Kurden können sich nicht so leicht von Bagdad verabschieden

Im irakischen Kurdistan hat eine Agitationskampagne begonnen, die dem für 25. September angesetzten Referendum über die Abtrennung vom Irak gewidmet ist, schreibt die Zeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Donnerstag.

Die Stimmzettel enthalten die Frage: „Wollen Sie, dass die Region Kurdistan und die Kurdistan-Gebiete außerhalb der Region ein unabhängiger Staat werden?“, und zwar in vier Sprachen – auf kurdisch, arabisch, assyrisch und turkmenisch.

Allerdings ist die Idee zur „Scheidung“ von Bagdad international auf Ablehnung gestoßen. Die USA haben bereits erklärt, sie würden die Finanzhilfen für die Peschmerga-Kämpfer einstellen. Hochrangige Pentagon-Vertreter gaben inoffiziell zu, dass der Grund dafür die Entscheidung der Kurden für das Referendum sei. Seit 2014 haben die Peschmerga mehrere Hunderte Millionen Dollar von Washington erhalten.

„In den USA gibt es keine einheitliche Position zu diesem Volksentscheid“, sagte Kyrill Semjonow vom russischen Zentrum für Islam-Studien. „Die diesbezüglichen Kontroversen sind relativ groß. In den USA gibt es eine ziemlich starke prokurdische Lobby, unter anderem die ‚Gruppe der Kurdistan-Freunde‘ und andere Strukturen, die die Interessen der Kurden verteidigen und nach Wegen zur Entwicklung der gegenseitigen Beziehungen nach dem Referendum suchen, unter anderem mit den Peschmerga“, so der Experte.

„Vorerst ist die Situation folgende: Washington kann angesichts seiner Beziehungen mit Bagdad die Ergebnisse des Volksentscheids nicht akzeptieren. Da sich Bagdad dazu negativ verhält, würde die Anerkennung des Referendums für die USA den Bruch mit Bagdad bedeuten. Die weitere Unterstützung der Peschmerga würde dasselbe bedeuten. Deshalb haben die Amerikaner keine andere Wahl als ihre Aussagen der Position Bagdads anzupassen.“

Die Absicht der Kurden zum Volksentscheid hat darüber hinaus zur Intensivierung der Kontakte zwischen den Nahost-Akteuren geführt, die bislang als Gegner galten. Unter anderem haben die Türkei und der Iran gemeinsame Interessen.

„Teheran und Ankara fürchten tatsächlich, dass der Trend zur Verbreitung der Unabhängigkeitsbewegungen der nächste Schritt werden könnte, so dass eine neue Eskalation beginnen würde“, betonte Semjonow. „Das verlangt von Teheran und Ankara eine Koordinierung ihrer Politik. (…) Das ist der grundlegende Moment, an dem die Entwicklung ihrer noch engeren Kooperation beginnen könnte.“

Es gibt aber unter den Kurden selbst gewisse Kontroversen, die die Ergebnisse der Abstimmung am 25. September zunichte bringen könnten. Anfang dieser Woche trafen sich Vertreter der kurdischen Parteien „Goran“ und „Komal“, wobei eine gemeinsame Erklärung vereinbart wurde, dass das Unabhängigkeitsreferendum verschoben werden sollte, und zwar weil die entsprechende Entscheidung dem Parlament vorbehalten sei. „Mit dem Referendum sind einige Details verbunden, die seine Ergebnisse faktisch ungültig machen könnten“, räumte Semjonow ein.  „Sie sind ohnehin nicht verpflichtend, aber darüber hinaus gibt es auch keine Zustimmung des Parlaments.“

Was Moskaus Stellung angeht, so besteht es auf einem Dialog zwischen den Kurden und den irakischen Behörden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte in einem Interview für den TV-Sender Rudaw: „Wir treten konsequent dafür ein, dass Bagdad und Erbil diese und auch andere Fragen aufgrund von Kompromissen und beiderseitigen Vereinbarungen (…) lösen. Wir gehen davon aus, dass die legitimen Interessen der Kurden, wie auch anderer Völker, im Rahmen der gültigen Völkerrechtsnormen berücksichtigt werden sollten. Das gilt auch für das Referendum, für das man sich in Erbil offensichtlich endgültig entschieden hat.“

 

Quelle: Sputnik