Weniger Waffen nach Saudi-Arabien? Deutsche Werften profitieren von Milliardengeschäft mit Riad

Beim Besuch von Kanzlerin Merkel Ende April in Saudi-Arabien war von einer Weichenstellung bei den Waffenexporten die Rede. Doch vorerst gehen die Exporte weiter, deutsche Werften arbeiten im Hochbetrieb. Die exportierten Rüstungsgüter tragen direkt zur katastrophalen Lage im Jemen bei. In Zukunft exportiert Deutschland indirekter.

Im März informierte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) den Bundestag darüber, dass die Bundesregierung den Export zweier weiterer Patrouillenboote nach Saudi-Arabien genehmigt habe. Und im Juli gab die Bundesregierung grünes Licht für die Lieferung vier weiterer Patrouillenboote der Bremer Lürssen-Werft, sowie für 110 ungepanzerter Lastkraftwagen von Rheinmetall nach Saudi-Arabien.

Dies sind alles nur Ausschnitte eines größeren Bildes, das dem Eindruck widerspricht, die Bundesregierung leiste durch Einschränkungen der Rüstungsexporte kaum noch Beihilfe zu einem der schlimmsten Kriege dieser Zeit. Es kann daher als Fehlinterpretation aufgefasst werden, die folgende die Aussage des saudischen Vize-Wirtschaftsministers Mohammed al-Tuwaijri bedeute, es gäbe bald kaum noch Waffenexporte aus Deutschland in die Golfmonarchie. Bei dem Besuch der deutschen Kanzlerin am 30. April in Saudi-Arabien sagte er:

Wir akzeptieren die deutsche Zurückhaltung, was Exporte nach Saudi-Arabien angeht, wir kennen die politischen Hintergründe. Wir werden also bei Waffen-Deals nicht starrsinnig sein, wir werden nicht gegen die deutschen Vorbehalte anrennen. Kurz gesagt, wir werden der deutschen Regierung keine Probleme mehr bereiten mit immer neuen Wünschen nach Waffen.

Geschäft im Wert von über einer Milliarde Euro

Nach wie vor werden direkt am Krieg im Jemen eingesetzte Rüstungsgüter, wie Patrouillenboote, aus Deutschland nach Saudi-Arabien exportiert. So ist die Lürssen-Werft der Hauptauftragnehmer eines derzeit laufenden, über eine Milliarden Euro umfassenden Rüstungsgeschäfts. Aus der Wolgaster Peene-Werft, die ebenso wie die Hamburger Werft Blohm+Voss zu Lürssen gehört, wurden auch im Juli wieder Patrouillenboote für die saudische Küstenwache ausgeschifft.

Sie kommen per Frachter der Reederei Briese aus Leer ans Rote Meer. Insgesamt sollen mehr als 100 Boote an die saudische Küstenwache sowie die Marine geliefert werden. Der Hauptauftragnehmer aus Bremen, die Lürssen-Werft, übernahm im Jahr 2013 die Peene-Werft in Wolgast, um diesen Auftrag bewältigen zu können. Der Sprecher der Lürssen-Werft, Oliver Grün, sagte im Weser-Kurier, dass sich mehrere Boote in der Fertigung befinden und erklärt ähnlich wie die Bundesregierung

Die Boote sind für Aufgaben des Küstenschutzes konzipiert. Dies sind beispielsweise der Schutz sensibler Offshore-Anlagen, die Verhinderung von Schmuggel, die Eindämmung der Piraterie sowie die Seenotrettung.“

Was sehr zivil klingt, findet jedoch oft auch tödlichen Einsatz. Denn in dem verheerenden Krieg im Jemen spielen diese Boote eine wichtige Rolle für Riad, unter anderem in der Seeblockade, durch die sowohl die Cholera-Epidemie als auch die Hungersnot im Land verschärft wird, von der bereits mehr als die Hälfte der jemenitischen Bevölkerung betroffen ist.

Kurz vor der Ausschiffung der Lürssen-Patrouillenbote genehmigte der Bundessicherheitsrat zudem die Lieferung von 110 Lastkraftwagen sowie von «militärischen Werkzeugen und Ausrüstung» mit einem Wert von 8,9 Millionen Euro, zehn weitere sollen in diesem Jahr folgen.

Entscheidungen der Bundesregierung gegen das öffentliche Gewissen

Gemäß Artikel 26 des Grundgesetzes ist die Bundesregierung für die Rüstungsexporte zuständig. Die Entscheidung trägt der streng geheim tagende Bundessicherheitsrat mit der Kanzlerin, der Bundeswirtschaftsministerin, dem Außenminister und den Ministern des Innern, der Justiz, der Verteidigung, der Finanzen sowie dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie prüft Aufträge der Firmen. Im Jahr 2012 wurde dem Auftrag von48 Patrouillenbooten grünes Licht gegeben. Diese Genehmigung wird von Jahr zu Jahr erneut geprüft. In der Jahrespressekonferenz 2016 sagte der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) noch zu dem Boote-Deal:

Darüber wird noch zu beraten sein.“

Allerdings war die Lieferung bereits zugesagt. Und dies ist nur ein Beispiel. Saudi-Arabien steht im Rüstungsexportbericht aus dem ersten Halbjahr 2016 mit einem Volumen von mehr als 480 Millionen Euro an zweiter Stelle hinter Algerien auf der Liste der Drittländer.

Die beim Besuch der Kanzlerin als Weichenstellung interpretierten Äußerungen können also nicht als unmittelbarer Stopp der umstrittenen Waffenexporte an die Golfmonarchie ausgelegt werden. Eher einigte man sich für die Zukunft mit dem Königshaus zunächst darauf, dass der klassische Waffenverkauf auf die Unterstützung einer heimischen Waffenindustrie verlagert wurde, an welcher sich prominente deutsche Firmen beteiligen würden.

Indirekte Waffenexporte

Womöglich konnte man auf gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit zurückblicken. Schließlich ist Rheinmetall mit gut 50 Prozent am südafrikanischen Munitionshersteller Rheinmetall Denel Munition (RDM) beteiligt, welches dazu beitrug, im vergangenen Jahr eine Munitionsfabrik im saudischen Al Kharj zu eröffnen und diese auch beliefert. Immerhin sollen in Al Kharj bereits täglich 300 Artilleriegranaten oder 600 Mörsergranaten hergestellt werden.

Derartige Umwege scheinen angesichts der Kritik an den Exporten willkommen, so dass es der deutschen Öffentlichkeit nicht gleich ersichtlich ist, dass am Golf mithilfe und zugunsten deutscher Unternehmen getötet wird.

Zum Beispiel wurden mehr als 70 Eurofighter zwar vom britischen Co-Hersteller BAE Systems nach Saudi-Arabien verkauft, hergestellt wurden sie zu einem großen Teil in Deutschland. Ähnlich verkaufte Rheinmetall über ausländische Ableger, wie RWM Italia und Rheinmetall Italia, Rüstungsgüter im Wert von mehr als 70 Millionen Euro in die Golfmonarchie. Diese Zahlen müssen daher im Rüstungsexportbericht nicht genannt werden.

 

Quelle: RT