Im Nordkorea-Poker gegen USA: „Die Chinesen haben den Verdacht, dass…“

 

Die USA und China wollen einander in Ostasien schwächen – unter diesem Blickwinkel lässt sich auch die aktuelle Nordkorea-Krise betrachten. Einen Kommentar zum Thema liefert Artjom Lukin, Experte der Denkfabrik Russian International Affairs Council.

In einem Gastbeitrag für die Zeitschrift „Expert“ analysiert Lukin Motive von Pjöngjang, Washington und Peking in der Nordkorea-Krise. Er schreibt, die Regierung in Pjöngjang lasse sich vom Überlebensinstinkt leiten – angesichts der realen und imaginären Bedrohungen durch die USA. Den Atomwaffenbesitz betrachte sie als einzigen Weg, sich vor den Außenfeinden zu schützen.

„Die USA wollen das Land, das sie seit nahezu 70 Jahren für seinen Hauptfeind hält, daran hindern, sich in eine Raketen- und Atommacht zu verwandeln. Washington verfolgt aber auch ein weiteres – noch fundamentaleres – Ziel, das darin besteht, seine militärpolitische Herrschaft in Ostasien aufrechtzuerhalten und keine wesentliche Stärkung der strategischen Positionen Pekings zuzulassen“, so der Kommentar.

China wolle keinen Krieg vor seiner Grenze und sei deshalb an Frieden und Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel interessiert: „Noch mehr will Peking aber die USA aus Ostasien verdrängen und die Region in seinen Einflussbereich verwandeln.“
„Die Amerikaner wiederholen immer wieder, dass sie zum Schutz vor der nordkoreanischen Gefahr keinen anderen Ausweg hätten als eine Erweiterung ihrer Militärpräsenz in der Region – vor allem durch eine intensivere Stationierung ihrer Raketenabwehrsysteme. In diesem Zusammenhang wurden bereits THAAD-Systeme in Südkorea untergebracht. China betrachtet den US-Raketenschirm an seiner Grenze als unmittelbare Bedrohung für seine Sicherheit“, stellt Lukin fest.

„Zum Teil unter US-Druck, aber auch wegen seiner eignen Unzufriedenheit mit Kim Jong Un, der sich gegenüber Peking seit Beginn seines Amtsantritts äußerst herausfordernd verhält, verschärft China allmählich die wirtschaftlichen Restriktionen gegen das Nachbarland. Am 5. August unterstützte Peking die Resolution Nr. 2371 des US-Sicherheitsrats, die unter anderem in der Lage ist, Nordkoreas Deviseneinnahmen um ein Drittel zu reduzieren, und verdiente dadurch ein Lob der Amerikaner (…) Trotzdem wird Peking kaum viel weiter gehen und zu jenen ‚erwürgenden Sanktionen‘ gegen Nordkorea greifen, die an ein totales Embargo grenzen“, prognostiziert Lukin.
„Peking ist an einem Weiterbestehen Nordkoreas (mit oder ohne Kim-Dynastie an der Spitze) interessiert – selbst in Form einer De-Facto-Atommacht“, so Lukin. Vor allem sei es den Chinesen nicht recht, falls der nordkoreanische Norden zusammenbreche und durch den Süden annektiert werde. Ein koreanischer Einheitsstaat mit der Hauptstadt in Seoul werde ja offenbar proamerikanisch sein. Die ganze Koreanische Halbinsel werde also im Bereich der militärpolitischen US-Dominanz landen.

„Die Chinesen haben einen nicht unbegründeten Verdacht, dass die USA eine Militärpräsenz in Korea nicht nur mit dem Ziel brauchen, den Süden vor der Gefahr einer Invasion aus dem Norden zu schützen, sondern auch, um China in Asien einzudämmen“, postuliert der Experte.

China wolle die USA mindestens daran hindern, ihre Militärpräsenz nach Norden auszuweiten. Im Idealfall wolle China einen vollständigen US-Truppenabzug von der Koreanischen Halbinsel herbeiführen und Washingtons Allianz mit Seoul faktisch platzen lassen: „Pjöngjangs Raketen- und Atomprogramm könnte Peking faktisch dabei helfen, die Amerikaner aus Korea zu verdrängen. Falls Nordkorea ballistische Interkontinentalraketen bekommt, werden viele in Amerika unvermeidlich darüber nachdenken, ob die Militärbasen in Korea das Risiko wert sind, Honolulu, Seattle oder Los Angeles zu verlieren.“
Es gebe auch weitere Gründe, warum die Existenz des Nordkorea-Problems den Chinesen bei ihren Beziehungen mit den USA Vorteile bringe: „Nordkorea lenkt die Aufmerksamkeit der Amerikaner von Pekings schleichender Expansion im Südchinesischen Meer ab. Als zusätzlichen Preis für seine Kooperationsbereitschaft in Sachen Nordkorea könnte Peking eine Reduzierung der US-Unterstützung für Taiwan fordern.“

 

Quelle: Sputnik