Indymedia-Verbot: Zero News auch im Netz

 

Man hatte sich daran gewöhnt: Wirkliche Nachrichten gab es im Medienmainstream immer seltener. Vor allem wenn es um Themen von Krieg und Frieden ging, wurde der Fluss echter Nachrichten immer geringer: Nazis in der Ukraine? No News. Kein Frieden in Afghanistan? Fake News. Krieg in Syrien? Fake-Wording. Für Liebhaber ziemlich echter Nachrichten wurde und ist das Internet zunehmend die Alternative zu dem, was die Öffentlich-Rechten und die gleichförmigen Privaten so zu bieten hatten. Jetzt zeigt der Innenminister mal was er davon hält: Als erste alternative Quelle hat Innenminister de Maizière die Internetplattform «linksunten.indymedia.org» verboten. Von dieser Site soll nur noch Zero kommen. Um das Verbot öffentlich zu rechtfertigen, wurden dann bei einer Hausdurchsuchung in den Wohnungen der Betreiber von Indymedia prompt „Waffen“ gefunden. Denn immerhin wird die Presse- und Meinungsfreiheit durch das schwere Kaliber des Grundgesetzes geschützt, da musste man dringend was Gerichtsfestes finden.

Auf der bis zum Verbot aktuellen Seite von Indymedia wurde zur Solidarität mit den Antifaschisten von Charlottesville aufgerufen, die sich aktiv gegen den US-Naziaufmarsch im US-Bundesstaat Virginia eingesetzt hatten und mit Heather Heyer ein erstes Todesopfer beklagen mussten. Eine andere Meldung berichtete von der Verhaftung des Funktionärs der baden-württembergischen Linkspartei, Daniel Behrens, er alle möglichen Personen öffentlich als Nazis entlarvt haben soll. Schließlich kündigt die Antirassistische Initiative Nordhorn ein „Rock gegen Rechts»-Konzert auf der Site an. Weit und breit nichts von jenem „Hass“ und dieser „Gewalt“, die der Innenminister als Verbotsbegründung nennt.

Messer, Knüppel, Pfefferspray: Sowas findet die Polizei regelmäßig, wenn sie Fußballfans vor Spielen kontrolliert. Banner mit der Aufschrift ACAB „All cops are bastards“ kennt der Innenminister sicher nicht, kann er aber auch bei den Fußballfans finden. Keine der vielen Fan-Sites im Netz wurde bisher verboten. Die Zahl der toten Opfer im Ergebnis von Fan-Ausschreitungen sind noch relativ gering. Reichlich Tote gab es rund um den NSU. Aber wer heute auf die Site der NPD gehen will, wird keineswegs daran gehindert. Zwar gab es bisher noch kein Verbotsurteil gegen die Nazi-Partei, aber das mit ihr und in ihrer Umgebung die mörderische NSU-Weltanschauung gut gedeihen konnte, steht außer Zweifel.

Wer glaubt, das Verbot von Indymedia sei eine normale Polizeimaßnahme im Rahmen von Recht und Gesetz, der sollte die vielen V-Leute, die bezahlten Agenten des Verfassungsschutzes, fragen, die in der rechten Szene die Szenarien geschrieben haben: Was Recht und Gesetz ist, das haben die Agenten immer selbst entscheiden dürfen. Sicher durften das auch die Agent Provocateurs des Bundeskriminalamtes und des Staatsschutzes, die man rund um das Hamburger linksautonome Zentrum Rote Flora verdeckt in Stellung gebracht hatte. Verdeckte Ermittler wurden in Hamburg und anderswo zu Begleitern und Ideengebern der autonomen Gruppen.

Das Verbot von Indymedia ist sicher auch ein Wahlkampfbeitrag des Innenministers, wie die Linkspartei vermutet. Eine Law-and-order-Inszenierung, um den rechten Wähler-Rand festzuklopfen. Doch es ist mehr: Zumindest ein Test, wie weit man das Internet zügeln kann. Denn die lang andauernde Kampagne von Justiz- und Innenminister gegen Fakes und Hass im Netz muss doch mal auf den Punkt gebracht werden: Die Konkurrenz für die öffentlich-rechtlichen Medien und die Zeitungsverlage ist für die wirklich lästig. Was heute der Fall Indymedia ist, kann morgen der Fall Ken FM sein und am Tag danach der Fall Nachdenkseiten.

 

Quelle: Rationalgalerie