Von Andre Damon
Am 9. August drohte US-Verteidigungsminister James Mattis Nordkorea mit der „Vernichtung seines Volkes“, falls es sich den Forderungen der USA nicht beuge.
Kurz darauf brach der ehemalige General des Marine Corps – wegen seiner blutigen Eroberung von Falludscha im Jahr 2004 auch „Mad Dog Mattis“ genannt – zu einer Dienstreise auf. Allerdings besuchte er keine entfernten Militärstützpunkte, sondern den Firmensitz von Amazon in Seattle und eine Abteilung des Verteidigungsministeriums im Silicon Valley, die eng mit Technologiekonzernen wie Google zusammenarbeitet.
Die USA stehen so nahe am Rande eines nuklearen Konflikts wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Vor diesem Hintergrund zeigt Mattis‘ Besuch, dass die amerikanischen Technologiekonzerne nicht nur bei Kriegen im Ausland eine immer größere Rolle spielen, sondern auch bei der Zensur und der Unterdrückung von politischem Widerstand im Inneren.
Mattis und das US-Militär sind sich bei ihren Vorbereitungen auf einen Krieg gegen Nordkorea (und sehr wahrscheinlich auch gegen dessen Verbündeten China) durchaus darüber bewusst, dass ihr potenziell größter Gegner im Inland lauert: Es ist die Arbeiterklasse, denn sie lehnt den Krieg ab. Mit dem Anwachsen von Militarismus und Krieg geht immer auch eine Ausweitung der Angriffe auf demokratische Rechte und die Entwicklung autoritärer Herrschaftsformen einher.
Das US-Militär, die Geheimdienste und die großen Medienkonzerne arbeiten mittlerweile mit den Technologiekonzernen zusammen, um linke und pazifistische Websites durch systematische Zensur zum Schweigen zu bringen. Google ist dabei besonders aktiv, und auf die World Socialist Web Site hat der Konzern es speziell abgesehen.
Angeblich gehe es darum, gegen „Fake News“ zu kämpfen und „seriöse“ Inhalte im Internet zu fördern. Unter diesem Vorwand hat Google in den letzten drei Monaten seinen Suchalgorithmus verändert. Seither verzeichnen führende linke Websites einen Rückgang der Zugriffe über Google um 45 Prozent. Der Suchtraffic über Google auf die World Socialist Web Site hat sich durch diese politische Zensur um mehr als zwei Drittel verringert.
Zweifellos war Googles Zensur-Algorithmus ein wichtiges Thema in Mattis‘ Diskussionen mit Cheftechnikern. Der offizielle Zweck seines Besuchs war es jedoch, die Firmen des Silicon Valley noch enger in das boomende und lukrative Geschäft mit der Kriegsführung einzubinden.
Am 10. August traf sich Mattis mit Amazon-Vorstandschef Jeff Bezos im Firmensitz des Technologiekonzerns in Seattle.
Einen Tag später hielt er eine Rede im Sitz der Defense Innovation Unit Experimental (DIUX). Das ist eine Einrichtung des Verteidigungsministeriums, die gerade mal drei Kilometer vom Google-Campus in Mountain View in Kalifornien entfernt liegt. Eric Schmidt, der Vorsitzende von Googles Muttergesellschaft Alphabet, ist auch Berater der DIUX.
Mattis sagte, die Partnerschaft des Pentagon mit dem Silicon Valley über die DIUX mache das US-Militär „noch tödlicher und noch effektiver“ als je zuvor. Die DIUX verteilt Aufträge für Militärtechnologie an amerikanische Hightech-Firmen.
Im Rahmen dieser Operation wurden bereits Verträge im Gesamtwert von 100 Millionen Dollar für 45 Pilotprojekte in Bereichen wie künstliche Intelligenz, autonome Maschinen und Weltraumtechnologie vergeben. Auf ihrer Website lädt die DIUX die Technologiefirmen ein, sich an einem „mehr als 100 Milliarden Dollar schweren Markt“ zu beteiligen.
Mattis erklärte während seines Besuchs: „Wir können hier draußen [durch die Arbeit der DIUX] die Fortschritte in der künstlichen Intelligenz immer besser ins US-Militär einbinden.“ Er sagte auch, der Einfluss und die Bedeutung der DIUX auf das Militär würden weiter wachsen. Laut Bloomberg News entwickelt sie u.a. ein System, das Luftangriffe auf Ziele wie „flüchtende Fahrzeuge“ koordinieren soll.
Nach seinen vorbereiteten Bemerkungen erklärte Mattis, das US-Militär sei auf „militärische Optionen“ gegen Nordkorea „vorbereitet“.
