von Malte Daniljuk
Seit Wochen rüsten die USA um die koreanische Halbinsel herum ihre Truppen auf. Zusätzlich zu zahlreichen Kriegsschiffen landeten in dieser Woche zwei strategische Langstreckenbomber des Typs B-1B sowie vier F35B-Mehrzweckkampfflugzeuge in Südkorea. An der Grenze zu Nordkorea üben sie zusammen mit südkoreanischen Kampfflugzeugen ihre „Angriffsfähigkeiten“, heißt es aus Soul. In Washington zeigt man sich bemüht, die massiven militärischen Bewegungen in den asiatischen Raum als Selbstverteidigung darzustellen.
Weil Nordkorea am Dienstag eine Mittelstreckenrakete über den Norden Japans hinweg abgefeuert hat, griff der amerikanische Präsident erneut zu seinem bekannten Ton: „Alle Optionen liegen auf dem Tisch“, drohte Trump, aber „Gespräche sind keine Antwort im Umgang mit Nordkorea“. Angesichts des täglichen Schlagabtauschs gerät der eigentliche Ausgangspunkt für die aktuelle Krise gerne aus dem Blick. Nordkorea fordert seit Jahren, dass die USA ihre Militärmanöver in der Region einstellen. Unter dieser Bedingung sei man bereit, auf sein Atomprogramm zu verzichten.
Diese diplomatische Lösung unterstützen auch China und Russland. Selbst der neue südkoreanische Präsident Moon Jae-in machte deutlich, dass er es für nicht angebracht hält, derzeit große Manöver in der Region durchzuführen. Die Regierung der letzten Supermacht ließ nicht einmal im Ansatz erkennen, dass eine solche Beschränkung zur Diskussion stünde. Mit dem Manöver «Ulchi Freedom Guardian» bewegten sich über zehn Tage rund 40.000 Soldaten in unmittelbarer Nähe zu Nordkorea, darunter allein 17.500 US-Soldaten. Gleichzeitig führten Japan und die USA ein 18-tägiges Manöver mit Soldaten aus sämtlichen Teilstreitkräften auf der benachbarten Insel durch.
Insgesamt unterhält das Pazifik-Kommando des amerikanischen Militärs gut 100.000 Soldaten mit der modernsten Ausrüstung in der Region. Angesichts dieser verbalen und militärischen Mobilmachung stellt sich jedoch ernsthafter als in den vergangenen Jahren die Frage, wie Entscheidungen im Weißen Haus zustande kommen.
Zurück zum ewig Gleichen, aber anders
Immerhin ist das Zeitalter seit dem 11. September 2001 davon gekennzeichnet, dass die USA und ihre Verbündeten zahlreiche Kriege begonnen haben, von denen bisher kein einziger auch wieder beendet wurde. Im Wahlkampf hatte Donald Trump damit gepunktet, dass er ankündigte, dass er die amerikanischen Truppen aus Afghanistan zurückzuziehen. Nun erklärte der US-Präsident dieses Wahlversprechen zu einem „Instinkt“, den er gehabt habe. Seine Berater hätten ihn aber davon überzeugt, dass man verstärkt die gegen die Taliban vorgehen müsse.
Bereits seit Monaten lancieren hochrangige Mitarbeiter aus dem Nationalen Sicherheitsrat (NSC), dass die USA ihre Truppen in dem zentralasiatischen Land massiv aufstocken wollen. Die Rede war von bis zu 50.000 zusätzlichen Soldaten, die nötig seien, um den Vormarsch der Taliban zu stoppen und die Regierung in Kabul zu retten. Mehrere Vertraute des Nationalen Sicherheitsberaters, General Herbert Raymond McMaster, stachen eine entsprechende Neu-Orientierung an die Presse durch. Insofern wurde die lang angekündigte Rede von Donald Trump zu Afghanistan mit Spannung erwartet.
