„Länder müssen Abschiebehaft für diese Islamisten beantragen“

 

Nach dem Anschlag in Hamburg werfen Koalitionspolitiker den Bundesländern vor, die erweiterten Maßnahmen gegen Gefährder inkonsequent anzuwenden. Ein bundesweites Bewertungssystem gibt es inzwischen.

ach dem Messerattentat im Hamburger Stadtteil Barmbek, bei dem am Freitag ein Islamist einen Mann erstach und sieben weitere Personen verletzte, fordern Unionspolitiker eine konsequentere Anwendung der neuen gesetzlichen Möglichkeiten.

Es gebe keinen unmittelbaren gesetzgeberischen Handlungsbedarf, aber sehr wohl die Notwendigkeit, die geltenden Gesetze konsequent anzuwenden, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), der WELT: „Die Voraussetzungen sind gelockert worden, um ausreisepflichtige Gefährder in Abschiebehaft zu nehmen. Nun sind die Länder gefordert, für diese Islamisten Abschiebehaft zu beantragen, auch wenn etwa noch keine Pass-Ersatzpapiere vorhanden, sondern erst beantragt sind.“

Der Bund habe in den vergangenen Monaten sowohl die Regelungen für die Ausweisung und Abschiebung straffälliger Ausländer als auch die Möglichkeiten der Abschiebehaft deutlich ausgeweitet, sagte CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach der WELT. „Aber wenn es dabei bleibt, dass wir bei einem Asylbegehren schon an der Grenze auf die bei der Einreise sonst zwingend vorgeschriebene Erfüllung der Passpflicht verzichten und Tag für Tag viele Hundert Drittstaatsangehörige mit ungeklärter Identität und Nationalität einreisen können, werden wir bei der Rückführung auch zukünftig große Probleme haben.“

Islamist oder Dschihadist?

Laut Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) war der mutmaßliche Täter Ahmad A. ausreisepflichtig und hat an seinem Ausreiseprozess aktiv mitgewirkt. Die benötigten Papiere seien jedoch noch nicht in Hamburg. Der 26-Jährige stammt aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Er kam 2015 als Asylbewerber nach Deutschland. Es gebe Hinweise auf eine islamistische Einstellung, sagte Grote, aber auch auf eine „psychische Labilität“. Nach Einschätzung des Hamburger Verfassungsschutzchefs Torsten Voß galt er als Islamist, nicht aber als militanter Dschihadist.

Diese Aussage offenbart, wie schwer sich die Sicherheitsbehörden nach wie vor mit der Qualifizierung von Gefährdern tun. Bis vor Kurzem gab es keine einheitlichen Regeln, nach denen diese bundesweit bewertet wurden. Jedes Bundesland hatte eigene Regeln. Inzwischen hat das Bundeskriminalamt (BKA) mit Radar-iTE aber ein detailliertes System entwickelt, nach dem Gefährder bewertet werden können, woraus dann in Zusammenarbeit mit dem BKA passende Maßnahmen abgeleitet werden sollen.

Laut Innenexperte Mayer hinken einige Bundesländer allerdings bei der Implementierung hinterher: „Es muss endlich das neue Bewertungssystem des BKA von allen Ländern angewandt werden.“ Die Länder müssten wesentlich effektiver von den gesetzgeberischen Möglichkeiten und Unterstützungsangeboten des Bundes Gebrauch machen, so Mayer.

 

Quelle: Welt