Die Situation im Donbass hat sich kurz vor dem geplanten Treffen der Vertreter Russlands und der USA, Wladislaw Surkow, enger Berater von Russlands Präsident Wladimir Putin, und Kurt Volker, US-Sonderbeauftragter für die Ukraine, erneut zugespitzt, schreibt die „Nesawissimaja Gaseta“ am Donnerstag.
Laut einer Quelle in Kiew kann von diesen Gesprächen die Entwicklung der Situation im Herbst abhängen. Die ukrainische Seite ist über die für September geplanten russisch-weißrussischen Übungen „Westen-2017“ (russ. „Zapad 2017“) sowie den vor wenigen Tagen in die Staatsduma (Parlamentsunterhaus) eingebrachten Gesetzentwurf über die Stationierung von russischen Flugabwehrkräften an der Grenze zur Ukraine besorgt.
Zuvor hatten ukrainische Politiker und Leiter der Sicherheitsdienste Befürchtungen geäußert, dass nach dem Manöver „Westen-2017“ von Weißrussland aus eine Offensive nicht nur in die Ukraine, sondern auch in einige benachbarte EU-Staaten gestartet werden könnte. Der ukrainische Verteidigungsminister Stepan Poltorak besuchte Anfang dieser Woche Polen, wo er potentielle Bedrohungen erörterte. „Wir verfolgen die Situation und kennen alle Bewegungen der russischen Truppen entlang unserer Grenze. Wir verstehen, welche Bedrohungen entstehen können, und werden auf die Bedrohungen adäquat reagieren, die diese Übungen mit sich bringen. Der Generalstab sieht mehrere Maßnahmen vor…“, sagte Poltorak nach seiner Rückkehr nach Kiew.
Die meisten ukrainischen Experten sind allerdings der Meinung, dass es keine Offensive geben werde. In der im Rahmen der Vorbereitung auf die Übungen zu erkennenden Verlegung der Militärs und Technik sehen sie eine Art Vorspiel zu den russisch-amerikanischen Ukraine-Gesprächen.
Eine neue Etappe des Dialogs begann vor dem Hintergrund neuer Sanktionen, die von US-Präsident Trump gebilligt wurden. Als erste Verhandlungsrunde auf dieser Etappe gilt das jüngste Treffen des US-Außenministers Rex Tillerson mit dem russischen Außenamtschef Sergej Lawrow am Rande des ASEAN-Gipfels in Manila. Beide schätzten das Gespräch positiv ein und berichteten über die erreichte Vereinbarung, ein weiteres Treffen auf der Ebene des Beraters des russischen Präsidenten Wladislaw Surkow und des US-Sondergesandten für die Ukraine, Kurt Volker, zu organisieren. Das Treffen soll in der kommenden Woche stattfinden, doch bislang wurden keine Details bekannt gegeben. Nach inoffiziellen Angaben lud die russische Seite Volker nach Kaliningrad ein, die US-Seite schlug Österreich und die Schweiz als Treffpunkt vor. Wie der Politologe Alexej Tschesnakow berichtete, findet das Treffen wohl in Minsk statt. Für die russische Delegation sei es ein guter Kompromiss – das Gebiet des Unionsstaates Russland und Weißrussland und nicht weit von Kaliningrad.
Seit der Ernennung Volkers zum Sondergesandten für die Ukraine war er bereits zweimal in der Ukraine – nicht nur in Kiew, sondern auch im Donbass, an der Trennungslinie. Ihm zufolge geht es im Donbass nicht um einen eingefrorenen Konflikt, sondern um einen heißen Konflikt. Volker machte Russland für die Situation in der Ostukraine verantwortlich.
In dieser Woche wurde in den Berichten der OSZE-Mission die Bewegung der Militärtechnik auf den Gebieten festgestellt, die nicht von der Ukraine kontrolliert werden. In offiziellen Dokumenten heißt es, dass die OSZE-Drohnen außerhalb der vereinbarten Stationierungsorte Panzer, Mehrfachraketenwerfer, Selbstfahrlafetten fixiert hätten. Zugleich berichtete die ukrainische Seite, dass in dieser Woche die Grad-Komplexe gegen sie eingesetzt worden seien. Die OSZE wolle die Zahl der Beobachtungsstellen im Donbass erhöhen, hieß es.
Die Ukraine stellt seit langem die Effizienz der Tätigkeit der OSZE-Mission infrage. Kiew beharrt auf der Bildung einer internationalen Friedensmission. Doch im UN-Sicherheitsrat wird diese Initiative von Russland blockiert, weil der Einzug von Friedenssoldaten nicht von den Minsker Abkommen vorgesehen ist. Auch die Führung der selbsterklärten Volksrepubliken Donezk und Lugansk tritt dagegen ein.
Laut dem ukrainischen Militärexperten Oleg Schdanow wird keine Bewegung in diese Angelegenheit kommen, solange juristisch nicht definiert ist, wer gegen wen im Donbass kämpft. Die ukrainische Seite soll ihm zufolge in Dokumenten fixieren, was sie in politischen Erklärungen sagt, — dass im Osten des Landes nicht ein innerer Konflikt, sondern ein Krieg im Gange sei, der durch äußere Aggression verursacht worden sei. Nur in diesem Fall könnte die UNO Friedenssoldaten entsenden.
Gegenwärtig bleibe die Situation jedoch unverändert: Russland verneint seine Beteiligung am Konflikt im Donbass und empfiehlt der Ukraine, sich mit den beiden Volksrepubliken Donezk und Lugansk an den Verhandlungstisch zu setzen. Die Ukraine bezeichnet Russland indes als ihren wahren Gegner.
Quelle: Sputnik