US-Präsident Donald Trump hat den gefährlichen Konflikt mit Nordkorea durch seine Drohung mit «Feuer, Wut und Macht» weiter angefacht. Nur Stunden nach seiner beispiellosen Warnung an Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un drohte Nordkoreas Militär seinerseits mit einem Raketenangriff auf die US-Pazifikinsel Guam.
Die Kriegsrhetorik weckte Ängste vor einer unkalkulierbaren Eskalation oder gefährlichen Fehleinschätzung, die einen gewaltsamen Konflikt mit hunderttausenden Toten auf der koreanischen Halbinsel auslösen könnte.
Aggressivste Wortwahl eines US-Präsidenten seit Hiroshima
Während sich Nordkoreas offizielle Kommunikation gerne auch mal drastischer Formulierungen bedient, kennen derart offen kriegslüsterne Äußerungen durch einen US-amerikanischen Präsidenten kaum Präzedenzfälle. Ähnlich hatte sich nur US-Präsident Harry Truman 1945 anlässlich der Mitteilung über den Abwurf der Atombombe auf die japanische Stadt Hiroshima geäußert, als er die Kapitulation der Japaner forderte, wie US-Medien hervorhoben. Er drohte ihnen widrigenfalls mit einem «Regen der Zerstörung aus der Luft, wie ihn die Erde noch nicht gesehen hat».
Der jüngste verbale Schlagabtausch ist der vorläufige Höhepunkt der Krise, die nach Nordkoreas Tests mit Interkontinentalraketen eskaliert war. Die Sorge über Pjöngjangs Fortschritte im Umgang mit Nuklearsprengköpfen wächst. Die USA und Japan gehen davon aus, dass Nordkorea inzwischen in der Lage ist, Raketen mit Miniatur-Atomsprengköpfen zu bestücken — darunter auch Interkontinentalraketen, die die USA erreichen könnten. Allerdings wiesen Experten darauf hin, dass es nicht allein um die Verkleinerung der Sprengköpfe geht, sondern auch darum, dass diese auch den Wiedereintritt der Raketen in die Erdatmosphäre überstehen.
Südkorea: Bürger reagieren gefasst
Trotz der neuen Spannungen zeigten sich viele Südkoreaner erstaunlich gelassen. Die Regierung in Seoul gab keine Warnmeldung heraus. Auch das öffentliche Leben in der besonders stark von Nordkoreas Artillerie bedrohten Hauptstadt ging wie gewohnt seinen Gang.
Nordkorea droht ja immer wieder damit, aber am Ende ist nie etwas passiert»,
sagte die 26-jährige Jeon Hae-in in Euijeongbu, einem Vorort von Seoul, nur rund 30 Kilometer von der Grenze zu Nordkorea entfernt:
Bei Trump ist es ein bisschen anders. Ihm würde ich alles zutrauen.
Kritik an Trumps feuriger Wortwahl hagelte es auch in den USA. Ausgerechnet der außenpolitische profilierte, republikanische US-Senator John McCain, der eher zu den Falken in Washington zählt, mahnte Trump zur Zurückhaltung.
Die großen Führer, die ich kenne, sprechen keine Drohungen aus, solange sie nicht bereit sind zum Handeln», sagte der Republikaner dem US-Radiosender KTAR. Und er ergänzte: Und ich bin nicht sicher, dass Präsident Trump bereit zum Handeln ist. Trump bringe die USA damit nur näher an eine ernste Konfrontation.
Unklarheit, ob Trumps Äußerung spontan oder beabsichtigt
Andere Kritiker warnten, Trump setze die Glaubwürdigkeit der USA aufs Spiel. Historiker wiesen darauf hin, dass US-Präsidenten gewöhnlich behutsam mit ihrer Sprache umgehen, um eine Krise nicht unnötig anzufachen. Auch sinke Trump auf das Niveau des nordkoreanischen Machthabers, wenn er sich im Ton an die Nordkoreaner anlehne.
Während manche Beobachter aber auch eine «Botschaft der Abschreckung» sahen, fürchteten andere einen «gefährlichen Pfad», den Trump beschreite. Unklar blieb, ob sich Trump spontan geäußert hatte — oder ob seine Formulierung so geplant war. Aber auch Nordkorea ließ seine Muskeln spielen. Pjöngjang zielte schon früher mit Drohungen auf die US-Luftwaffenbasis Andersen auf Guam, von der die USA häufig strategische Bomber des Typs B-1 zu Manövern in Richtung der koreanischen Halbinsel entsenden.
Die Insel gilt Pjöngjang als potenzieller «Ausgangspunkt für eine Invasion in Nordkorea». Erwogen wird demnach ein Angriff mit ballistischen Raketen des Typs Hwasong-12. Doch gibt es auch Skepsis unter US-Experten, ob Nordkorea zu einem solchen Angriff überhaupt technisch in der Lage ist. Seine Drohungen rechtfertigte Pjöngjang mit einer Mobilisierung des Atomwaffenarsenals sowie Raketentests durch die USA und Übungen, die auch Langstreckenbomber über Südkorea beinhalteten.
Pjöngjang sieht seine strategischen Waffen als ein wichtiges militärisches Mittel, um «entschlossen dem politischen und wirtschaftlichen Druck der USA sowie deren militärischen Drohungen zu kontern». Die Frage sei, ob nur die USA die Option eines von ihnen so genannten Präventivkriegs haben. Angesichts der Drohungen der USA mit einer «militärischen Option» kündigte ein nordkoreanischer Militärsprecher laut KCNA an, auf einen solchen möglichen Erstschlag der USA mit einem «grenzenlosen Krieg» zu reagieren, der «sämtliche Stützpunkte des Gegners ausrotten wird, auch auf dem US-Festland».
