Die nationalkonservative Regierung in Warschau fordert erneut Kriegsentschädigung von Deutschland. Sie verfolgt auch innenpolitische Ziele. Doch der Plan stößt in Polen auf ein geteiltes Echo.
Es hat den Anschein eines Déjà-vu: In Polen bringen die regierenden Nationalkonservativen das Thema Kriegsentschädigungen auf. „Polen bereitet sich auf eine historische Gegenoffensive vor“, sagte der Vorsitzende der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, in einem Interview. Ähnlich hatten die PiS-Kräfte bereits vor zehn Jahren agiert, als Kaczynski kurzzeitig Regierungschef war.
Aber diesmal sieht es in der Tat nach einer größeren Offensive aus. Zwar hat die Bundesregierung inzwischen reagiert: Deutschland stehe politisch, moralisch und finanziell zu seiner historischen Verantwortung, aber die Frage der Reparationen sei rechtlich und politisch abschließend geregelt, sagte eine Sprecherin der Regierung in Berlin. Polen habe diese Frage selbst für abgeschlossen erklärt.
Dass der neue Vorstoß auch aktuelle Ziele verfolgen könnte, darauf deuten Worte des Vizeverteidigungsministers Bartosz Kownacki hin. Der Politiker sagte auf einer Feier zu Ehren des Warschauer Aufstands im Zusammenhang mit den Taten deutscher Kriegsverbrecher: „Heute belehren uns die Söhne und Enkel dieser Unmenschen, was Demokratie ist. Sie sollten schweigen.“
Kownacki, der jetzt wegen seiner früheren Kontakte zu Kreml-nahen Kräften in die Kritik geraten ist, war schon früher mit scharfen Aussagen aufgefallen. Im vorigen Herbst sagte er im Streit über die Teilnahme Polens an einer Rüstungsmesse in Frankreich über die Franzosen: „Das sind Leute, die vor ein paar Jahrhunderten von uns gelernt haben, mit der Gabel zu essen.“ Die Beziehungen zwischen Paris und Warschau sind derzeit auf einem Tiefstand.
Schon auf dem PiS-Parteitag vor einem Monat hatte Kaczynski auf die gewaltigen Kriegsverluste hingewiesen, „die wir im Grunde bis heute nicht wettgemacht haben“. Polen sei nicht entschädigt worden und habe auf Entschädigungen auch nicht verzichtet. „Die Verluste an Menschen, die Verluste der Eliten sind eigentlich nicht aufzuholen, dazu braucht es fünf bis sieben Generationen.“
In Warschau haben nach Kaczynski weitere PiS-Politiker Stellung bezogen. Dies geschah im Umfeld der jährlichen Gedenkfeiern für den Warschauer Aufstand gegen die deutschen Besatzer, der am 1. August 1944 begonnen hatte. Bei der Niederschlagung des Aufstands und dem begleitenden Terror gegen die Zivilbevölkerung verloren nach Schätzungen bis zu 180.000 Warschauer ihr Leben.
Sechs Millionen Polen verloren ihr Leben
Kownacki, der jetzt wegen seiner früheren Kontakte zu Kreml-nahen Kräften in die Kritik geraten ist, war schon früher mit scharfen Aussagen aufgefallen. Im vorigen Herbst sagte er im Streit über die Teilnahme Polens an einer Rüstungsmesse in Frankreich über die Franzosen: „Das sind Leute, die vor ein paar Jahrhunderten von uns gelernt haben, mit der Gabel zu essen.“ Die Beziehungen zwischen Paris und Warschau sind derzeit auf einem Tiefstand.
Schon auf dem PiS-Parteitag vor einem Monat hatte Kaczynski auf die gewaltigen Kriegsverluste hingewiesen, „die wir im Grunde bis heute nicht wettgemacht haben“. Polen sei nicht entschädigt worden und habe auf Entschädigungen auch nicht verzichtet. „Die Verluste an Menschen, die Verluste der Eliten sind eigentlich nicht aufzuholen, dazu braucht es fünf bis sieben Generationen.“
In Warschau haben nach Kaczynski weitere PiS-Politiker Stellung bezogen. Dies geschah im Umfeld der jährlichen Gedenkfeiern für den Warschauer Aufstand gegen die deutschen Besatzer, der am 1. August 1944 begonnen hatte. Bei der Niederschlagung des Aufstands und dem begleitenden Terror gegen die Zivilbevölkerung verloren nach Schätzungen bis zu 180.000 Warschauer ihr Leben.
