Das iranische Parlament beendet die Gespräche über die Zusammensetzung des neuen Kabinetts, das am 14. August gebilligt werden soll. Laut der Zeitung „Kommersant“ sind die größten Rochaden im Verteidigungs-, im Energie- und im Wirtschaftsministerium zu erwarten.
Außenminister Mohammad Dschawad Sarif soll aber in der Zeit der Normalisierung der Beziehungen zum Westen in seinem Amt bleiben.
Vor der neuen iranischen Regierung stehen äußerst schwierige Aufgaben – das Tempo der Reformen nicht zu verlieren und eine erneute Konfrontation mit den USA zu verhindern, nachdem Donald Trump ein Gesetz über zusätzliche Sanktionen gegen Russland, den Iran und Nordkorea unterzeichnet hat.
Die Bildung der neuen Regierung wird der letzte Schritt bei der Erneuerung der Exekutive nach der in der vergangenen Woche stattgefundenen Amtseinführung des Präsidenten Hassan Rohani sein. Die zur Besprechung vorgelegte Zusammensetzung der neuen Regierung sorgte bereits für heiße Diskussionen darüber ob Reformer Rohani es schafft, seinen früheren Kurs angesichts des zunehmenden Drucks seitens der USA beizubehalten. Eine Art „US-Geschenk“ zur Amtseinführung Rohanis war das Gesetz über die neuen Sanktionen gegen den Iran.
Obwohl das neue Gesetz formell drei Länder in der globalen „Achse des Übels“ zusammenschließt, kann der Einfluss der US-Sanktionen auf den Iran und Russland kaum miteinander verglichen werden, da Teheran seit der Islamischen Revolution 1979 gelernt hat, unter westlichen Sanktionen zu existieren, meint Nahost-Expertin Lana Ravandi-Fadai. In den vergangenen Jahrzehnten bildete sich im Lande eine Art Wirtschaft des Widerstandes. Allerdings kann die Verschärfung der Sanktionen einen neuen Schlag gegen die iranische Wirtschaft bedeuten, indem der Zugang zu fortschrittlichen Technologien versperrt und internationale Unternehmen angesichts neuer Investitionsrisiken abgeschreckt werden, so die Expertin.
Laut dem Experten vom Russischen Rat für internationale Angelegenheiten, Maxim Sutschkow, werden für iranische Behörden neue Möglichkeiten für engere Kontakte mit den russischen Unternehmen eröffnet, da der iranische Rüstungs- und Industriekomplex erheblich unter den Sanktionen leidet.
Angesichts des wachsenden Drucks seitens der USA muss Teheran eine Antwort auf neue Sanktionen konzipieren, um ihren Schaden zu minimieren und die Rückkehr zur Ära einer umfassenden Konfrontation mit den USA und dem Westen zu verhindern. Darüber hinaus muss die Regierung Rohanis äußerst schwierige Aufgaben der weiteren wirtschaftlichen Modernisierung, Schaffung neuer Arbeitsplätze und Anlockung ausländischer Investitionen bewältigen, indem sie zwischen den wichtigsten Machtzentren balanciert – dem geistlichen Oberhaupt Ayatollah Chamenei, dem Parlament und der Islamischen Revolutionsgarde.
Den Kern des neuen Kabinetts bilden die Mitglieder der vorherigen Regierung, zu deren größten Errungenschaften der Atomdeal und die begonnene Überwindung der Isolation gehören.
Der Gestalter der neuen iranischen Außenpolitik, Mohammed Dschawad Sarif, der aktiv an den Gesprächen mit der internationalen Sechsergruppe zum Atom-Deal teilnahm, wird seinen Posten beibehalten. Weiter im Amt bleiben Ölminister Bijan Namdar Zangeneh, der Innenminister und der Informationsminister.
Die größten Änderungen sind im Verteidigungsministerium, Wirtschaftsministerium und dem Energieministerium zu erwarten. Der neue Verteidigungsminister soll General Amir Hatami werden, Stellvertreter des aktuellen Verteidigungsministers Hossein Dehgan. Damit wird das Verteidigungsministerium zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren von einem Berufsmilitär statt einem Vertreter der Islamischen Revolutionsgarde geleitet. Die bevorstehende Rochade wird als Versuch Rohanis angesehen, das Verteidigungsministerium aus der Umklammerung der Islamischen Revolutionsgarde zu befreien, die als Stütze der konservativen Kräfte gilt.
Die größte Überraschung ist die Kandidatur eines politischen Neulings, des 35-jährigen Ingenieurs Mohammed Dschawad Dschahromi, für den Posten des Telekommunikationsministers, der zum jüngsten Mitglied der neuen Regierung werden könnte.
Obwohl der iranische Präsident mit diesen Personalwechseln versucht, seine Opponenten klein zu halten, kritisierten iranische Reformer die Personalpolitik Rohanis. Laut dem liberalen Lager machte Rohani zu große Zugeständnisse an die Konservativen. So wird Rohani vorgeworfen, dass es in der neuen Regierung keine einzige Frau geben wird. Zudem gibt es dort keinen einzigen Sunniten, die zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Während die liberale Opposition Rohani zu große Zugeständnisse vorwirft, meinen Experten in Teheran, dass es keine Probleme mit der Billigung der neuen Regierung im iranischen Medschlis geben wid. Während der Amtseinführung wurde Rohani vom geistlichen Führer gesegnet, was als indirekte Bestätigung betrachtet wird, dass der Präsident gekonnt zwischen verschiedenen Machtzentren balanciert.
Doch wie lange dieser erzwungene Konsens in der iranischen Elite dauern wird, wird von der Entwicklung der internationalen Situation um den Iran abhängen. „Die Lage Teherans bleibt äußerst schwierig. Die Trump-Administration lehnte den Plan Barack Obamas ab, der darin bestand, mit der Annäherung an den Iran die Positionen der Traditionalisten zu untergraben und die der Liberalen zu festigen. Washington kehrte zur Idee der Suche nach Varianten des Sturzes des iranischen Regimes zurück. Die neue Regierung soll nach einer Antwort darauf suchen“, so Sutschkow.
Quelle: Sputnik