Die vielleicht dramatischste Aussage des US-Präsidenten würdigte bisher jedoch weder die Presse noch die außenpolitische Szene in den USA. Zunächst stellte Trump natürlich die lang angekündigte Aufstockung in Aussicht und zementierte einen zeitlich unbefristeten Einsatz. Ein Kernelement der „neuen Strategie“ sei eine Verschiebung weg von festen Zeitplänen hin zu einer Strategie auf der „Grundlage von Bedingungen“. Unmittelbar darauf verkündete Trump zudem etwas, das wie ein Schritt zurück zu der Ära der geheimen Kriege klingt, wie sie die USA bereits in den 1950er und 1960er Jahren führten:
„Ich habe oft gesagt, wie kontraproduktiv es für die Vereinigten Staaten ist, im Voraus die Termine bekannt zu geben, wann wir beabsichtigen, militärische Operationen zu beginnen oder zu beenden. Wir reden nicht über Truppenzahlen oder unsere Pläne für weitere militärische Aktivitäten. Amerikas Feinde müssen unsere Pläne nicht kennen, oder glauben, dass sie uns erwarten können. Ich werde nicht sagen, wann wir angreifen werden, aber wir werden angreifen.“
Wenn es an der aktuellen Konjunktur etwas gibt, das sich wirklich als „neu“ bezeichnen lässt, dann ist es die Abkehr von einer einigermaßen transparenten Militär- und Verteidigungspolitik. In den vergangenen Jahrzehnten war das Amerikanische Imperium auch deshalb einigermaßen kalkulierbar, weil es nach innen und außen weitgehend transparent agiert. Streitkräfte und Präsident mussten jeden Dollar gegenüber dem Kongress und dem Senat abrechnen. Nach wie vor räumt die amerikanische Verfassung dem Präsidenten nicht das Recht ein, Kriege zu beginnen.
Spätestens seitdem unter Präsident Ford mit den Geheimoperationen der Nixon-Ära aufgeräumt wurde, lassen sich in den Budget-Plänen des Kongresses sogar die Etats für Spezialoperationen des Militärs finden. Diese Art von Transparenz macht ein wesentliches Element des amerikanischen Systems aus: Um Kriege zu führen, brauchte der Präsident die Zustimmung der unterschiedlichen Eliten des Landes, wie sie in den Kammern des Parlaments und in den Medien vertreten sind.
Kreml-Astrologie heißt jetzt White-House-Astrology
Was Donald Trump vom ersten Artikel, Absatz 8 der US-Verfassunghält, hat er in den vergangen Wochen unzweifelhaft bewiesen. Am 7. April erhob sich der US-Präsident von einem Abendessen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping, ging in einen Nebenraum und erteilt den Befehl, 59 Marschflugkörper vom Typ Tomahawk auf Syrien abzufeuern — ein Land, mit dem die USA sich offiziell gar nicht im Krieg befinden. Eine Woche später ließ Trump ohne weitere Begründungen die größte konventionelle Bombe über dem Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan abwerfen.
Der Angriff mit der „Mutter aller Bomben“, wie das US-Militär den Sprengsatz zynisch bezeichnet, erfolgte einen Tag, bevor Russland eine internationale Konferenz in Moskau ausrichtete, um Lösungsansätze für Afghanistan zu suchen. Insgesamt elf Länder, darunter Afghanistan, China, Iran und Indien sowie Pakistan, berieten über die Sicherheit und die nationale Einheit des Landes, das sowohl an die zentralasiatischen Republiken im Süden Russlands grenzt, als auch gemeinsame Grenzen mit China und Indien aufweist. Eingeladen waren auch die Taliban und die USA, beide hatten jedoch abgesagt.
Angesichts von solch willkürlichen und weitgehend sinnfreien Entscheidungen versuchen US-Experten, Fachjournalisten und sonstige Beobachter angestrengt, die Strukturen in den Führungsebene der USA zu erkennen und deren Entscheidungen vorherzusagen. Zu Zeiten der Sowjetunion nannte sich dieses Unterfangen Kreml-Astrologie, ein Geschäft, das sich als schwierig und häufig fehlerhaft erwies. Während das Personal im Politbüro der KPdSU jedoch einigermaßen stabil war, wechselt die Besetzung im Nationalen Sicherheitsrat des Präsidenten beinahe wöchentlich.
