das Verhältnis zwischen beiden Staaten zu belasten.

Der bekennende Lebensrechtler Huntsman hatte beispielsweise Kritik an der umstrittenen Ein-Kind-Politik der Volksrepublik geübt und demonstrativ ein Kind adoptiert, das er verlassen auf einer Treppe nahe einem Gemüsemarkt aufgefunden hatte. Zudem hatte er sich für die Freilassung und Ausreise bekannter Dissidenten wie Liu Xiaobo, Chen Guangcheng oder Ai Weiwei eingesetzt. Gleichzeitig hat er die Integration der Volksrepublik China in den internationalen Freihandel aktiv betrieben und Peking besseren Zugang zu den globalen Märkten ermöglicht.

Andererseits erregte er den Argwohn seiner Gastgeber, als er im Februar 2011 zusammen mit seiner Frau in einem Einkaufszentrum in der Nähe eines größeren Platzes angetroffen wurde, auf dem anonymen Aufrufen zufolge eine Demonstration für eine Demokratisierung der Volksrepublik stattfinden sollte. Auf chinesischen Webseiten warf man Huntsman vor, in China einen Regime-Change zu planen und aus diesem Grund in der Gegend gewesen zu sein. Huntsman hingegen betonte stets, er sei nicht bewusst gewesen, dass dort Proteste geplant gewesen wären. Er habe lediglich mit seiner Familie einen Spaziergang unternommen. China hatte daraufhin temporär seinen Namen auf Suchmaschinen blockieren lassen.

RIA: «Ahnungslos genug, um lernen zu können»

Dieser Vorfall ist auch russischen Medien nicht verborgen geblieben, weshalb die Reaktionen auf die Ankündigung des Weißen Hauses eher abwartend blieben. So schrieb die Zeitung Iswestija von Huntsman als einem «moderaten Falken», der bekannt sei als erfahrener Diplomat mit einem großen politischen Netzwerk aus US-amerikanischen und russischen Experten. Die Zeitung rechnet mit einem «größeren Engagement für die russisch-amerikanischen Beziehungen».

Auf RIA Nowosti sprach Politanalyst Michail Sinelnikow-Orischak hingegen davon, dass Huntsmans Verständnis von Russland «schwach genug» sei, damit dieser «lernen und verstehen kann, wie die Situation hier ist». Immerhin einen positiven Aspekt sieht der Analyst: «Als Mormone ist er sehr konservativ und sieht Alkohol und Rauchen negativ. Er ist ein Mensch, der auf gesunden Lebensstil Wert legt und das ist gut.» Allerdings äußerte auch er sich argwöhnisch mit Blick auf den Vorfall in China vom Februar 2011.

Das zeigt zumindest, dass es sich um jemanden handelt, der sich wahrscheinlich sehr stark für unsere Innenpolitik interessieren wird.

Allerdings quittierten es RIA und andere russische Medien mit Genugtuung, dass der bisherige US-Botschafter John Tefft das Land verlässt. Dieser galt in Russland als «Stifter von Farbrevolutionen», der vor seiner Ankunft in Moskau in der Ukraine und in Georgien gedient hatte. Swetlana Kalmikowa von RIA Nowosti erklärte, Obama habe Tefft geschickt, um Russland zu isolieren. Diese Mission sei gescheitert.

 

Quelle: RT