Wahlbeobachtung durch die OSZE zur Bundestagswahl: Droht jetzt eine «Farbrevolution»?

Eine OSZE-Mission hat sich bei Parteien und Regierung über die Bundestagswahl informiert. Möglicherweise wird sie auch Beobachter schicken. In Osteuropa oder Zentralasien hat man mit diesen Gästen nicht immer gute Erfahrungen gemacht.

von Willy Wimmer, Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE 1994-2000

Man hat mittlerweile Erfahrung mit der Wahlbeobachtung durch die KSZE/OSZE und diese ist durchaus zwiespältig. Dabei macht es fast keinen Unterschied, ob sich nun eine Delegation der Parlamentarischen Versammlung der heutigen OSZE oder seitens der Regierungsrepräsentanz der OSZE-Mitglieder in Warschau beispielsweise aus Anlass von Wahlen auf den Weg in ein Mitgliedsland macht.

Es lebe der große Unterschied

Man hat schon einiges an Erfahrung gesammelt. Dazu zählt vor allem, dass die OSZE-Wahlbeobachtung fast einen diskriminierenden Charakter aufweist. Das wird auch nicht dadurch besser, dass auf Drängen der ehemaligen US-amerikanischen Außenministerin Condoleeza Rice seit Ende des letzten Jahrzehnts Einladungen an die OSZE vonseiten der Vereinigten Staaten ergangen sind. Durch Washington eingeladen zu werden, das ist das eine. Bei dem staatsrechtlichen Selbstverständnis der US-Bundesstaaten einen ungehinderten Zugang zu den Wahllokalen zu erhalten, das ist das andere.

Wo bleibt die öffentliche Diskussion über den OSZE-Bericht zur heiß umstrittenen letzten amerikanischen Präsidentschaftswahl?

Dem Vernehmen nach gab es entsprechende Delegationen aus der OSZE auch zu den Präsidentschaftswahlen in den USA. Vor dem Hintergrund des darüber entbrannten inneramerikanischen «Wahlkrieges» muss man sich allerdings fragen, wie die Erkenntnislage aufseiten der OSZE aussieht? Gehört hat man davon nichts. Dabei steht nicht mehr oder weniger im Raum als die behauptete Gefahr einer Einmischung von außen in die US-amerikanische Präsidentschaftswahl.

Haben denn die OSZE-Delegationen dazu Erkenntnisse? Einen schwereren Vorwurf kann es immerhin nicht geben, obwohl es gerade die USA sind, die sich ein entsprechendes Vorgehen in die Wahlvorgänge anderer Staaten stets erlauben und vorbehalten. Oder durfte die OSZE dazu keine Erkenntnisse sammeln, weil es keine gegeben hatte?

Subtile Diskriminierung ist bei der OSZE tägliche Routine

Nicht nur Großkaliber wie US-amerikanische Wahlen zählen aber zum Aufgabenspektrum der OSZE. Dieses fängt bei der Überprüfung im Wahllokal und bei der Übermittlung von Wahlergebnissen an die jeweiligen Zentralen an. Und es kommt noch besser, denn die Frage nach fairen, freien
und allgemeinen Wahlen beginnt weit im Vorfeld des eigentlichen Wahlvorgangs. Sie umfasst auch die rechtlichen und medialen sowie die finanziellen Grundvoraussetzungen von Wahlen.

Das alles ist bei der KSZE/OSZE ein Standard, der sich entwickelt hat. Merkwürdig ist jedoch, dass sich das Schwergewicht aller Wahlüberprüfungen bei den osteuropäischen und zentralasiatischen Staaten abgespielt hat. Fast jahrzehntelange Versuche, auch die westlichen Staaten in eine geordnete Wahlüberprüfung einzubeziehen, sind regelmäßig an der Ignoranz der westlichen Staaten gescheitert.

Dabei war für westliche Beobachter eines verblüffend: Unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konnte man sich ein Bild davon machen, wie sorgfältig die meist weiblichen Wahlvorstände die Wählerverzeichnisse geführt haben oder die Auszählung der Stimmzettel erfolgt ist. Den Vertretern dieser Staaten wurde im Ergebnis jede Erkenntnis über westliche Wahlvorgänge verwehrt, weil sie als Beobachter einfach nicht zugelassen worden sind. Da war natürlich Hochmut im Spiel. Oder die Sorge, dass westliche Wahlvorgänge Fragen über Fragen aufwerfen würden. Das Auftauchen so genannter populistischer Parteien in Westeuropa hat diese Vermutung mit Nachdruck verstärkt. Bei den derzeit Regierenden heiligt zunehmend der Zweck die Mittel.

Ukraine: Musterbeispiel für Wahlbeobachtung als Umsturzelement von zentraler Bedeutung

Nicht nur, dass es für jede Delegation der OSZE-Wahlbeobachtung zum Beispiel in den zentralasiatischen Republiken in der Regel vor jeder Mission eine Einladung zum Gespräch mit dem jeweiligen amerikanischen Botschafter gab und gibt: Man konnte sich zu keinem Zeitpunkt des Eindrucks erwehren, dass damit schon die Schwerpunkte für die eigentliche Wahlbeobachtung gesetzt werden sollten.

In der Ukraine hat man das System perfektioniert und sei es dadurch, dass die Chefs des OSZE-Missionen ihre Tätigkeit als Sprungbrett für weitere Karrieren angesehen haben und überraschend fix mit der Aussage gewesen sind, nach der durchgeführte Wahlen weder fair noch frei gewesen sein sollen. Es muss schon gar nicht mehr betont werden, dass Feststellungen dieser Art bei Wahlen in Russland oder anderen Staaten in der Gegend relativ leicht über die Lippen kamen.

Wahlbeobachtung und «Menschenrechte» wurden durch den Westen «waffenfähig» gemacht

Dieser Eindruck drängte sich bei jeder Wahlbeobachtung im Osten auf. Erkenntnisse sollten nicht dazu dienen, Verbesserungen im Wahlverfahren herbeizuführen. Das alles konnte stattdessen trefflich genutzt werden, unbotmäßige Regierungen vorzuführen. Eine Erfahrung übrigens, die schon bei den «Menschenrechten» gemacht werden konnte.

Wo geschah es schon einmal, dass man sich bedrängter Menschen angenommen hat, nur der Hilfe wegen? Das alles machte nur Sinn, solange irgendwelche Vorfälle aus ganz anderen Gründen den jeweiligen Regierungen vorgehalten werden konnten. Das ist es aber auch, woran die ehemalige «westliche Wertegemeinschaft» erstickt und mit ihr Wahlbeobachtung und Menschenrechte als solche.

 

Quelle: RT