So nahm das politische Amerika es durchaus zur Kenntnis, dass Steve Bannon bereits wenige Tage vor dem Angriff auf Syrien den zentralen Lenkungsausschuss des NSC verlassen musste. Nun, drei Monate später, zieht der Rechtsaußen endgültig aus dem Weißen Haus aus. Zudem flog ein weiterer Zivilist aus der erlauchten Runde des NSC: Auch Sebastian Gorka hatten die Medien zuvor einiges außenpolitisches Gewicht zugeschrieben. Vor ihm verließen bereits fünf andere Politiker mit zivilen Wurzeln die Runde. Darunter befinden sich durchaus politische Schwergewichte wie Kathleen Troia McFarland, die für die Republikaner bereits unter Ronald Reagan im wichtigen Militär-Ausschuss des Senates saß. Ihr wird ein starker Einfluss auf die so genannte Weinberger-Doktrin des gleichnamigen Verteidigungsministers nachgesagt.
Aber auch Akademiker und Pentagon-Mitarbeiter wie Adam Lovinger, Geheimdienstmitarbeiter wie Ezra Cohen-Watnick, Derek Harvey und Rich Higgins — alle drei aus dem Team des ersten NSC-Chefs Michael Flynn -, verschwanden in den letzten Wochen aus dem wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Gremium des Präsidenten. Zuletzt traf es mit Sebastian Gorka einen Breitbart-Veteranen und Freund von Steve Bannon. Dass Gorka ausgerechnet den NSC verließ, kurz nachdem sich die Chefs der israelischen Geheimdienste mit McMaster trafen, ließ besonders unter Israel-Fans und Iran-Hassern in Washington alle Alarmglocken schrillen.
Die White-House-Astrology ist sich darin einig, dass hinter diesen Säuberungen der Nationale Sicherheitsberater Herbert Raymond „H. R.“ McMaster steht. Der 55-jährige General und ehemalige Professor für Geschichte hat an allen Kriegen der USA in den vergangenen 25 Jahren teilgenommen. Zuletzt hatte McMaster die Trainings- und Ausbildungseinheiten der US-Armee befehligt. Zuvor erlangte er einen Doktortitel mit einer Promotion über die Frage, wie Lügen im politischen Apparat von Washington zur Niederlage im Vietnam-Krieg geführt hatten.
Zu der neuen Intransparenz im Weißen Haus gehört etwa, dass es auf dessen Homepage erstmals keine Informationen mehr zum NSC gibt. Die Seite bittet lapidar: „Check back soon for more information.“ Welche Personen außer den obligatorischen Ministern und Stabschefs noch zu der Runde gehören, lässt sich aktuell nicht in Erfahrung bringen, geschweige denn, worin die Tagesordnung besteht. Während die Obama-Regierung beinahe wöchentlich über die Sitzungen und Diskussionen informierte, gelangen Nachrichten aus dem NSC inzwischen nur noch über Leaks an die Öffentlichkeit.
Die Marines sind zurück
Seitdem Bill Clinton das höchste Amt der USA innehatte, verloren die Militärs aus dem Kalten Krieg stetig Gewicht im NSC. Der neue Schwerpunkt lautete „Intelligence“: Der jeweilige Chef des Abhördienstes National Security Agency (NSA) hatte in dem außen- und sicherheitspolitischen Gremium mehr zu sagen als die Stabschefs. Mit dem unter George Bush Junior ausgerufenen „Krieg gegen den Terror“ verschärfte sich diese Tendenz derartig, dass das Pentagon schließlich mit dem Kommando für Spezialoperationen (JSOC) einen Bereich schuf, um der CIA Konkurrenz zu machen.
Diese Zeit ist offensichtlich vorbei. Wenn sich nach neun Monaten Amtszeit von Donald Trump eine weitere deutliche Tendenz feststellen lässt, dann diese: In wichtigen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik äußern sich öffentlich eigentlich nur noch die Militärs. Bereits im April wies Ross Douthat in der New York Times darauf hin, dass Donald Trump in seiner Regierung bisher nur über ein Kapital verfügt, und das seien die Generäle. Dieses Team von professionellen Militärs werde in naher Zukunft die amerikanische Außenpolitik bestimmen, und nicht irgendwelche der üblichen außenpolitischen Schulen:
„Das professionelle Militär hat immer die Außenpolitik der USA beeinflusst, und die militärischen Köpfe sind in ihren Ansichten kaum monolithisch. Aber eine amerikanische Politik, die effektiv militärisch ausgerichtet ist, im Gegensatz zu nur militärisch beeinflusst, wäre tatsächlich etwas Neues in der jüngsten amerikanischen Geschichte. Das hat starke Auswirkungen darauf, wie die schwächere Pax Americana im Zeitalter von Trump verteidigt wird.“
Ross Douthat stellte die für die Amerikaner positiven Aspekten voran: Zunächst verspreche eine militärisch ausgerichtete Außenpolitik mehr Stabilität als andere außenpolitische Ansätze. Sie wäre etwa „weniger anfällig für große ideologische Ambitionen wie von liberalen Falken oder den Neokonservativen. Sie wäre weniger geneigt, die USA zum Akteur von demokratischen Revolutionen oder humanitären Racheengeln zu machen.