Noch wichtiger als die Fähigkeit der Technologiekonzerne, Kriege im Ausland zu führen, ist für das Pentagon der Einsatz ihrer Kommunikations-Infrastruktur zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung und zur Unterdrückung von pazifistischen und oppositionellen Ansichten. Eine wichtige Rolle spielt hierbei eine Denkfabrik namens Jigsaw, ein Tochterunternehmen von Googles Muttergesellschaft Alphabet. Jigsaws Präsident Jared Cohen war früher Berater der Außenministerinnen Condoleezza Rice und Hillary Clinton.
Das bekannteste Projekt von Jigsaw ist ein System namens „Perspective API“, das es erlaubt, Kommentare im Internet zu zensieren. Das Unternehmen bezeichnet dies als „neues Tool für Web-Publisher zur Identifikation von schädlichen Kommentatoren, die einen gesitteten Austausch von Ideen behindern können“.
Das Programm wurde in Zusammenarbeit mit den großen amerikanischen Zeitungen entwickelt und wird bereits genutzt, um in der Kommentarspalte der New York Times Kommentare zum Löschen zu markieren. WikiLeaks erklärte letzte Woche, ein Kommentar mit dem Inhalt „Die CIA hat Islamisten in Syrien bewaffnet und ist für tausende Todesopfer verantwortlich“ werde von Perspective API als 66 Prozent „schädlich“ markiert. Ein Kommentar mit dem Inhalt „Die US-Regierung ist wunderbar“ gilt als null Prozent „schädlich“, während „die US-Regierung ist korrupt“ als 71 Prozent „schädlich“ gilt.
Im zweiten Quartal dieses Jahres gab Google fast sechs Millionen Dollar für Lobbyarbeit bei der US-Regierung aus, mehr als je zuvor und mehr als jedes andere amerikanische Unternehmen.
Google pflegte enge Beziehungen zur Vorgängerregierung unter Barack Obama. Das Onlinemagazin The Intercept schreibt: „Seit Beginn von Obamas Präsidentschaft und bis Oktober 2015 nahmen Vertreter von Google durchschnittlich mehr als einmal pro Woche an Treffen im Weißen Haus teil.“
Im Bericht des Intercept heißt es weiter: „Während Obamas Präsidentschaft sind fast 250 Menschen zwischen Google und Regierungsposten hin- und hergewechselt … Kein anderes privates Unternehmen genießt ein so intimes Verhältnis zur Regierung.“
Die immer engere Partnerschaft zwischen den Technologiekonzernen und dem Militär entspricht den Ergebnissen einer Studie des War College der US Army. Dieses hatte vor kurzem in mehreren Berichten erklärt, die Kontrolle über den wachsenden politischen Widerstand sei ein wichtiges Element der modernen Militärstrategie, und die Kontrolle über die Kommunikation im Internet sei für Militäroperationen „von entscheidender Bedeutung“.
In einer Studie mit dem Titel „Soziale Netzwerke: Können wir diesen wichtigen Bereich kontrollieren?“, die im April veröffentlicht wurde, erklärte das Army War College: „Die Auswirkungen der sozialen Netzwerke auf die Medienlandschaft sind mittlerweile allgemein anerkannt. Ebenso die Fähigkeit extremistischer und feindlicher Organisationen, die Medien zur Veröffentlichung ihrer Ansichten, zur Verbreitung ihrer Propaganda und zur Rekrutierung anfälliger Personen auszunutzen.“
Weiter heißt es dort: „Die sozialen Netzwerke werden in wachsendem Maß direkte Folgen für fast alle Aspekte von Militäroperationen im 21. Jahrhundert haben“. Daher müsse das Militär „seine Kontrolle über soziale Netzwerke ausweiten“, vor allem „zur Täuschung und für die psychologische Kriegsführung (PSYOPS)“.
Auch in einem Bericht des Verteidigungsministeriums hieß es letzten Monat, angesichts der „wachsenden Kluft zwischen Regierung und Regierten in der Frage das Grundrechts auf Herrschaft“ werde die Kontrolle über die Onlinekommunikation immer bedeutender werden.
Der Bericht stellt fest: „Heute erleben alle Staaten einen steilen Rückgang ihrer Autorität, ihres Einflusses, ihrer Reichweite und ihrer gemeinsamen Attraktion.“ Der Bevölkerung böten sich „zahllose alternative Möglichkeiten politischer Zugehörigkeiten“.
Ein weiterer Bericht vom letzten Jahr warnte, die wachsenden internationalen Gegensätze führten zu einer immer schärferen Krise der „gesellschaftlichen Ordnung“.
Die Schlussfolgerung lautete, sämtliche Staaten kämpften heute für ihre Interessen nach dem Motto: „Jeder gegen jeden“. Sie stünden aber „auf Treibsand“ und seien nicht nur durch nationale Rivalen gefährdet, sondern auch durch „die prekäre und erschütterte Gesellschaftsordnung, auf der sie selbst beruhen“.
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Quelle: WSWS