
Als Reaktion auf den Atomtest Nordkoreas demonstriert Südkorea mit neuen Manövern militärische Stärke. Während die USA, Südkorea und Japan größtmöglichen Druck auf Pjöngjang fordern, ringt der Weltsicherheit in New York um schärfere Sanktionen. Dabei rückt auch eine eventuelle Drosselung chinesischer Öllieferungen in den Fokus. Washington kündigte an, innerhalb einer Woche neue Strafmaßnahmen gegen die Regierung in Pjöngjang durchsetzen.
Bei den neuen Militärübungen in Südkorea hätten Kriegsschiffe Schießübungen im Japanischen Meer durchgeführt, teilte die Marine am Dienstag in Seoul mit. Zweck der Manöver sei gewesen, sofort auf potenzielle Provokationen Nordkoreas antworten zu können. An den Übungen hätten unter anderem eine 2500-Tonnen-Fregatte, Raketenschiffe und Schnellboote teilgenommen.
Bis Samstag sollen weitere Marineübungen vor der Südküste der koreanischen Halbinsel folgen. Bereits am Montag hatte Südkoreas Militär als Reaktion auf den bisher größten Atomtest Nordkoreas am Sonntag einen Angriff mit Raketen auf das nordkoreanische Atomtestgelände im Nordosten des Nachbarlandes simuliert.
Die Vereinigten Staaten verschärfen Gangart
Nordkorea hatte eigenen Angaben zufolge eine Wasserstoffbombe getestet, mit der Interkontinentalraketen (ICBM) des Landes bestückt werden sollen. Der sechste Atomversuch seit dem Jahr 2006 löste weltweit scharfe Kritik aus. Das Raketen- und Atomprogramm wird in der Region und weltweit als ernste Bedrohung angesehen.
Bei einem Telefongespräch einigten sich Südkoreas Präsident Moon Jae-in und US-Präsident Donald Trump darauf, die Verteidigungsfähigkeit Südkoreas auszubauen und dafür die Obergrenze für die Nutzlast südkoreanischer Raketen abzuschaffen. Die Reichweite ist bisher einer beiderseitigen Vereinbarung zufolge auf 800 Kilometer und das Gewicht der Sprengköpfe auf 500 Kilogramm beschränkt. Trump bekräftigte wie zuvor in einem Telefonat mit Japans Regierungschef Shinzo Abe, die USA und ihre Verbündeten verteidigen zu wollen.
Trump und Moon waren sich nach Angaben des Weißen Hauses einig, auf Nordkoreas Atomtest mit größtmöglichem Druck und allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu reagieren. Am Sonntag hatte Trump in einem Tweet erklärt, er erwäge, «den Handel mit all jenen Ländern einzustellen, die Geschäfte mit Nordkorea machen». China ist Nordkoreas mit Abstand größter Handelspartner. Zugleich ist Peking der größte Warenlieferant in die USA, weshalb Trumps verkappte Drohung kaum zu realisieren wäre.
Zum Abschluss einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates sagte Washingtons UN-Botschafterin Nikki Haley in New York, sie werde dem Rat einen Katalog mit härteren Maßnahmen vorlegen. Darüber solle kommenden Montag abgestimmt werden. Angesichts von Anzeichen für einen weiteren Raketenstart Nordkoreas sei höchste Eile geboten.
Nordkorea will USA mit Waffentests abschrecken
Die USA werfen dem Land vor, mit seinen fortgesetzten Atom- und Raketentests einen Krieg provozieren zu wollen. Staatschef Kim Jong-un „bettelt um Krieg“, sagte Haley im UN-Sicherheitsrat. Die meisten Experten gehen hingegen davon aus, das Pjöngjang mit seinem Waffenprogramm die USA vor allem vor einem Militärgang abschrecken wollen. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb dazu:
Alles deutet darauf hin, dass Kim genau dieses Ziel erreicht. Der Test einer Bombe mit offensichtlich sehr hoher Sprengkraft macht eine militärische Intervention der Großmächte noch riskanter und damit unwahrscheinlicher. Er zementiert Kims Regime in Nordkorea. Deshalb ist auch der neueste Atombombentest kein Grund, einen bevorstehenden Atomkrieg zu befürchten. Kim hat alles Interesse daran, den für ihn idealen Zustand der stetig im Bewusstsein der Weltöffentlichkeit gehaltenen Abschreckung aufrechtzuerhalten. Ein Atomangriff auf eine der Großmächte oder das von den USA protegierte Südkorea wäre dagegen selbstmörderisch.
Russland und China mahnen
Bundeskanzlerin Angela Merkel warb in einem Telefonat mit dem US-Präsidenten für eine friedliche Lösung. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert sagte sie zu, sich in der EU für schärfere Sanktionen gegen Nordkorea einzusetzen. In dem Gespräch sagte Trump laut Weißem Haus, im Koreakonflikt lägen alle Optionen auf dem Tisch. Merkel sicherte Südkoreas Präsidenten in einem Telefonat die Solidarität Deutschlands zu.
China und Russland riefen dazu auf, einen kühlen Kopf zu bewahren. Russlands Präsident Wladimir Putin, der zum Gipfel der BRICS-Staaten in der chinesischen Hafenstadt Xiamen ist, setzte sich in einem Telefonat mit Moon für eine Aufnahme von Verhandlungen mit Pjöngjang ein. Alle politisch-diplomatischen Mittel müssten genutzt werden.
Chinas UN-Botschafter Liu Jieyi mahnte vor dem Sicherheitsrat eine friedliche Lösung des Konfliktes an: „Wir werden niemals Chaos und Krieg auf der koreanischen Halbinsel erlauben.“ Alle an dem Konflikt beteiligten Seiten müssten einer weiteren Eskalation entgegenwirken. Chinesische Experten diskutierten eine Drosselung der Öllieferungen nach Nordkorea, zeigten sich aber skeptisch, ob sich Kim Jong-un dadurch von neuen Provokationen abhalten lässt. Auch fürchtet Peking einen Kollaps des Nachbarlandes mit unkalkulierbaren Folgen.
Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja sagte: „Wir müssen unbedingt einen kühlen Kopf bewahren und ein Vorgehen vermeiden, das zu weiteren Spannungen führen kann.“ Haley sagte: „Krieg ist nie etwas, was die USA anstreben, aber die Geduld unseres Landes ist nicht grenzenlos.“ Kim Jong-un wolle, dass Nordkorea als Atommacht anerkannt werde, aber Nuklearmächte würden stets verantwortungsvoll handeln. „Wenn ein Schurkenstaat eine Atombombe hat und mit einer Langstreckenrakete auf dich zielt, dann nimmt man nicht die Deckung herunter“, sagte Haley. Der US-Verteidigungsminister James Mattis sprach von einer «sowohl effektiven als auch überwältigenden Reaktion» der USA auf die Drohungen Nordkoreas. Man wolle das Land zwar «nicht vollständig vernichten», verfüge aber über „viele Optionen, um das zu tun“. Der britische UN-Botschafter Matthew Rycroft erinnerte daran, dass der Sicherheitsrat bereits mehrfach Sanktionen gegen Pjöngjang verhängt habe, ohne ein Einlenken zu erreichen.
Quelle: RT