Aber selbst, wenn man Stabilität schätze, müsse man doch im Hinterkopf behalten, dass das Militär eben eine „starke Vorliebe für militärische Lösungen“ habe. Wenn Krisen oder besondere Herausforderungen anstehen, würden diese Lösungen von Bomben, Raketen und Drohnenangriffen handeln, sowie — in begrenzter Zahl — von Stiefeln auf dem Boden als wichtigste Instrumente staatlicher Macht. In seiner ersten Rede an der Militärakademie in Westpoint hatte Barack Obama den Rekruten auf den Weg gegeben, dass sie Instrumente in einer zivilen Außenpolitik sind. Nur weil man über den besten Hammer verfüge, so Obama, müsse man nicht jedes Problem als Nagel betrachten.
Um zu verstehen, dass die neuen Militärs im Weißen Haus sich mit solchen Spitzfindigkeiten nicht abfinden, reicht ein Blick auf die Generäle im Umfeld des Präsidenten. Sie stammen nicht etwa aus der Navy, der Luftwaffe oder dem JSOC. Die großen neuen Namen der US-Politik kommen aus der raubeinigsten Waffengattung des amerikanischen Militärs, aus dem berüchtigten Marine Corps. Neben H. R. McMaster ist dies vor allem Verteidigungsminister James Mattis. Der langjährige General des US Marine Corps kämpfte ebenso wie McMaster in allen amerikanischen Kriegen der letzten 25 Jahre.
Ab dem Jahr 2002 machte er im Irak eine schnelle Karriere, wo die Soldaten seines Marine Corps sich zahlreiche Anklagen wegen Kriegsverbrechen einhandelten. Als kommandierender General zog er später in ein Hauptquartier in Virginia, von wo aus er gemeinsam mit dem späteren CIA-Chef David Petraeus die berüchtigte Aufstandsbekämpfung gegen die irakischen Bevölkerung entwickelte. Bereits als Kommandeur der Marine-Infanterie ließ Mattis kaum eine Gelegenheit aus, die Öffentlichkeit an seiner menschenverachtenden Gesinnung teilhaben zu lassen.
Auch die Kriegsverbrecher unter seinen Soldaten nahm Mattis grundsätzlich in Schutz. Nach seinen Worten waren die Kriege in Afghanistan und Irak ein „Mordsspaß“. Unter seinem Spitznamen „Mad Dog Mattis“ agierte er als ein äußerst politischer Militär und ließ später keine Gelegenheit aus, die militärische Strategie seines Oberbefehlshabers Barack Obama öffentlich zu kritisieren.
Gerade besuchte er den Unabhängigkeitstag der Ukraine, wo er den üblichen orwellschen Neusprech vom Stapel ließ. Er behauptete, Russland sei es, dass „die internationale Landkarte mit Gewalt neu entwerfen“ wolle und „die Freiheit und Souveränität der europäischen Staaten untergräbt“. Gleichzeitig kündigte er eine Entscheidung in der langen Debatte an, ob die USA zukünftig Waffen an die Poroschenko-Regierung schicken: Demnächst rüsten die USA die ukrainischen Streitkräfte mit Schulter gestützten Anti-Panzer-Raketen und anderen „Defensiv-Waffen“ aus.
Kurz zuvor hatte Mattis die Gelegenheit genutzt, in seinem markanten Stil den Korea-Konflikt zu kommentieren: Er riet Kim Jong-Un, Nordkorea solle jegliche Schritte unterlassen, die „zum Ende seines Regimes und zur Vernichtung seines Volkes führen werden“. Gleichzeitig hatte sein Chef angekündigt, Nordkorea werde „Feuer, Wut und Macht, wie die Welt es so noch nicht gesehen hat» zu spüren bekommen. Damit keine Frage offen bleibt legte Trump nach, das „US-Atomarsenal ist stärker als je zuvor“.
