Löwenanteil für Kiew: Linke gegen „selektive Vergabe“ deutscher Gelder in Osteuropa

 

Die Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko und Dr. André Hahn haben für DIE LINKE eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt zu deren Unterstützung der Zivilgesellschaft in Osteuropa. Heraus kam, dass Deutschland in Osteuropa vor allem in der Ukraine aktiv ist und dort die meisten Mittel bereitstellt.

Das Programm „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“ der Bundesregierung hat ein Budget von ca. 14 Millionen Euro jährlich. In den letzten drei Jahren wurden jeweils ca. sieben Millionen Euro, also die Hälfte des Budgets, auf Projekte in der Ukraine verwendet. Andrej Hunko, der europapolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, kritisiert dies:

„Die selektive Vergabe von Mitteln aus Programmen der deutschen Ostpolitik muss ein Ende haben. Etwa die Hälfte der Mittel des Programms geht an Projekte mit der Ukraine, obwohl sieben Länder Teil des Programms sind.“

Die Östliche Partnerschaft ist ein EU-Projekt und besteht seit 2009. Zu diesem Programm gehören Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Georgien, Moldawien und die Ukraine. In der gemeinsamen Erklärung zur Gründung heißt es: „Das Hauptziel der Östlichen Partnerschaft besteht darin, die notwendigen Voraussetzungen für die Beschleunigung der politischen Assoziierung und der weiteren wirtschaftlichen Integration zwischen der Europäischen Union und interessierten Partnerländern zu schaffen.“
Hunko sieht einen politischen Hintergrund der gezielten Unterstützung der Ukraine innerhalb dieses Programms:

„Es geht hier, meiner Meinung nach, um die gezielte Förderung der Ukraine mit Blick auf deren Frontstellung gegenüber Russland.“

Hunko findet das Programm der Östlichen Partnerschaft aber grundsätzlich richtig:

«Es gibt hier durchaus sinnvolle Projekte in Bereichen wie Naturschutz, Katastrophenschutz, soziale Infrastruktur, kommunale Partnerschaft oder Stadtentwicklung. Mich stört dabei halt nur die Ungleichgewichtung im Vergleich mit den anderen Ländern.»

Die Förderprogramme in der Ukraine schließen allerdings nicht die selbsternannten Volksrepubliken in der Ostukraine und die Krim ein. Hunko sieht hier einen Widerspruch:

„Zugleich ist die Bevölkerung in den nicht unter Kontrolle der ukrainischen Regierung stehenden Gebieten von den Förderprogrammen ausgeschlossen, obwohl die Bundesregierung diese Gebiete weiterhin als Bestandteil der Ukraine betrachtet.“

Hunko hält dies für falsch und ergänzt im Sputnik-Interview:

„Man müsste unabhängig von der völkerrechtlichen Auseinandersetzung, die uns wohl noch länger begleiten wird, auf der zivilgesellschaftlichen, sozialen oder interkulturellen Ebene Projekte im Sinne der Völkerverständigung fördern. Aber es findet ja das Gegenteil statt, wie man zum Beispiel an der Kriminalisierung von Musikgruppen wie Scooter sieht, die auf der Krim gespielt haben. Man kann doch diese Gebiete nicht als Schwarze Löcher behandeln, zu denen man keinen Kontakt mehr haben darf.»

Es gibt auch Partnerschaften zwischen Deutschland und Städten in den abtrünnigen Gebieten in der Ostukraine und auf der Krim. Es gibt Städtepartnerschaften zwischen den Städten Baden-Baden, Heidelberg und Ludwigsburg mit Jalta, Simferopol und Jewpatorija auf der Krim. Bochum ist die Partnerstadt von Donezk. Der Generalkonsul der Ukraine in München fordert deshalb: „Die ukrainische Regierung hat die deutschen Kommunen gebeten, die Partnerschaften mit den betroffenen Städten einzustellen.“
Die Bundesregierung möchte sich hierzu nicht äußern, da keine formelle Anfrage der ukrainischen Regierung vorläge. Die betroffenen deutschen Kommunen haben bisher ihre Zusammenarbeit mit den Städten in der Ostukraine und auf der Krim nicht eingestellt, wenngleich der Kontakt inzwischen stark eingeschränkt und behindert ist.