China: Sorge über Entwicklung im Nachbarland
Auch China verfolgt die sich täglich verschärfende Eskalation mit großer Sorge. Peking will die Kontrahenten an den Verhandlungstisch bringen. Dies ließe sich nach chinesischer Überzeugung erreichen, indem die USA ihre Manöver mit Südkorea einstellen und Nordkorea sein Atom- und Raketenprogramm aussetzt. Trump solle auf Kim Jong-un zugehen und die Sicherheitsinteressen Nordkoreas berücksichtigen, fordert Peking. Die USA wie auch Nordkorea lehnen diesen «zweigleisigen Ansatz» aber ab.
«Die Lage auf der koreanischen Halbinsel ist sehr gefährlich», sagte der Experte Zhang Liangui von Pekings Parteihochschule. Nordkorea betrachte sich selbst bereits als Atommacht und wolle sich diesen Status nicht mehr nehmen lassen. Pjöngjang komme damit aber der «roten Linie» der USA sehr nahe, wonach es nicht die Sicherheit der USA bedrohen dürfe. Wegen der Fortschritte in Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm «tickt die Uhr», da die Sanktionen nicht wirkten.
Moon Jae-in will Armee umfassend reformieren
In der Krise will Südkorea aufrüsten. Südkoreas Präsident Moon Jae-in rief zu einer tiefgreifenden Reform der Streitkräfte auf. Laut Nachrichtenagentur Yonhap erklärte er gegenüber Spitzenbefehlshabern:
Wir brauchen eine vollständige Verteidigungsreform im Sinne einer Wiedergeburt, anstatt nur einige Modifizierungen oder Verbesserungen durchzuführen.
Südkorea will unter anderem Raketen mit höherer Sprengkraft anschaffen, um unterirdische Bunker zerstören zu können. Australiens Premierminister Malcolm Turnbull warnte eindringlich vor einer kriegerischen Eskalation. «Ein Konflikt wäre vernichtend», sagte Turnbull vor Journalisten in Canberra. «Er hätte katastrophale Konsequenzen. Das ist uns allen klar.»
In einem Interview mit der Deutschen Presse Agentur (dpa) sieht Dr. Eric Ballbach, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin mit Schwerpunkt Außen- und Sicherheitspolitik von Nord- und Südkorea, keine unmittelbare Gefahr eines Krieges. Auf die Frage, wie wahrscheinlich eine weitere Eskalation sei, antwortete Ballbach:
Wir müssen das natürlich ernstnehmen. Wir dürfen nie ausschließen, dass es irgendwo — entweder in den USA oder in Nordkorea — Leute gibt, die diese militärische Gefahr weiter eskalieren lassen. Nichtsdestotrotz sehe ich keine unmittelbare Gefahr eines Krieges. Zum einen besteht das Problem darin, dass ein Militärschlag gegen Nordkorea militärstrategisch nicht unproblematisch wäre. Wir wissen nicht genau, wo sich die nukleare Infrastruktur befindet. Ein Präzisionsschlag wäre nur sinnvoll, wenn wir den genauen Standort kennen. Zweitens wäre das ein Krieg in einer der wirtschaftlich dynamischsten Regionen der Welt, wo sich ja die Wirtschaftsräume Südkoreas, Japans, Chinas und strategisch betrachtet auch der USA überschneiden. Das hätte Einfluss über die ostasiatische Region hinaus. Drittens müssen wir im Fall einer militärischen Konfrontation davon ausgehen, dass Nordkorea entsprechend zurückschlägt. Angesichts der Tatsache, dass Nordkorea einen Großteil seines Militärapparats entlang der südkoreanischen Grenze stationiert hat, kann man sich ausmalen, was für dramatische Folgen — auch menschliche Verluste — das nach sich ziehen würde.
Er kritisierte zudem, dass Trump in seiner Politik gegenüber Nordkorea momentan keine feste Linie verfolge.
Wir hören ja Nordkorea-Strategien, die in alle Richtungen laufen. Wir hören vom Verteidigungsministerium und aus dem Weißen Haus immer wieder die Drohung, dass alle Optionen — auch die militärischen — auf dem Tisch liegen. Wir hören aus dem Außenministerium von Rex Tillerson aber ganz andere Töne. Ein Grund, warum wir so unterschiedliche Stimmen hören, ist, dass wir noch immer keinen Vize-Außenminister für Ostasien in den USA haben», so Ballbach.
Man spreche mit divergierenden Stimmen, weil es keine koordinierte Strategie gegenüber Nordkorea gäbe. Deutlich dramatischer als Ballbach schätzt der ehemalige CIA-Chef der Sektion für Nord- und Südkorea, Bruce Klingner, die Situation ein. Er warnte gegenüber dem US-amerikanischen Sender CNBC eindringlich vor einer «Gefahr der Fehlkalkulation und einer Gefahr der Eskalation». Der ehemalige US-amerikanische Diplomat Joseph De Thomas sprach davon, dass es «keine Option mehr gäbe, die wie von Zauberhand die Situation lösen könne». Er glaube nicht an die Macht von Sanktionen, so De Thomas. Auch er kritisierte die «flatterhafte» Politik von US-Präsident Donald Trump.
Quelle: RT