Aus genau dem gleichen Stall wie Mad Dog Mattis kommt John Kelly, seit Juli der Stabschef im Weißen Haus. Beide sind 1950 geboren, auch John Kelly verdiente sich seinen Generalsrang im Marine Corps mit der Aufstandsbekämpfung im Irak. Bis zum Jahr 2008 kommandierte er die Marines in der Unruhe-Provinz Al Anbar, wo der Aufstand gegen die Besatzer besonders drastisch niedergeschlagen wurde. Ursprünglich hatte Donald Trump ihn — passend dazu — zum Innenminister ernannt.
Allerdings ist John Kelly deutlich zurückhaltender, was öffentliche Äußerungen betrifft: Laut Weißer-Haus-Astrologie geht die neue restriktive Informationspolitik des Weißen Hauses hauptsächlich auf General Kelly zurück. Angesichts der chaotischen Zustände in Trumps Regierung zeigen sich selbst liberale Medien inzwischen darüber erleichtert, dass endlich die Generäle das Ruder in die Hand nehmen:
„Inzwischen finden sich viele von uns instinktiv an der Seite ehemaliger Generäle wie John Kelly, H.R. McMaster und James Mad Dog Mattis wieder, um etwas Gleichgewicht und Stabilität in ein ansonsten chaotisches Weißes Haus zu bringen“, kommentierte etwa Peter Gelzinis im Boston Herald.
Aus Boston stammt, um den letzten und vergleichsweise liberalen Militär nicht zu vergessen, der Generalstabschef Joseph Dunford. Wie Kelly und Mattis diente auch Dunfort fast durchgehend im Marine Corps. Nach zwei Jahren im Irak zog auch er mit einem Generalstitel ins Hauptquartier ein. Ab dem Jahr 2012 leitete Joseph Dunford den allseits als gescheitert betrachteten Einsatz des ISAF in Afghanistan. Von dort aus berief ihn Barack Obama zum Vorsitzenden des Vereinigten Generalstabs. In dieser Funktion wird Dunford nun die neue Truppenaufstockung in Afghanistan umsetzen.
Auswirkungen auf die Außenpolitik
Mit diesen vier Generälen, die sich seit vielen Jahren gut kennen, ist das neue Zentrum im Nationalen Sicherheitsrat gut beschrieben. Der eigentlich für die Außenpolitik zuständige Rex Tillerson wurde in den vergangenen Wochen spürbar leiser. Ohnehin hat Präsident Trump die Mittel des Außenministeriums um ein Drittel gekürzt, während er den Militäretat massiv aufstockte. Zusammen mit dem als liberal bekannten General Joseph Dunford hat Tillerson inzwischen die Rolle des „guten Polizisten“ zugewiesen bekommen. Beide reisen um die Welt und beruhigen Freund wie Feind, wenn ihr Chef mal wieder einen rhetorischen Totalausfall hatte.
Das muss keineswegs bedeuten, dass der ehemalige Chef des weltgrößten Ölkonzerns angesichts der politischen Eskapaden in Washington auch innerlich ruhig bleibt: Unmittelbar bevor Kongress und Senat die neuen Russland-Sanktionen beschlossen, die offen gegen europäische Energieunternehmen gerichtet sind, ließ sein Büro gegenüber der Presse sogar durchblicken, dass Rex Tillerson sein Amt niederlegen wolle. Bei verschiedensten Anlässen, sei es Charlottesville oder Nordkorea, geht der Spitzenmanager inzwischen öffentlich auf Distanz zu seinem Chef. Nach dem jüngsten Ausfall des Präsidenten legte Tillerson den Amerikanern nahe, dass sie ihren Präsidenten besser ignorieren sollten:
«Ich denke, die Amerikaner sollten nachts gut schlafen, und sich über diese besondere Rhetorik der letzten Tage keine Sorgen machen.»
