Experten: Europa im Visier der USA – Antirussische Sanktionen bedrohen Zusammenhalt

 

Die USA führen nicht nur einen Wirtschaftskrieg gegen Russland. So sehen es österreichische Experten. Die EU selbst ist ins US-Visier geraten. Sie warnen vor dem Schaden für Europa durch die US-Versuche, den eigenen Konzernen neue Absatzmärkte zu eröffnen. Russland hat aus ihrer Sicht eine Alternative im Osten.

Die antirussischen Sanktionen sind ein wirtschaftspolitisches Eigentor der Europäischen Union (EU). So sieht es Peter Graf zu Stolberg-Stolberg, der Ordenskanzler des Alten Ordens vom St. Georg. Dabei handelt es sich nach eigenen Angaben um eine „Vereinigung von ritterlichen Herren christlichen Glaubens“ vorrangig aus Österreich. Die Mitglieder trafen sich Ende August zum 17. Sommerlichen Arbeitskonvent in Passau.

Während dieser viertägigen Veranstaltung ging es unter anderem um das Thema„Russland – Freund oder Feind. Wo steht Europa zwischen Washington, Brüssel und Moskau?“ An den Tagungen beteiligten sich Juristen, Wirtschaftsvertreter, hochrangige Wissenschaftler sowie politische Entscheidungsträger und Regierungsvertreter verschiedener Länder.

US-Unternehmen verdrängen mit politischer Hilfe Konkurrenz

Kriege würden heute nicht mehr auf dem Schlachtfeld geführt, so Graf zu Stolberg-Stolberg im Interview mit Sputnik-Korrespondent Nikolaj Jolkin. Aber das komme vielleicht auch noch. Der reale Krieg gegen Russland sei heute wirtschaftlicher Natur. „Deshalb ist es so entsetzlich zu sehen, wie die Amerikaner mit ihrer enormen, noch vorhandenen wirtschaftlichen Kraft Europa zwingen, bei den Wirtschaftssanktionen gegen Russland mitzutun.“

Der Ordenskanzler sagte weiter:

„Es ist klar, dass sie nach dem Stopp europäischer Lieferungen nach Russland und des europäischen Kaufes von russischen Produkten selber als Verkäufer einspringen. Wenn in Europa verschiedene Großfirmen, in Österreich zum Beispiel die OMV, die österreichische Mineralölverwaltung, nicht mehr mit Rosneft und Gasprom zusammenarbeiten dürfen, steigen gleichzeitig Europa-Exporte der Amerikaner genau in diesen Segmenten.“

Es sei nicht nur ein Wirtschaftskrieg gegen Russland, ist sich Graf zu Stolberg-Stolberg sicher: „Das endgültige Ziel ist, den Russen den Hahn zuzudrehen und für Europa sehr teure Einkäufe aufzuzwingen. Wir Österreicher sind ganz dagegen. Nur die Europäische Union ist nicht imstande, eine gemeinsame Politik zu finden und endlich zu sagen:,Nicht Amerika is first, sondern Europe is first, und Europe is without America first‘. Das ist eine tragische Geschichte.“

Schaden für EU und Abwendung Russlands

Auch Christian Zeitz sieht antirussische Sanktionen als ein Druckmittel einer bestimmten Strategie transatlantischer Kräfte, die Russland um den Preis des Schadens auch für die EU selbst niederzwingen wollen. Der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für angewandte Politische Ökonomie in Niederösterreich verwies gegenüber Sputnik auf „große Deformationserscheinungen im Gefolge dieser Sanktionspolitik, was die Exportmöglichkeiten der europäischen Länder und den Verlust von Arbeitsplätzen betrifft“.

Der Wissenschaftler betonte:

„Fast eine halbe Million an Arbeitskräften ist im gesamten Bereich der Europäischen Union durch die Sanktionen verlorengegangen. Österreich hat mindestens eine halbe Milliarde Euro Umsatzeinbußen im Jahr im Hinblick auf die Exportkapazitäten und verliert im Jahr auch mindestens sieben bis zehn tausend Arbeitsplätze.“

Aus seiner Sicht fördern die Sanktionen „unangenehme Formen des Zusammenlebens und haben in der Großwetterlage eine große negative Konsequenz. Russland wird gezwungen, sich nach Osten zu wenden und an dem großen Projekt der sogenannten Seidenstraße teilzunehmen.“

Der Ökonom bedauert, dass damit der kulturelle Zusammenhalt eines gemeinsamen Europas, dem Russland angehöre, aufgebrochen sei. Europa gerate immer mehr ins Hintertreffen geraten und laufe Gefahr, „wirtschaftlich marginalisiert, aber in der Konsequenz dann auch kulturell aufgerieben zu werden.“ Er hält das für eine der langfristig schädlichsten Wirkungen der Sanktionspolitik.

Mainstream-Medien indoktrinieren die Bevölkerung

In seiner Eröffnungsrede sprach Graf zu Stolberg-Stolberg auch darüber, dass sich die öffentliche Meinung im Westen heutzutage oft von der veröffentlichten Meinung unterscheide. Er meine damit „den tragischen Verfall der Glaubwürdigkeit der sogenannten Mainstream-Medien. Sie alle spielen eine gewisse politische Rolle, weil sie indoktrinieren und nicht die wirkliche Meinung der Bevölkerung reflektieren“, erklärte er gegenüber Sputnik.

Es gehe auch bei den Medien nur darum, möglichst viele Verkaufsstückzahlen angeben zu können, fügt er hinzu, weil dann Werbung herein komme.

„Selbst wenn es gelogen ist, fragt niemand mehr am nächsten Tag danach. Denn es ging um den Verkauf der Zeitung am Vortag. Die veröffentlichte Meinung ist sehr oft ganz konträr zur wirklichen Meinung der breiten Bevölkerung.“

Graf zu Stolberg-Stolberg führt ein Beispiel aus seiner Erfahrung in der Werbung an, wie die Meinungsumfragen funktionieren: „Wenn Sie Umfragen machen, dann fragt das Gallop-Institut oder ein anderes Meinungsforschungsinstitut, was wollen Sie eigentlich für ein Resultat, das bei dieser Umfrage herauskommt? Und genau dieses Resultat, was Sie vorgeben, wird auch herauskommen.“ Es sei alles nicht mehr die wirkliche öffentliche Meinung, sondern die veröffentlichte Meinung, schlussfolgert der Ordensmann.

 

Quelle: Sputnik