Keine großen Veränderungen in der russischen Deutschland-Politik erwartet Elena Tschernenko, Ressortleiterin Außenpolitik der Moskauer Tageszeitung „Kommersant“ nach dem Wechsel des Moskauer Botschafters in Berlin, Wladimir Grinin.
Die russische Außenpolitik ist in solchen Sachen kontinuierlich, sagte sie im Interview mit Sputnik-Korrespondent Nikolaj Jolkin. „Es gibt mehrere Aussagen von dem zukünftigen Botschafter Sergej Netschajew zu den Beziehungen mit Deutschland, und man kann einige Schlussfolgerungen daraus ziehen. So habe er das Gefühl, dass das Verständnis in Deutschland in Bezug auf die Normalisierung der bilateralen Beziehungen und die Wiederherstellung der eingefrorenen Kooperationsformate gefragt und unvermeidlich sei.“
Gleichzeitig betonte Netschajew, dass auch Moskau an der Verbesserung der Beziehungen zu Berlin interessiert sei. Allerdings „unter Berücksichtigung der prinzipiellen russischen Interessen und nicht fragmentarisch, also nicht nur dort, wo dies nur den deutschen Partnern passt.“
Bezüglich der Neubesetzung der russischen Botschafterposten in Washington und Paris gebe es verschiedene Gründe, behauptet Tschernenko.
„Was Frankreich und Deutschland angeht, so sind die beiden Botschafter schon fast 70 Jahre alt, und sie scheiden daher altersbedingt in wenigen Monaten aus dem Staatsdienst aus. Deswegen hat man für sie Nachfolger gefunden. Für Deutschland ist es Sergej Netschajew, Direktor der Dritten Europäischen Abteilung des russischen Außenministeriums, der früher Botschafter in Österreich, Finnland und Polen war, über gute Deutsch-Kenntnissen und eine große Erfahrung im diplomatischen Dienst verfügt.» Er sei seit 1971 im Außenministerium tätig.
Mit Frankreich sei es eine ähnliche Geschichte, fährt die außenpolitische Journalistin fort.
„Da wird der aktuelle Botschafter Alexander Alow in wenigen Monaten auch schon fast 70. Er wird durch den Stellvertreter des russischen Außenministers Sergei Lawrow, Alexei Meschkow, ersetzt.
Was die USA angehe, führt Tschernenko weiter aus, sei der Wechsel nicht alters-, sondern eher zeitbedingt. „Denn der ehemalige Botschafter Sergei Kisljak war sehr lange an einer Stelle, in Washington, im Dienst. Es ist ein routinemäßiger Wechsel, wenn man acht bis neun Jahre an einer Stelle arbeitet und dann nach Moskau zurückgeht. Kisljak soll dann im Föderationsrat Russlands (Oberhaus) eine Stelle bekommen.
Deutschland und Frankreich gegen US-Sanktionen ausspielen?
Da entstehe die Frage, ob Moskau jetzt auf Europa setzen solle und die Beziehungen mit der EU wenn nicht zu verbessern, dann zumindest zu normalisieren, betont Tschernenko. Besonders dann, wenn mehrere europäische Länder, vor allem Deutschland, gegen die neuen amerikanischen Sanktionen seien.
„Die Sache ist jedoch die“, so die Journalistin, „dass diese europäischen Länder und natürlich auch Deutschland sich dagegen sträuben, nicht weil sie jetzt meinen, dass Russland auf einmal keine Sanktionen verdiene und nicht schuld an dem sei, was in der Ukraine oder in Syrien passiert sowie an diesen Hackerattacken — an all dem, wofür die USA Russland bestrafen möchten. Nein. Aber die Deutschen und ganz Europa fürchten, dass ihre wirtschaftlichen Interessen dadurch zu Schaden kommen könnten.“
Sie seien nur aus diesem Grund gegen die Sanktionen, so Tschernenko. „Es geht um ihre wirtschaftlichen Interessen, um die der deutschen Firmen, um die Zusammenarbeit mit Russland im Gas- und Energiebereich. Und Europa möchte nicht, dass die USA sich in diese Sphäre einmischen und sich Vorteile durch diese Sanktionen auf dem europäischen Markt schaffen.“
Quelle: Sputnik