Diese deutliche Ohnmacht eines der wichtigsten Minister in der US-Regierung trägt jedoch dazu bei, dass die Öffentlichkeit zunehmend auf die Generäle schaut. Dabei scheint es bisher, also ob die Militärs hauptsächlich diejenigen aus dem NSC gedrängt haben, die gemeinsam mit Israel und Saudi-Arabien eine aggressivere Politik gegen den Iran verfolgen wollen. In einem aktuellen Beitrag für den New Yorker weisen Jeff Prescott und zwei weitere wichtige Obama-Mitarbeiter jedoch darauf hin, dass die Generäle keineswegs nur die Stimmen der Vernunft sind, als die ein Teil des Establishments sie sehen will:
„Einige trösten sich mit der Tatsache, dass Trumps National-Security-Team militärisch schlechte Schritte verhindern würde. Bisher haben sie Trump bereits überredet, den Atomvertrag nicht platzen zu lassen und drei der lautesten Iran-Falken aus dem Nationalen Sicherheitsrat zu entfernen. Aber Verteidigungsminister James Mattis, dem vor kurzem ein `33-jähriger Groll gegen den Iran` nachgesagt wurde; H. R. McMaster, der Nationale Sicherheitsberater und John Kelly, der neue Stabschef: Jeder von ihnen befehligte Truppen im Irak, als der Iran dort seine Proxy-Milizen mit Straßenbomben versorgte, die Hunderte von Amerikanern töteten. Was auch immer sie in anderen Fragen getan haben, um Trumps schlimmste Impulse einzudämmen, im Iran sind sie vielleicht keine Stimmen für Zurückhaltung.“
Das mag durchaus als ein Hinweis auf die mentale Verfassung von John Kelly gemünzt sein: Er ist der ranghöchste Offizier, der einen Familienangehörigen im endlosen „Krieg gegen den Terror“ verloren hat. Sein jüngster Sohn starb im Jahr 2010, als er mit seiner Einheit von Marine-Infanteristen in Afghanistan auf eine Landmine fuhr. Auch sein älterer Sohn dient bei den Marines.
Wie sich die Generäle in politischen Streitfragen verhalten, sickerte kürzlich bei einem Leak an die New York Timesdurch. Schon am ersten Diensttag von Kelly als Stabschef im Weißen Haus beriet der NSC über den weiteren Umgang mit dem illegalen Folterlager Guantanamo auf Kuba. Barack Obama hatte bereits im Jahr 2009 angeordnet, dass das illegale Haftlager geschlossen wird. Donald Trump will das Lager unbefristet weiter betreiben und nun angebliche Angehörige der Organisation „Islamischer Staat“ dort internieren. Kelly und Mattis unterbanden diesen Vorschlag nicht etwa, sondern sorgten dafür, dass die Inhaftierung sich anhand von bestimmten Kriterien rechtssicher gestalten lässt. Der für den Betrieb des Lagers zuständige General war übrigens über mehrere Jahre John Kelly.
Da die Militärs ihre Position im Nationalen Sicherheitsrat erst seit wenigen Wochen endgültig gesichert haben, ist es für genaue regionale und politische Prognosen zu früh. Bedenkenswert ist jedoch die Einschätzung von Ross Douthat, der mit einiger Erfahrung auf den Politikbetrieb in Washington schaut. Wenn so etwas wie ein Giftgasvorfall in Syrien geschieht, wäre der „erste und stärkste Impuls“ einer militärischen Außenpolitik natürlich eine massive Bestrafungsaktion. In einer ähnliche Logik würde sie allen Schwierigkeiten in der Welt begegnen, warnt Douthat.
Eine Außenpolitik der Generäle würde zwar keinen Landkrieg in Asien suchen, aber sie wäre für viele begrenzte Interventionen offen, die die Welt schrittweise immer tiefer und tiefer in Konflikte verwickeln könnten. Gerade die Unfähigkeit des Präsidenten, große Auseinandersetzungen zu gewinnen, könnte seine Bereitschaft steigern, zukünftig stärker auf die Fähigkeit des Militärs zurückzugreifen, um eine Menge von kleinen Konflikten zu beginnen. Hier, so Ross Douthat, liege die große Gefahr seiner Amtszeit: Trump tendiere weniger zu bewusster Kriegstreiberei sondern eher zu einer zufälligen Eskalation, zu der ihn seine Generäle ermutigen, ohne dass der „wichtigste Entscheider“ eine Vorstellung davon hat, wie er diese Konflikte auch wieder beendet.
Quelle: RT