Sechs Millionen Polen verloren ihr Leben
Insgesamt kamen nach Schätzungen etwa sechs Millionen polnische Bürger, darunter drei Millionen polnische Juden, durch Krieg, Besatzung und Holocaust ums Leben. Polen gilt damit als das Land mit den prozentual höchsten Verlusten im Zweiten Weltkrieg. Hinzu kommen die Zerstörungen und die umfangreiche Beschlagnahmung von Besitz jeder Art.
Polens Verteidigungsminister Antoni Macierewicz hat die Auffassung, die Reparationsfrage sei abgeschlossen, als „unwahr“ zurückgewiesen. Vielmehr habe das kommunistische Polen, „eine sowjetische Kolonie“, gegenüber dem „Marionettenstaat“ DDR seinen Verzicht auf Reparationen erklärt. „Das Einzige, was die Deutschen tun können, ist zu versuchen, das (die Kriegsverluste) wiedergutzumachen und die schreckliche Schuld abzuzahlen“, sagte der Minister.
Ryszard Czarnecki, Vizepräsident des Europaparlaments und PiS-Politiker, bekräftigte die Forderungen nach Reparationen. „Wenn Juden Entschädigungen erhalten haben – zu Recht – für den Verlust von Eigentum, warum sollten wir dann nicht auch Forderungen stellen?“, sagte er. Der Historiker Wojciech Roszkowski verwies auf Namibia, das Entschädigung für fast hundert Jahre alte deutsche Verbrechen fordere. „Die Haltung Namibias sollte unseren Kritikern zu denken geben.“
Schon am 12. Juli hatte der PiS-Abgeordnete Arkadiusz Mularczyk an den wissenschaftlichen Dienst des polnischen Parlaments geschrieben mit der Bitte um eine Klärung der Frage. Laut der polnischen Agentur PAP heißt es in seinem Brief: „Kann die Republik Polen im Licht des Völkerrechts für materielle und Menschenverluste, die durch die deutsche Aggression im Zweiten Weltkrieg verursacht wurden, an Deutschland Entschädigungsforderungen stellen? Wenn die Antwort positiv ausfällt, bitte ich um einen Hinweis auf Verfahren und Form, wie diese Forderungen eingeklagt werden können.“
Er wolle alle Informationen zu diesem Thema bündeln, sagte der Abgeordnete, und habe auch nach den womöglich von anderen Staaten erhaltenen deutschen Entschädigungen gefragt. Der Parlamentsdienst habe die Anfrage für ein Gutachten an externe Experten weitergeleitet. Bis zum 11. August solle die Analyse vorliegen.
Die Forderungen nach Reparationen sind in Polen selbst auf ein geteiltes Echo gestoßen. Der Historiker Wlodzimierz Borodziej von der Universität Warschau kritisierte, dass die Urheber dieser Initiative „die Polen gegen ihre Nachbarn aufhetzen. Und natürlich wollen sie in Polen die Überzeugung stärken, unser Land sei nach wie vor ein Opfer der Deutschen und uns stünden vom heutigen Deutschland Entschädigungen zu.“ Man könne zwar „weiße Flecken“ in der Erinnerung der Deutschen beklagen. Doch es gebe „kein anderes Land der Welt, das seine Vergangenheit so tief aufgearbeitet hat wie Deutschland“.
„Jede polnische Familie hat Schlimmes erfahren“
Zwar habe „jede polnische Familie von Deutschen, Russen, Ukrainern oder allen der Reihe nach Schlimmes erfahren. Jede fühlt sich geschädigt, aber ich glaube nicht, dass sie jetzt diese Schäden in Geld umrechnen will.“ Er glaube an „die Vernunft der Polen. Ich denke nicht, dass sie sich einreden lassen, dass ihre deutschen Nachbarn in der dritten oder vierten Generation nach dem Krieg ihnen gegenüber feindliche Absichten haben.“
Die Reparationsfrage, so Borodziej, ist „abgeschlossen, und das Vorbringen solcher Forderungen kann ich mir nur mit dem Gipfel der Saure-Gurken-Zeit erklären.“
In der liberalen „Gazeta Wyborcza“ richtete derweil ein im früheren Ostpreußen aufgewachsener Autor einen ironischen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er bringt darin ins Gespräch, sie möge ihm doch im Rahmen der Entschädigung ein „Häuschen am Wannsee“ und einen BMW stiften. „Zahlt und hört auf, Euch in unsere Angelegenheiten einzumischen. … Ach, übrigens: Habt Ihr für den Krieg Polens gegen die Kreuzritter schon Eure Reparationen gezahlt?“
Quelle: Welt