Polen fordern Billionen von Russen und Deutschen — Was werden sie bekommen?

 

Die Initiative polnischer Abgeordneter von der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ zur Eintreibung von mehreren Billionen Zloty Entschädigung von Russland für den Zweiten Weltkrieg ist eine Fortsetzung der jüngsten Idee des polnischen Verteidigungsministers geworden, dies von Deutschland zu fordern, meint die Politologin Irina Alksnis.

Man muss zugeben, dass die polnischen Politiker und Behörden in der letzten Zeit sehr viele Geistesblitze offenbaren. Doch bei jedem solchen Fall lässt sich Frage stellen – wie konnte eine jahrhundertealte Staatlichkeit mit Großmacht-Vergangenheit dazu kommen?

Es handelt sich in diesem Fall nicht nur um die Ansprüche und Träume von Kriegsentschädigungen, sondern vor allem um ihre eindeutige Unangemessenheit zu diesem historischen Zeitpunkt.
Die drei baltischen Länder verhalten sich übrigens bei ihren Forderungen nach Kriegsentschädigung gegenüber Russland für Jahrzehnte der sowjetischen Besatzung logischer und adäquater. Dieses Thema tauchte in ihrer außenpolitischen Rhetorik bereits in den 1990er-Jahren auf, als es Chancen gab, dass das abgeschwächte und sich in der Phase eines katastrophalen Verfalls befindliche Russland zu diesem Beschluss bewegt werden kann. Dies wurde nicht geschafft, doch es ist verständlich, dass es für einen Staat offenbar schwierig ist, auf seine zuvor erklärte Position zu verzichten, und so hält er weiter daran fest, obwohl sich die Bedingungen stark geändert haben.

In diesem Sinne sind die Änderungen in Russland in Bezug auf die Forderungen der baltischen Staaten zu erkennen. In den früheren zwei Jahrzehnten lösten sie offenen Ärger in der Gesellschaft aus. In den letzten Jahren lacht man schon über die Ansprüche der Balten – nicht nur Bürger, sondern auch Beamte. Der jüngste Kommentar des russischen Botschafters in Litauen, Alexander Udalzow, dass nicht Moskau Vilnius schulde, sondern umgekehrt, und zwar eine riesengroße Summe – 72 Milliarden US-Dollar für riesengroße Investitionen in die Entwicklung der Infrastruktur der Republik in der Sowjetzeit, zeigt anschaulich die Änderung in der Position und der Tonart Moskaus zu diesem Thema. Allerdings muss zugegeben werden, dass die baltischen Republiken auf Kontinuität ihrer Russland-Politik in dieser Frage setzen.
Vor diesem Hintergrund fällt die Position der polnischen Eliten auf. Die Initiative hätte wohl vor etwa 15 Jahren auftauchen können, als schien, dass Russland mit einem Bein im Grab steht und es tatsächlich die Chance gab, ein Stück davon zu bekommen. Doch es jetzt zu tun, wo Russland wieder erstarkt ist und in den Augen der Welt wie ein stärker gewordenes und aggressives geopolitisches Raubtier aussieht, ist offen gefährlich.

Theoretisch ist zu vermuten, dass die polnischen Eliten sehr gut verstehen, dass die Hysterie in der Welt in Bezug auf ein gefährliches und aggressives Russland stark übertrieben ist. Und auch, dass die Kampagne der Kriegsentschädigungen nur ihr Weg ist, ihr eigenes Spiel in der neuen globalen Situation zu spielen, indem man weiß, dass von Moskau in Wirklichkeit keine Gefahr für Warschau ausgeht. Doch die parallele Idee, auch von Deutschland Kriegsentschädigungen zu fordern, untergräbt diese Version.
Nach einigen Jahrzehnten einer stark eingeschränkten Souveränität steht Deutschlands einen Schritt davor, sich endgültig ins geopolitische Freie zu begeben. Schon jetzt ist die politische und wirtschaftliche Hegemonie Deutschlands in Europa unumstritten. Angesichts der Tatsache, wie erbarmungslos zu seinem Gunsten die Wirtschaften Griechenlands und Bulgariens abgesaugt wurden, sollte man kaum damit rechnen, dass Polen nach mehreren Jahrzehnten der nationalen Demütigung auf Revanche verzichten wird, wenn auch nur auf eine politische bzw. wirtschaftliche. Zwischen Deutschland und Polen gibt es besondere historische Abrechnungen.

Womit denken also die polnischen Politiker und Staatsbeamten, wenn sie sich am Höhepunkt der großangelegten geopolitischen Änderungen so unangemessen benehmen? Die Antwort ist wohl ziemlich einfach.
Im letzten Jahr zeigten die einflussreichsten Eliten einen katastrophalen Verfall bei ihren Handlungen, darunter die USA. Zudem bietet die sich wandelnde Welt eine einmalige Möglichkeit zur Umverteilung von Ressourcen und Status. Da entsteht eine große Verführung für ambitionierte Mächte.

Die jetzige Situation in der internationalen Arena erinnert an die 1990er Jahre in Russland, als alle Regeln zerstört wurden, es zu einer großangelegten Verteilung kam, und beinahe jeder Chancen auf die Teilnahme an diesem Prozess hatte. Millionen Menschen strömten damals in diesen Prozess, indem sie auf gewöhnliche Regeln und gesunden Verstand verzichteten.

Die Ergebnisse sind bekannt. Die Verteilung ist zustande gekommen. Einige, die riskiert hatten, wurden zu den Stärksten. Die russischen Friedhöfe aber füllten sich mit Opfern aus der damaligen Zeit.
Die Periode der planetaren geopolitischen und wirtschaftlichen Transformation kann ganze Länder auf einen Friedhof bringen. Einige Anwärter sind schon bekannt. In diesem Zusammenhang ist verwunderlich, dass die polnischen Eliten angesichts des Beispiels der Ukraine bereit sind, das eigene Land zu riskieren.

 

Quelle: Sputnik