Andrej Hunko meint hierzu:

«Gerade wenn ein Konflikt so groß ist, ist der persönliche Austausch wichtig. Deswegen halte ich das für völlig falsch. Die Bundesregierung hat keine klare Meinung dazu, fördert aber zumindest diese Städtepartnerschaften nicht mehr.»

Unzählige von der Bundesregierung finanzierte deutsche NGOs und Stiftungen sind in der Ukraine aktiv. Auch hier fließen Millionenbeträge der Bundesregierung. Hunko vermutet einen politischen Hintergrund:

„Es ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen bestimmte Organisationen bei der Förderung finanziell bevorzugt werden. Dies legt nahe, dass die Verteilung der Mittel auch aus politischem Kalkül erfolgt. Die Finanzierung sollte ausgewogener und nicht politisiert gestaltet werden.“

Besonders üppig ausgestattet werden die Europäische Akademie Berlin, die unter anderem in den Bereichen Regierungsführung und öffentliches Finanzmanagement berät und die Deutsche Welle, der staatliche Auslandsrundfunk der Bundesrepublik. Allein die Deutsche Welle hat in den letzten drei Jahren ein Budget von knapp fünf Millionen Euro für Projekte in der Ukraine erhalten. Hunko verglich die Deutsche Welle im Interview mit Sputnik:

„Die Deutsche Welle wird im Rahmen der Östlichen Partnerschaft ausgebaut. Die Deutsche Welle ist ja ein staatlicher Sender, der deutsche Sichtweisen auf die Entwicklung dort transportiert. Also ähnlich vielleicht wie Sputnik oder RT hier. Ich finde an der Existenz solcher Sender auch nichts Schlimmes. Es sollte nur dann auch nicht einseitig hier kritisiert werden und dort nicht.“

Außerdem hat die Bundesregierung mehrere Berater für viele Bereiche von Finanzen bis Verteidigung in die Ukraine geschickt. Auffällig ist, dass besonders viele Berater auf dem Gebiet der Bodenverwaltung tätig sind. Hunko vermutet, dass es hier um mehr als Zivilgesellschaft geht:

«Der ukrainische Boden ist natürlich international heiß begehrt. Große US-Konzerne haben hier Interesse und sicher auch deutsche Konzerne. So fürchte ich, dass das Engagement hier nicht nur zivilgesellschaftlich ist, sondern handfeste deutsche Wirtschaftsinteressen dahinter stehen.»

Es gibt eine Deutsche Beratergruppe für die ukrainische Regierung mit einem Budget von ca. fünf Millionen Euro für die Jahre 2014 – 2016. Eine Personalie stößt Hunko hier besonders auf:

«Skandalös finde ich, dass ausgerechnet der ehemalige sächsische Ministerpräsident Milbradt, der 2008 zurücktreten musste wegen des Korruptionsskandals um die Sachsen LB, jetzt als Berater für gute Regierungsführung nach Kiew geschickt wurde.»

Bei der Anfrage der Linken ging es nur um deutsche Projekte innerhalb der Östlichen Partnerschaft. Auf EU-Ebene sind ganz andere Summen im Gespräch wie Hunko im Sputnik-Interview erklärte:

„Hinzu kommt, dass bei der Europäischen Volkspartei, also der CDU auf Europaebene ein Marshall-Plan für die Ukraine über fünf Milliarden Euro pro Jahr oder eine Einmalzahlung über 30 Milliarden Euro aus EU-Geldern diskutiert wird. Angesichts der Korruption in der Ukraine und der geopolitischen Situation würde ich so eine einseitige Förderung für falsch halten.“

 

Quelle: Sputnik